Berlin im Wandel der Zeiten

Krieger, Bogdan

Bibliographic data

Monograph

Author:: Krieger, Bogdan

Title:: Berlin im Wandel der Zeiten : eine Wanderung vom Schloss nach Charlottenburg durch 3 Jahrhunderte / Bogdan Krieger

Publication:: Berlin-Grunewald: Hermann Klemm A.G., [1923]

Language:: German

Digitization:: Berlin: Zentral- und Landesbibliothek Berlin, 2021

Scope:: 451 Seiten

Berlin:: B 173 Kulturgeschichte: Gesamtdarstellungen

DDC Group:: 900 Geschichte

URN:: urn:nbn:de:kobv:109-1-15453658

Location:: Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Shelfmark:: B 173/4d

Copyright:: Public Domain

Accessibility:: Free Access

Chapter

Title:: Der Tiergarten

pagen liegen halb unter den Wolken ihrer Kleider junge und alte, hübsche, schöne und nichts weniger als schöne Gesichter von Evas Töchtern, kostbare Bouquets auf ausge— schlagenen Papiertellern vor und hinter sich und kleine Blumensträuße, die galante Herren beim Vorüberfahren hineinbombardiert, in den Händen, bereit, sie nach Laune in einen anderen Schoß zu werfen. Die Wagen mit Herren haben ganze Körbe mit Bouquets, aus denen auf einzelne der wandelnden Schanzen ein sehr lebhaftes Feuer unterhalten wird. Offiziere zu Pferde und andere Reiter, auch sogenannte Philister haben auf ihrem Sattelknopf gleichfalls Sträußchen zu einem und zwei Silbergroschen, mit denen sie den Schoß der Schönheiten bewerfen. Zwischen den Wagen durch, an ihrer Seite, rennen junge und alte Blumenverkäufer beiderlei Geschlechts mit dem Unkenruf: „Ein Silber—⸗ groschen! Ein Silbergroschen!‘ Es grüßen sich die Bekannten in den an einander vorüber—⸗ rollenden Wagen, und manche Dame der Demimonde, mit oder ohne Camelie, entfaltet heimlich das kleine Billet, welches ihr ein leidenschaftlicher Korsar in roter Husarentracht Prinz Auqust von Preußen auf seinem Dogeart in den Tiergaarten fahrend. SGez. von Fr. Krüger. als Enterhaken zugeworfen hat. Bei den Orchestern schart sich das gewöhnlich ziemlich mager vertretene Publikum an dem Bindfaden entlang, der die fahrenden und reitenden höheren Klassen von den Parias des Fußkorso scheidet. Es mahnt im allgemeinen durch Kleidung, Sprache, Sitten und Gewohnheiten lebhaft an die gebildeteren Stände; kaum daß einige Dienstmänner in ihren Galakostümen, einige ältliche Jungfrauen mit dito Südfrüchten und einige außerhalb des Allerheiligsten harrende Droschkenkutscher das Vorhandensein niedrigerer Steuerstufen vermuten lassen. Gegen sieben Uhr abends pflegt sich der Korso zu verlaufen oder richtiger zu verfahren — wie der Rhein, im Sande. Die Straßen nach den Toren zu bedecken sich mit heimkehrenden Equipagen, die in schnellem Tempo dahinfliegen, sei es nun, daß die Rosse nach dem Stall verlangen, oder daß nach den zwei Stunden Promenade im Schritt die lebhaftere Bewegung nottut. Auch sieht es nobler aus, schnell durch die Stadt zu fahren. Da küßt denn der Abendwind leise die luftigen Hüllen der Damen, und manche lehnt träumerisch in der Ecke der Chaise, mit den Gedanken bei dem schmucken Kavalier, der ihr so bezeichnend den Blumenstrauß zugeworfen. Im Tiergarten wirds still; die Bäume schütteln den Staub von ihren 2091

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