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Landtagswahl Sachsen 2019 / Bukow, Sebastian (Rights reserved)

Bibliographic data

Landtagswahl Sachsen 2019

Description

Author:
Bukow, Sebastian
Title:
Landtagswahl Sachsen 2019 : Ergebnisse und Analysen / Dr. Sebastian Bukow
Publication:
Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung e.V., September 2019
Language:
German
Scope:
1 Online-Ressource (16 Seiten)
Note:
Datum des Herunterladens: 14.10.2020
Series:
böll.brief : Demokratie & Gesellschaft ; #16
Urban Studies:
Kws 740 Kommunalverwaltung. Kommunalpolitik: Kommunalpolitik
DDC Group:
320 Politik
URN:
urn:nbn:de:kobv:109-1-15411129
Copyright:
Rights reserved
Accessibility:
Free Access
Collection:
Public administration, politics

Contents

Table of contents

  • Landtagswahl Sachsen 2019 / Bukow, Sebastian (Rights reserved)

Full text

böll.brief DEMOKRATIE & GESELLSCHAFT #16 September 2019 Landtagswahl Sachsen 2019 Ergebnisse und Analysen DR. SEBASTIAN BUKOW Das böll.brief – Demokratie & Gesellschaft bietet Analysen, Hintergründe und programmatische Impulse zu Demokratieentwicklung und Politikforschung. Der Fokus liegt auf den Feldern Partizipation, Öffentlichkeit, Digitaler Wandel und Zeitgeschichte. Das böll.brief der Abteilung Politische Bildung Inland der Heinrich-Böll-Stiftung erscheint als E-Paper im Wechsel zu den Themen «Teilhabegesellschaft», «Grüne Ordnungspolitik», «Demokratie & Gesellschaft» und «Öffentliche Räume». Datengrundlage Die Schnellanalyse zur Landtagswahl Sachsen basiert, soweit nicht anders angegeben, auf Vorwahl- und Wahltagsbefragungen von infratest dimap/ARD und Forschungsgruppe Wahlen sowie auf Daten des Landeswahlleiters. Dank Dieser boell.brief ist unter Mitarbeit von Joschua Helmer, Jana Heyde und Ole Meinefeld entstanden – dafür herzlichen Dank! Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung ..............................................................................................................................3 2 Wahlergebnis.......................................................................................................................................4 2.1 Stimmverteilung ........................................................................................................................4 2.2 Sitzverteilung und Koalitionsperspektiven ................................................................................5 3 Politische Stimmung vor der Wahl ......................................................................................................7 3.1 Allgemeine Stimmung und Regierungszufriedenheit ................................................................7 3.2 Themen und Kompetenzzuschreibung .....................................................................................8 4 Wahlverhalten im Detail ................................................................................................................... 10 4.1 Motive der Wahlentscheidung ................................................................................................ 10 4.2 Wählerwanderung .................................................................................................................. 10 4.3 Soziodemographische Befunde ............................................................................................. 11 4.4 Regionale Befunde................................................................................................................. 12 5 Anhang: Wählerwanderung im Detail ............................................................................................... 14 2 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 1 Zusammenfassung  Wahlergebnis  Mit der Wahl verändert sich das Parteiensystem und der Parteienwettbewerb in Sachsen. Mit CDU und AfD konkurrierten eine staatstragende und eine rechtspopulistische Partei um die Vorrangstellung im Land. Die CDU konnte im Wahlkampf sowohl von Ministerpräsident Michael Kretschmer als auch von der Zuspitzung „CDU oder AfD“ profitieren und sichert sich trotz relativer Verluste die Spitzenposition. Während CDU und AfD von diesem Duell profitieren, verlieren alle anderen Parteien in diesem Endspurt an Unterstützung (im Vergleich zu den Vorwahlumfragen). Die AfD reüssiert als rechte Protestpartei und gewinnt sowohl von den anderen Parteien wie auch aus dem Lager der Nichtwähler. Starke Zugewinne verzeichnen auch die Grünen, die mit 8,6 Prozent ihr bislang stärkstes Ergebnis in Sachsen erzielen und drei Direktmandate erringen. Vom aktuellen Wahlausgang in Brandenburg abgesehen, waren die Grünen in keinem anderen ostdeutschen Flächenland bislang ähnlich erfolgreich. Mit 7,7 Prozent erzielt die SPD das deutschlandweit schlechteste Landtagswahlergebnis überhaupt und rutscht auf den fünften Platz in Sachsen. Während die Linke massiv verliert (-8,5 Prozentpunkte) scheitert die FDP trotz leichten Zuwächsen an der Fünf-Prozent-Klausel.  Wahlbeteiligung  Der Trend einer steigenden Wahlbeteiligung war auch bei der Landtagswahl in Sachsen deutlich. Mit der zunehmenden Polarisierung geht eine stark gestiegene Politisierung im Land einher. Mit knapp 67 Prozent ist die Wahlbeteiligung um rund 17,5 Prozentpunkte höher als 2014, wobei die Beteiligung 2014 auch im Ländervergleich historisch niedrig war. Alle im Parlament vertretenen Parteien profitieren im Saldo von der gestiegenen Wahlbeteiligung, besonders deutlich die AfD.  Parlament & Regierungsbildung Im sächsischen Landtag sind erneut fünf Parteien vertreten. 45 Mandate entfallen auf die CDU (-14), 38 auf die AfD (+24), 14 auf die Linke (-13), 12 auf die Grünen (+4) und 10 auf die SPD (-8). Mit 119 Abgeordneten sind 7 Abgeordnete weniger als bislang im Parlament tätig. Nach vorläufigem Stand kann die AfD ein Mandat nicht besetzen (Mandat 39 bzw. Listenplatz 31), da die AfD-Liste nach vorläufiger Gerichtsentscheidung in Folge von Aufstellungsfehlern nur bis Listenplatz 30 zulässig ist. Die bisherige Regierungskoalition von CDU und SPD hat ihre Mehrheit verloren. Im Parlament haben die CDU und AfD eine parlamentarische, politisch nicht nutzbare Mehrheit. Es wird eine schwierige Regierungsbildung erwartet, wobei eine so genannte Kenia-Koalition (CDU, Grüne, SPD) als einzige Option verbleibt. Mit 67 Mandaten würde die Kenia-Koalition über eine klare Mehrheit im Parlament verfügen.  Politische Stimmung & Wahlmotive  Die Landtagswahl ist von einer diffusen, in den Ost-West-Diskurs eingebetteten Stimmungslage geprägt. Eine hohe ökonomische und regionale Zufriedenheit trifft auf ein Gefühl der kulturell-gesellschaftlichen Ungleichheit und Diskriminierung als „Ostdeutsche“. Wie zuvor zeichnen sich AfD-Wähler durch eine besonders skeptische Perspektive aus, mit Ausnahme der Kernfrage „Klimawandel“: Diesen sehen vor allem Grünen-Wähler/innen als Gefahr, die AfD liegt hier als Klimawandel-Leugner am entgegengesetzten Pol der Konfliktdimension.  Regionale Spaltungen & soziodemografische Aspekte  Die stärksten Unterschiede zeigen sich zwischen AfD und Grünen: Während die AfD vor allem männliche Wähler mittleren Alters in strukturschwach-ländlichen Regionen für sich gewinnt, liegt die Stärke der Grünen in jüngeren, urbanen Wählermilieus, wobei sie überdurchschnittlich stark von Frauen gewählt werden. Allerdings ist die AfD bei den Wähler/innen zwischen 25 und 44 Jahren nach vorläufigen Zahlen die stärkste Kraft in Sachsen. böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 3 / 15 2 Wahlergebnis 2.1 Stimmverteilung Der CDU ist es gelungen, ihren Platz als stärkste Partei im Land Sachsen zu verteidigen (32,1 Prozent; vgl. Abbildung 1). Dennoch muss sie starke Verluste hinnehmen (-7,3 Prozentpunkte). Die AfD hat im Vergleich zu 2014 stark gewonnen und ist mit 27,5 Prozent zweite Kraft im Land (+17,7 Prozentpunkte). Damit haben die beiden Parteien zusammen eine rechnerische Mehrheit, die allerdings noch keine Machtmehrheit darstellt, da CDU und AfD keine gemeinsame Regierung anstreben. Linke, SPD und Grüne stellen parlamentarisch wie elektoral die Minderheit. Dabei haben die Grünen mit +2,9 Prozentpunkten stark hinzugewonnen und erzielen ihr bislang bestes Ergebnis in Sachsen. Linke und SPD verlieren deutlich, die SPD rutscht erstmals auf Rang fünf ab. Die FDP scheitert erneut an der Fünf-Prozent-Hürde. Abbildung 1: Wahlergebnis Sachsen 2019 32,1 27,5 +17,7 10,4 8,6 7,7 4,5 +2,9 +0,7 -4,6 -7,3 -8,5 CDU AfD Linke GRÜNE SPD FDP Ergebnisse der Landtagswahl (Zweitstimmenanteile in Prozent; Vorläufiges amtliches Endergebnis; Veränderungen zur Landtagswahl 2014 in Prozentpunkten (gerundet); Datengrundlage: Landeswahlleiter. Die Wahlbeteiligung ist mit 66,6 Prozent um 17,4 Prozentpunkte höher als 2014. Damit verbunden ist ein Blick auf die absoluten (Zweit-)Stimmergebnisse lohnend (vgl. Abbildung 2). Wurde bei der Europawahl noch die AfD stärkste Kraft im Bundesland, so hat sie diese Position nun wieder an die CDU verloren. Im Vergleich der Landtagswahlen haben nur Linke und SPD absolut Stimmen verloren, auch wenn in relativer Perspektive durch den massiven Zugewinn der AfD auch die CDU Verluste verzeichnen muss. Abbildung 2: Absolute (Zweit-)Stimmen im Vergleich 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 CDU AfD LTW 2014 LINKE BTW 2017 GRÜNE EPW 2019 SPD FDP LTW 2019 Absolute (Zweit-)Stimmen der Landtagswahlen 2014/2019 sowie der Bundestagswahl 2017 sowie der Europawahl 2019 im Vergleich; Datengrundlage: Landeswahlleiter, election.de. 4 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 Im langfristigen Trend werden die Veränderungen der Parteienlandschaft Sachsens deutlich. Die CDU, lange Zeit die dominante Partei im Land, hat ihre Vormachtstellung verloren. Was sich bereits bei der letzten Bundestags- und Europawahl in Sachsen gezeigt hat, ist nun bei den Landtagswahlen überdeutlich. Auffällig ist zudem, dass SPD und Linke keine Rolle mehr im Wettstreit um Platz zwei spielen, hier hat sich die AfD vorerst klar abgesetzt. Deutlich enger ist dabei der Wettstreit um die Plätze drei bis fünf, hier liegen Linke, Grüne und SPD vergleichsweise nah beieinander (bei unterschiedlichen Entwicklungstrends, die mittelfristig einen Vorteil für die Grünen andeuten; vgl. Abbildung 3). Abbildung 3: Wahlergebnisse Sachsen im Zeitverlauf 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1990 1994 CDU 1999 AfD 2004 Linke 2009 GRÜNE 2014 SPD 2019 FDP Zweitstimmenanteile bei den Wahlen zum sächsischen Landtag (in Prozent); Quelle: Landeswahlleiter, election.de. 2.2 Sitzverteilung und Koalitionsperspektiven Im Parlament sind mit CDU, AfD, Linke, Grünen und SPD erneut fünf Parteien vertreten, mit nunmehr deutlich neu verteilten Machtverhältnissen (vgl. Tabelle 1).1 Mit den Verschiebungen zwischen den Parteien gehen deutliche Veränderungen in der deskriptiven Repräsentation von Frauen einher. Mit weniger als 28 Prozent ist der Frauenanteil im Parlament im Vergleich zum letzten Landtag (34,4 Prozent; Bewerberfeld: 27,8 Prozent) deutlich gesunken. Ursächlich dafür ist vor allem der Wahlerfolg der AfD, die mit knapp 10 Prozent einen außerordentlich geringen Anteil an weiblichen Abgeordneten aufweist. Einzig Linke und Grüne weisen hingegen einen mindestens paritätischen Anteil auf. 1 Der Sächsische Landtag besteht aus mindestens 120 Sitzen, wobei 60 Mandate in Einerwahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl und die restlichen über geschlossene Listen vergeben werden. Die Sperrklausel liegt bei 5 Prozent bzw. mindestens zwei Direktmandaten. Die Legislaturperiode beträgt fünf Jahre. Wie bei der Bundestagswahl vergleichbar hat jede/r Wähler/in zwei Stimmen (Direktstimme: Wahlkreiskandidat/in; Listenstimme: Landesliste). Das aktive und passive Wahlrecht liegt bei 18 Jahren. 5 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 Tabelle 1: Sitzverteilung & Frauenanteil Sitzverteilung Sitze davon direkt CDU 45 AfD 38 Linke Grüne Mandatsträgerinnen Gewinn/Verlust Absolut Anteil 41 -14 10 22,2 15 +24 4 10,5 14 1 -13 9 64,3 12 3 +4 6 50,0 SPD 10 0 -8 4 40,0 Insgesamt 119 60 -7 33 27,7 Mit der Wahl hat die bisherige Regierungskoalition von CDU und SPD ihre Mehrheit verloren. Damit stellt sich nun die Frage nach künftigen Regierungsmehrheiten im Land. Diese Frage ist schwierig zu beantworten, die Regierungsbildung wird sich voraussichtlich kompliziert gestalten. Die CDU hat eine Koalition unter Beteiligung der Linken oder der AfD vorerst ausgeschlossen, und auch eine Minderheitsregierung ist für Ministerpräsident Kretschmer keine Option. Daher zeichnet sich als rechnerische einzig verbleibende Möglichkeit eine politisch nicht einfache Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen ab. Inwieweit diese Option gerade mit Blick auf die große Distanz der Sachsen-CDU zu den Grünen erfolgreich sondiert und verhandelt werden kann, bleibt abzuwarten – beide Parteien haben jedoch nach der Wahl ihre Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Hilfreich könnte dabei sein, dass CDU und Grüne diejenigen beiden Parteien sind, denen am ehesten die Beantwortung wichtiger Zukunftsfragen zugetraut wird, wenngleich sich die Antworten sicherlich unterscheiden dürften (vgl. 3.2). Mit Blick auf die Koalitionspräferenzen der Wählerschaft ist im Vorfeld der Wahl festzuhalten, dass es eine leichte, wenn auch uneindeutige Wechselstimmung gibt (infratest dimap Vorwahlbefragung): So denken 45 Prozent, dass die CDU die Regierung weiterhin führen soll, darunter vor allem schwarz-gelbe Parteianhänger/innen; 46 Prozent wollen eine andere Partei in führender Verantwortung, darunter mit knapper Mehrheit der Koalitionspartner SPD (48 zu 45 Prozent für einen Wechsel) und die übrigen Oppositionsparteien. Wer diese andere Partei sein soll ist dabei weniger klar: Nach der AfD (16 Prozent Zustimmung) wird sich dies von der SPD und den Grünen (jeweils 6 Prozent) und der Linken (5 Prozent) gewünscht. Als neue Partner für die CDU werden weder die Grünen (51 Prozent sind skeptisch für eine gute Zusammenarbeit) noch die Linke (79 Prozent skeptisch) oder die AfD (73 Prozent skeptisch) mehrheitlich positiv bewertet – was jedoch auch im Wahlkampf zur Strategie der Parteien zählte und bereits nach der Wahl vor allem mit Blick auf ein Bündnis von CDU, Grünen und SPD neu bewertet werden dürfte. 6 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 3 Politische Stimmung vor der Wahl 3.1 Allgemeine Stimmung und Regierungszufriedenheit Die Landtagswahl 2019 fand unter schwierigen Bedingungen statt. Während ökonomische Faktoren eine untergeordnete Rolle spielten, sind es vor allem kontroverse Zukunftsaussichten und politisierte kollektive Identitäten und Ansprüche, die die Wähler/innen im Wahlkampf zwischen dem Agenda-Setting der AfD und den verschiedenen Gegenstrategien ihrer Mitbewerber bewegten. Dazu kam eine bundespolitische Lage, die vor allem SPD und CDU Schwierigkeiten bereitet. Wirtschaftlich wird Sachsen von 75 Prozent der Bürger/innen als stark eingeschätzt (hier und nachfolgend: infratest dimap Vorwahlbefragung), auch Anhänger/innen der Oppositionsparteien sehen das so (AfD 60 Prozent, Linke 69 Prozent, Grüne 79 Prozent). Die Lebensumstände in den Regionen werden ebenso positiv (30 Prozent) bis stabil (57 Prozent) eingeschätzt, nur 12 Prozent sehen eine Verschlechterung. Gleichzeitig werden konkrete Bereiche kritischer gesehen, so zum Beispiel die ärztliche Versorgung (32 Prozent sehen eine Verschlechterung), Polizeipräsenz (30 Prozent) und der ÖPNV (26 Prozent). Dass es im eigenen Wohnort „immer weiter bergab geht“, denkt allerdings kaum jemand (15 Prozent), selbst unter den AfD Anhänger/innen sind es nur 26 Prozent, weit vor den Anhänger/innen der Linken (16 Prozent). Im Kontrast zu dieser positiven Bestandsaufnahme steht zum einen die Aufforderung an die Politik stärker als bisher, die Lebensbedingungen in der eigenen Region zu verbessern (82 Prozent, bei Mehrheiten unter allen Parteianhänger/innen) und zum anderen die Sorge, den eigenen Lebensstandard künftig nicht halten zu können (32 Prozent, nur unter AfD-Anhänger/innen eine Mehrheit von 52 Prozent, weit vor den FDP-Anhänger/innen mit 25 Prozent). Sehr viel weiter verbreitet sind andere Zukunftssorgen zu den Themen Klimawandel (besorgt 63 Prozent), eine künftige Zunahme von Kriminalität (57 Prozent) sowie ein stärkerer Einfluss des Islam, ein Verlust deutscher Kultur und Sprache oder sich verändernde Lebensweisen in Deutschland (60, 53 bzw. 45 Prozent). Als Sorgen um eine bestimmte kollektive deutsche Identität werden sie nahezu ausschließlich von AfD-Anhänger/innen mehrheitlich vertreten (unter ihnen allerdings mit großer Mehrheit), lediglich ein zu starker Einfluss des Islams wird noch von CDU-Anhänger/innen knapp mehrheitlich gesehen (56 Prozent). Anhänger/innen der Grünen machen sich bei keinem der drei Themen Sorgen (nur 8-11 Prozent Zustimmung), die Anteile bei den anderen Parteien rangieren je nach Thema zwischen 21 und 44 Prozent. Die Konjunktur dieser Themen erschwerte den Wahlkampf der Regierungskoalition, da der Amtsbonus für eine gute wirtschaftliche Stimmung von Themen überdeckt wurde, die sich im Land nur bedingt gesetzgeberisch bearbeiten lassen. Im Gegenzug ermöglichte dies vor allem der AfD, das Thema einer kollektiven deutschen Identität polarisierend im Sinne einer nationalen Schließung zu nutzen. In Ergänzung zu diesen Mustern kommt bei den aktuellen Landtagswahlen eine Debatte zum Tragen, die im Sommer die politische und mediale Debatte mitgeprägt haben: Die Ost-WestFrage sowie die Debatte um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, verknüpft mit der wieder stark diskutierten Frage nach Stadt-Land-Disparitäten bzw. nach der Zukunftsfähigkeit strukturschwacher, meist ländlicher Regionen. Während die konkrete Sorge um eine Überalterung der Regionen im Vergleich zu anderen Bedenken schwach ausgeprägt ist (38 Prozent (sehr) große Sorgen), wird das grundsätzliche Verhältnis zwischen Ost und West schwerwiegender und kontroverser bewertet. Hier werden neben einer eher allgemeinen nationalen Iden- 7 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 tität noch regionale Identitäten und ihre Verhältnisse diskutiert, die auch schon in der Aufforderung nach stärkerer staatlicher Fürsorge bei eigentlich guten wirtschaftlichen Gegebenheiten und Aussichten in der Region aufschienen. So sagen 68 Prozent, dass für sie die Unterscheidung zwischen Ost und West keine Rolle mehr spielt (nach Parteien zwischen 61 (AfD) und 75 (SPD) Prozent). Gleichzeitig sagen 79 Prozent, dass Kultur und Mentalität zwischen Ost und West unterschiedlich sind und bleiben werden (68 (SPD) bis 90 (AfD) Prozent). Ein erheblicher Teil beschreibt also Unterschiede zwischen Ost und West als unauflösbar und bestreitet zugleich, diese Unterschiede als wichtig zu erachten. In der historischen Betrachtung der DDR zeigt sich demgegenüber eine Polarisierung zwischen Anhänger/innen von AfD und Linke einerseits und den übrigen Parteien andererseits. Nur AfD- und Linke-Anhänger/innen vertreten hier mehrheitlich die Auffassung, dass die DDR mehr für die Bürger/innen getan habe hat als Deutschland heute. Mit Blick auf die Gegenwart hingegen vertreten Parteianhänger/innen aller Parteien bis auf die Grünen mehrheitlich, dass Ostdeutsche nach wie vor an vielen Stellen Bürger/innen zweiter Klasse seien. Dass Politik und Wirtschaft immer noch zu stark von Westdeutschen bestimmt werden, findet wiederum parteiübergreifend Zustimmung, insgesamt bei 77 Prozent. Im Kontext dieser oft widersprüchlichen Identitäts- und Anerkennungsfragen ist eine Fokussierung auf konkrete politische Programmatik eine große Herausforderung, zumal auch die Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung durchwachsen ausfällt. So sind 55 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden, darunter vor allem die Anhänger/innen der Koalitionspartner (CDU 91, SPD 84 Prozent), während die Anhänger/innen der Oppositionsparteien weniger zufrieden sind (FDP 61, Linke 52, Grüne 49, AfD 27 Prozent). Im Vergleich der Länder vor der jeweils letzten Wahl liegt Sachsen damit auf Platz 9. Die große Koalition auf Bundesebene wurde im Vergleich weit schlechter bewertet (40 Prozent zufrieden, dabei immer noch besser als im Bundesschnitt). Im Stimmungsbild zu individuellen Landespolitiker/innen ragen Ministerpräsident Michael Kretschmer und der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig mit Zufriedenheitswerten von 71 bzw. 58 Prozent heraus, dabei konnte Dulig gegenüber der letzten Wahl um 22 Prozentpunkte zulegen. Kretschmer wird von einer großen Mehrheit (70 Prozent) als guter Ministerpräsident gesehen, selbst unter Anhängern der AfD mit einer knappen Mehrheit (46 zu 44 Prozent). Dabei wird er vor allem als bürgernah, kompetent und glaubwürdig beschrieben, mehrheitlich auch als führungsstark (62 Prozent). Im Ländervergleich vor der jeweils letzten Wahl liegt er in der allgemeinen Zufriedenheit auf Platz 6; gegenüber seinem Vorgänger Stanislaw Tillich hat sich die Bewertung um moderate 5 Prozentpunkte verschlechtert. Die Kandidat/innen der Opposition rangierten in der Zustimmung zwischen 10 Prozent (Katja Meier, Grüne) und 29 Prozent (Holger Zastrow, FDP) weit dahinter. 3.2 Themen und Kompetenzzuschreibung Neben den bereits diskutierten eher gesellschaftlich-kulturellen Debatten um (ost-)deutsche Identitäten und Verhältnisse spielen auch Klimawandel und Sicherheit eine Rolle in skeptischen Zukunftsaussichten der sächsischen Wähler/innen, kontrastiert mit einer recht positiven Bewertung der wirtschaftlichen Situation. Für die konkrete Wahlentscheidung sind verschiedene Themen von Bedeutung. So wird das Thema soziale Sicherheit am häufigsten als wahlentscheidend genannt (30 Prozent), dicht gefolgt von Bildung (26 Prozent), Löhne und Renten (25 Prozent), Kriminalität (25 Prozent) und Wirtschaft / Arbeit (24 Prozent). Die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land liegen abgeschlagen auf dem 8. Platz (13 Prozent). Die Gewichtung durch die jeweiligen Parteianhänger/innen folgt dabei den klassischen Schwerpunkten der Parteien. Interessanterweise 8 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 sind AfD-Anhänger/innen kaum an der Lage strukturschwacher Regionen oder abgehängter Teile der Gesellschaft interessiert. Das Thema Soziale Sicherheit spielt für alle Parteianhänger/innen (zwischen 34 und 50 Prozent) außer denen der AfD (nur 17 Prozent) und der Grünen (nur 16 Prozent) eine Rolle. AfD-Anhänger/innen nennen nahezu ausschließlich Zuwanderung (59 Prozent) und Kriminalität (44 Prozent) als für sie selbst wahlentscheidend. Bildung wird vor allem von Anhänger/innen der Grünen (47 Prozent), der FDP (38 Prozent) und der SPD (33 Prozent) genannt, letztere nennen außerdem noch Löhne und Rente (33 Prozent), was von Anhänger/innen der Linken geteilt wird (41 Prozent). Klima spielt nur für Anhänger/innen der Grünen (72 Prozent) und der Linken (31 Prozent) eine Rolle, mit einigen Abstrichen noch für die der SPD (24 Prozent). Zuletzt findet sich Wirtschaft und Arbeit vor allem bei der FDP (42 Prozent) und der CDU (36 Prozent). Passend zu der starken Politisierung ostdeutscher Identitäten in ihrem Wahlkampf wird der AfD oft die Kompetenz bei der Vertretung ostdeutscher Interessen zugeschrieben (23 Prozent), lediglich übertroffen von der Linken (25 Prozent). Daneben reüssiert sie in der Kompetenzzuschreibung Asyl- und Flüchtlingspolitik (25 Prozent, vor der CDU mit 22 Prozent) und Kriminalität- und Verbrechensbekämpfung (26 Prozent, weit hinter der CDU mit 41 Prozent). Der CDU wird umfassend Kompetenz für Wirtschaft (56 Prozent), Arbeitsplätze (50 Prozent), Lebensverhältnisse auf dem Land (29 Prozent) sowie Schulpolitik (27 Prozent) zugeschrieben, gleichauf liegt sie bei den Themen Familienpolitik mit der SPD (24 Prozent) und gerechte Löhne mit SPD und Linke (alle 23 Prozent). Im Themenfeld Soziale Gerechtigkeit liegen Linke (27 Prozent) und SPD (23 Prozent) in den Kompetenzzuschreibungen vorne. Eine hohe Kompetenz wird den Grünen im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik zugeschrieben (48 Prozent), dazu kommen moderate Kompetenzzuschreibungen etwa im Bereich Asyl- und Flüchtlingspolitik, was mit der hohen Polarisierung in diesem Themenfeld korrespondiert. Auffällig ist auch, das den Grünen als elektoral vor allem in den Städten verankerter Partei durchaus auch 9 Prozent eine Kompetenz für „bessere Lebensverhältnisse auf dem Land“ zuschreiben, womit sie ähnliche Werte wie Linke, SPD und AfD erzielt (je 12-11 Prozent). Bedenklich erscheint, dass (wie auch in Brandenburg), in vielen Details, vor allem aber auch ganz allgemein ein großer Anteil der Befragten keiner Partei zutraut, Antworten auf die Fragen der Zukunft zu haben (39 Prozent). Wenn überhaupt, werden CDU und Grünen hier Antworten zugetraut (17 bzw. 12 Prozent), gefolgt von AfD, Linke, SPD und FDP (11-2 Prozent). 9 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 4 Wahlverhalten im Detail Die Entscheidung für oder gegen eine Partei basiert auf komplexen individuellen Abwägungen, die in dieser Schnellanalyse nicht im Detail nachgezeichnet werden können. Gleichwohl können einzelne Aspekte herausgestellt werden (Datengrundlage: infratest dimap Exit Poll). 4.1 Motive der Wahlentscheidung Im Vergleich zur Wahl 2014 ist nicht nur eine gestiegene Wahlbeteiligung bemerkenswert, sondern damit einhergehend auch ein gestiegener Anteil an Protestwähler/innen – also Wähler/innen, die ihre Wahlentscheidung nicht aus Überzeugung für eine Partei, sondern aus Enttäuschung gegenüber allen anderen Parteien treffen. Immerhin 33 Prozent aller Wähler/innen geben an, aus Enttäuschung ihre Wahlentscheidung getroffen zu haben. Dies trifft vor allem auf Wähler/innen von FW sowie AfD zu. Während die Freien Wähler traditionell als eher bürgerliche Alternative antreten, agiert die AfD hier explizit als rechte Protestpartei. Daraus darf nicht abgeleitet werden, dass AfD-Wähler/innen nicht auch die Positionen der AfD teilen: So wählen immerhin 40 Prozent aus Überzeugung eine Partei, die gerade auf Funktionärsebene stark mit der rechtsextremen Szene verwoben ist. Auch befürworten 99 Prozent der AfD-Anhänger/innen in Sachsen eine Politik der nationalen Schließung, also eine restriktivere Begrenzung der Zuwanderung, und nur 48 Prozent vertreten die Auffassung, dass die AfD sich nicht ausreichend von rechtsextremen Positionen abgrenzen würde (infratest dimap Vorwahlbefragung). Diese Beispiele verdeutlichen die Rolle der AfD: Zwar wird die Partei überwiegend aus Protest gewählt, ihre Wähler/innen teilen aber durchaus die von ihr vertretenen Positionen. Diesen Eindruck bekräftigen auch weitere Daten zur Wahlentscheidung: Für die große Mehrheit der Wähler/innen sind Sachfragen der zentrale Entscheidungsgrund, nur bei der CDU ist mit 35 Prozent der Spitzenkandidat von ebenfalls entscheidender Bedeutung – was der Beliebtheit des CDU-Ministerpräsidenten zuzuschreiben ist. Tabelle 2: Motive der Wahlentscheidung Gesam t CDU AfD Linke Grüne SPD FDP FW Wahl aus… Überzeugung 59 -3 74 -1 40 +1 68 +11 75 +9 69 +6 47 -16 33 -2 Enttäuschung 33 +2 18 +1 52 -3 26 19 -7 23 -7 46 +20 56 -6 7 11 +5 -9 Wahl wegen… Spitzenkandidat/in 19 -2 35 +2 12 +3 12 -2 Sachfragen 61 +6 40 +1 74 -7 64 +2 Parteibindung 14 -5 20 -4 6 +2 21 0 -2 21 +1 14 79 +11 53 -3 69 +15 13 19 -2 15 -9 -4 -6 70 -13 3 -2 Angaben in Prozent; Grün: Differenz zu 2014 in Prozentpunkten; Fragen: Haben Sie Ihre Partei gewählt, weil Sie von ihr überzeugt sind / von anderen enttäuscht sind? Was war für die Wahl Ihrer Partei am wichtigsten? Quelle: ARD/infratest dimap Exit Poll. 4.2 Wählerwanderung Eine detaillierte Darstellung der Wählerwanderung anhand des Modells von infratest dimap ist im Anhang aufgeführt. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass alle Parteien von der gestiegenen Wahlbeteiligung profitieren, insbesondere aber konnte die AfD frühere Nichtwähler/innen zum Urnengang motivieren, gefolgt von der CDU. Im Zuge von Generationeneffekten verlieren insbesondere CDU, Linke und SPD – hier wird die weiterhin problematische Altersstruktur der Wählerschaft dieser Parteien sichtbar. Die CDU verlor vor allem an die AfD, zudem moderat an FDP und Grüne. Profitieren konnte sie hingegen von der gestiegenen Wahlbeteiligung und von vormaligen Linken- und SPDWähler/innen. Die AfD profitierte vice versa besonders vom Wechsel früherer CDU-Wähler/innen aber auch von Kleinstparteien, Linken, SPD und FDP. Vor allem aber konnte die AfD von 10 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 der Mobilisierung früherer Nichtwähler/innen profitieren. Die Linke verlor Zweitstimmen an alle politischen Wettbewerber. Die Grünen konnten einen Stimmenzuwachs vor allem durch die Wählermobilisierung, Zu-/Fortgezogene und aufgrund des Generationswechsels verzeichnen. Wanderungen zwischen den Parteien, etwa von SPD und Linke hin zu den Grünen, spielen eine geringere Rolle. Die SPD verlor an fast alle politischen Wettbewerber, vor allem an die CDU, aber auch an Grüne und AfD. 4.3 Soziodemographische Befunde Aus soziodemografischer Perspektive lassen sich mehrere Verschiebungen durch die Zugewinne der AfD feststellen: So konnte die Partei quer durch alle Berufsgruppen Zugewinne verzeichnen. Sie gewann vor allem Arbeitslose und Arbeiter/innen, aber auch Selbständige und Angestellte hinzu; damit wird sie vor allem im mittleren, aber auch im niedrigen Bildungsniveau unterstützt. Ihren mittelalten bis alten, weit überwiegend männlichen Wählern stehen einerseits tendenziell junge Wähler/innen der Grünen sowie andererseits ältere Wähler/innen von CDU und SPD gegenüber; für die CDU sind dies auch überdurchschnittlich viele Frauen. Alter. In den Wahlergebnissen nach Altersgruppen finden sich drei Muster: Erstens eine alte und älter werdende Wählerschaft für CDU und SPD, zweitens eine junge Wählerschaft für FDP und Grüne, wobei letztere auch bei den Senior/innen zumindest ein geringes Wachstum verzeichnen, sowie drittens eine mittelalte Basis für die AfD bei vergleichsweise schwächerem Ergebnis unter den älteren und ganz jungen Wähler/innen. Zunächst steigt der Stimmenanteil für SPD und CDU mit dem Alter an, von 6 Prozent unter den 16-24jährigen auf 9 Prozent in der Altersgruppe 60+ für die SPD bzw. von 13 Prozent auf 41 Prozent für die CDU. Dabei fielen für die CDU die Stimmenanteile in den jüngeren Generationen gegenüber der letzten Wahl am stärksten, bei der SPD war der Verlust bei den älteren Gruppen in Prozentpunkten größer. Für diese beiden Parteien ist außerdem der Saldo aus Erstwähler/innen und verstorbenen Wähler/innen negativ. Eine genau umgekehrte Verteilung der Wahlergebnisse nach Alter liegt für Grüne und FDP vor. Der FDP-Stimmenanteil sinkt von 6 Prozent in der jüngsten stetig auf 4 Prozent in der ältesten Altersgruppe. Die Grünen wurden von 20 Prozent der 1624jährigen gewählt, dieser Anteil sinkt über die Altersgruppen stetig bis auf 4 Prozent in der Gruppe 60+. Dabei konnten die Grünen ihr Ergebnis der letzten Landtagswahl bei den unter 24jährigen mehr als verdoppeln, während die Zuwächse in den mittleren und älteren Gruppen etwas moderater ausfielen. Zuletzt schneidet die Linke in den mittleren Altersgruppen auch absolut etwas schlechter ab (8 - 10 Prozent) und bei den ganz jungen (11 Prozent) bzw. den älteren Wähler/innen (13 Prozent) etwas besser. Die AfD hingegen ist bei den mittleren Altersgruppen weit stärker (26 - 32 Prozent) als bei den jungen und alten Wähler/innen (20 - 24 Prozent). Geschlecht. Weitaus am stärksten sind die Gender-Unterschiede in der AfD-Wahl, bei 22 Prozent Anteil unter den Frauen und 32 Prozent Anteil unter Männern. Wie bereits angedeutet sind es vor allem mittelalte bis ältere Männer, die AfD wählen; unter den 25-44jährigen sowie den über 60jährigen Männern sind es 30-33 Prozent, und 37 Prozent bei den 45-59jährigen. In den drei Gruppen ab 35 Jahren konnte die Partei auch ihre stärksten Zugewinne mit 20-25 Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Wahl erzielen. Im Gegensatz dazu ist der Anteil an Frauen an den CDU-Wähler/innen 6 Prozentpunkte höher. Die übrigen Parteien haben eine nahezu gleich starke Unterstützung von Frauen und Männern. Die Altersverteilung der FDPWählerschaft liegt dabei vor allem am überdurchschnittlichen Erfolg bei jungen Männern (7 Prozent gegenüber 5 Prozent bei gleichaltrigen Frauen und 4 Prozent in der gesamten Altersgruppe über 60) bei einer etwas stärkeren Unterstützung durch Frauen in den höheren Altersgruppen. 11 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 Beruf. Die Stärke der CDU in den älteren Altersgruppen schlägt sich auch im entsprechenden Anteil unter den Rentner/innen (43 Prozent) durch, der weit vor dem Anteil unter beispielsweise Angestellten (29 Prozent), Selbständigen (32 Prozent) und etwa gleichauf mit Beamt/innen liegt (40 Prozent). Für die SPD ist der Anteil unter Rentner/innen geringer (12 Prozent), sie ist daneben noch unter den Beamt/innen (10 Prozent) vergleichsweise stark, wenn auch bei großen Verlusten von 10 Prozentpunkten. Im Gegensatz dazu nahm der Anteil für die AfD in durchweg allen Berufsgruppen stark zu, so unter den Selbständigen um 14 Prozentpunkte zu auf 39 Prozent; auch unter den Angestellten stieg der Anteil um 16 Prozentpunkte. Noch größer sind die Verschiebungen in den Gruppen der Arbeitslosen (-15 Prozentpunkte), Rentner/innen (-14 Prozentpunkte), aber auch Arbeiter/innen (-7 Prozentpunkte) von der Linken hin zur AfD: Sie erlangte 41 Prozent der Stimmen von Arbeiter/innen (+26 Prozentpunkte) und Arbeitslosen (+29 Prozentpunkte) sowie 22 Prozent der Rentner/innen (+16 Prozentpunkte). Den niedrigsten Anteil hat die Partei unter den Beamt/innen, hier sind es jedoch immer noch 20 Prozent. Die Grünen wurden nur von wenigen Arbeiter/innen, Arbeitslosen und Rentner/innen gewählt (3 - 7 Prozent), konnte jedoch quer durch alle Berufsgruppen Zugewinne verbuchen. Größer waren die Zugewinne unter den Selbständigen (+ 5 Prozentpunkte auf 13 Prozent) und Beamt/innen (+3 Prozentpunkte auf ebenfalls 13 Prozent). Bildung. Eng mit dieser Verteilung hängen die Stimmenanteile in den unterschiedlichen Bildungsgraden zusammen. Für die Grünen sind die Anteile und Zuwächse unter den hochgebildeten am größten (+5 Prozentpunkte auf 15 Prozent) und unter den niedrig gebildeten am tiefsten (+3 Prozentpunkte auf 5 Prozent); ähnlich ist es bei der FDP. Ein ähnliches, wenn auch schwächeres Muster in den Anteilen findet sich für die Linke, bei etwas stärkeren Verlusten unter den niedrig- als unter den hochgebildeten. Für die SPD ergibt sich kein eindeutiges Muster, sie verlor überall gleich stark. Die AfD hat ihre größten Anteile hingegen unter den mittelgebildeten (35 Prozent), auch wenn die Zuwächse um 25 Prozent auf 32 Prozent in der Gruppe der niedriggebildeten etwas höher waren. Die CDU ist unter den Niedriggebildeten etwas stärker (36 Prozent gegenüber 31 Prozent bei Hochgebildeten), verlor hier allerdings auch 10 Prozentpunkte. Wirtschaftliche Lage. Nur zwei Parteien sind unter den wirtschaftlich unzufriedenen stärker vertreten als unter den zufriedenen Wähler/innen. Bei der Linken ist der Anteil unter den Unzufriedenen (12 Prozent) leicht höher als unter den Zufriedenen (10 Prozent) und hat sich im Vergleich zur letzten Wahl mehr als halbiert. Diese und größere Zuwächse konnte die AfD verbuchen (+32 Prozentpunkte auf 45 Prozent unter den Unzufriedenen), gleichzeitig stieg auch der Anteil unter den Zufriedenen auf 24 Prozent. Alle anderen Parteien haben unter den Zufriedenen mehr Wähler/innen als unter den Unzufriedenen, bei Differenzen von 2 Prozentpunkten für SPD und 17 Prozentpunkten für die CDU sowie gleichmäßigen Zuwüchsen um 13 Prozentpunkte in beiden Gruppen auf jetzt 9 Prozent und 6 Prozent für die Grünen. 4.4 Regionale Befunde Am stärksten zwischen den Regionen polarisiert sind die Stimmenanteile von Grünen und AfD. Dabei konnte die AfD enorme Zugewinne bei gleichzeitigen Verlusten der CDU in den schrumpfenden Regionen und Braunkohlegebieten verbuchen, während die Grünen in den wachsenden Regionen stark sind, bei gleichzeitigen entsprechenden Verlusten der Linken und der SPD. Geografisch schlägt sich diese Polarisierung zum Teil auch in den Direktmandaten nieder: So erlangte die AfD den weitaus größten Teil ihrer Direktmandate im Osten Sachsens, während Grüne und Linke in Leipzig und Dresden erfolgreich waren. Die Grünen, aber auch SPD und Linke haben in den wachsenden Regionen eine stärkere Unterstützung als in den schrumpfenden Regionen und Braunkohlegebieten. Auch wenn die Grünen in allen Regionen zulegen konnten, kamen sie in wachsenden Regionen auf 17 Prozent (+6 Prozentpunkte) im Gegensatz zu 5 Prozent in den übrigen Regionen. Bei der Linken 12 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 ist der Unterschied mit 14 Prozent zu 8 - 9 Prozent etwas geringer; für sie fielen die Verluste in den wachsenden Regionen geringer aus während die SPD hier etwas mehr verlor (-6 Prozentpunkte). In den Braunkohlegebieten und schrumpfenden Regionen sind AfD und in geringerem Maße auch CDU stärker als in wachsenden Regionen vertreten. Die CDU erhielt hier jeweils 35 Prozent der Stimmen (gegenüber 26 Prozent in wachsenden Regionen), während die AfD durch Zugewinne von jeweils 21 Prozentpunkten auf 31-33 Prozent kam. Gleichzeitig erzielte die AfD auch in wachsenden Regionen Zugewinne von 11 Prozentpunkten und stand dort bei 18 Prozent der Stimmen. 13 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 5 Anhang: Wählerwanderung im Detail Wählerwanderung CDU Wählerwanderung AfD Zustrom Abstrom Saldo Austausch mit … Zustrom Abstrom Saldo Austausch mit … SPD 34.000 12.000 22.000 CDU 84.000 3.000 81.000 LINKE 30.000 6.000 24.000 SPD 10.000 0 10.000 GRÜNE 13.000 17.000 -4.000 LINKE 27.000 1.000 26.000 FDP 13.000 16.000 -3.000 GRÜNE 2.000 0 2.000 AfD 3.000 84.000 -81.000 FDP 8.000 2.000 6.000 13.000 12.000 1.000 38.000 4.000 34.000 Parteien (Summe) 106.000 147.000 -41.000 Parteien (Summe) 169.000 10.000 159.000 Nichtwähler/innen 241.000 Andere Andere 162.000 23.000 139.000 Nichtwähler/innen 246.000 5.000 Erstwähler/Verstorbene 12.000 61.000 -49.000 Erstwähler/Verstorbene 17.000 11.000 6.000 Zu-/Fortgezogene 26.000 24.000 2.000 Zu-/Fortgezogene 38.000 8.000 30.000 Weitere Gruppen (Summe) 200.000 108.000 92.000 Weitere Gruppen (Summe) 301.000 24.000 277.000 Wählerströme insgesamt 306.000 255.000 51.000 Wählerströme insgesamt 470.000 34.000 436.000 Wählerstamm 390.000 390.000 Wählerstamm 125.000 125.000 Wähler/innen 2019 und 2014 696.000 645.000 51.000 Wähler/innen 2019 und 2014 595.000 159.000 436.000 Zustrom Abstrom Saldo Zustrom Abstrom Saldo Wählerwanderung LINKE Wählerwanderung GRÜNE Austausch mit … Austausch mit … CDU 6.000 30.000 -24.000 CDU 17.000 13.000 4.000 SPD 13.000 19.000 -6.000 SPD 18.000 5.000 13.000 GRÜNE 3.000 15.000 -12.000 LINKE 15.000 3.000 12.000 FDP 1.000 6.000 -5.000 FDP 1.000 1.000 0 AfD 1.000 27.000 -26.000 AfD 0 2.000 -2.000 Andere 4.000 13.000 -9.000 5.000 5.000 0 Parteien (Summe) 28.000 110.000 -82.000 Parteien (Summe) 56.000 29.000 27.000 Nichtwähler/innen 37.000 15.000 22.000 Nichtwähler/innen 32.000 2.000 30.000 Erstwähler/Verstorbene 11.000 32.000 -21.000 Erstwähler/Verstorbene 20.000 4.000 16.000 9.000 11.000 -2.000 Zu-/Fortgezogene 27.000 6.000 21.000 57.000 58.000 -1.000 Weitere Gruppen (Summe) 79.000 12.000 67.000 -83.000 Wählerströme insgesamt 135.000 41.000 94.000 52.000 52.000 187.000 93.000 Zu-/Fortgezogene Weitere Gruppen (Summe) Wählerströme insgesamt 85.000 168.000 Wählerstamm 141.000 141.000 Wähler/innen 2019 und 2014 226.000 309.000 -83.000 Zustrom Abstrom Saldo CDU 12.000 34.000 -22.000 LINKE 19.000 13.000 6.000 GRÜNE 5.000 18.000 -13.000 FDP 1.000 5.000 -4.000 AfD 0 10.000 -10.000 Andere Wählerstamm Wähler/innen 2019 und 2014 94.000 Wählerwanderung SPD Austausch mit … Andere 3.000 5.000 -2.000 Parteien (Summe) 40.000 85.000 -45.000 Nichtwähler/innen 41.000 18.000 23.000 5.000 19.000 -14.000 Erstwähler/Verstorbene Zu-/Fortgezogene 7.000 8.000 -1.000 Weitere Gruppen (Summe) 53.000 45.000 8.000 Wählerströme insgesamt 93.000 130.000 -37.000 Wählerstamm 73.000 73.000 166.000 203.000 Wähler/innen 2019 und 2014 -37.000 Quelle: ARD/infratest dimap Wahlberichterstattung. 14 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 15 / 15 böll.brief Landtagswahl Sachsen 2019 Der Autor Dr. Sebastian Bukow ist Referent für Politik- und Parteienforschung in der Heinrich-Böll- Stiftung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind insbesondere Parteiorganisations-, Parteiensystem- und Parlamentsforschung. Darüber hinaus ist Sebastian Bukow u.a. als Sprecher des AK Parteienforschung der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft engagiert sowie Research Fellow am Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung Düsseldorf. Impressum Herausgeberin: Heinrich-Böll-Stiftung e.V., Schumannstraße 8, 10117 Berlin Kontakt: Referat Politik- und Parteienforschung, Dr. Sebastian Bukow E bukow@boell.de Erscheinungsort: www.boell.de DOI: https://doi.org/10.25530/03552.35 Erscheinungsdatum: September 2019 Lizenz: Creative Commons (CC BY-NC-ND 4.0) Verfügbare Ausgaben unter: www.boell.de/de/boellbrief Abonnement (per E-Mail) unter: boell.de/news Die vorliegende Publikation spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der Heinrich-Böll-Stiftung wider.

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