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Der kommende Krieg / Solty, Ingar (Rights reserved)

Bibliographic data

Der kommende Krieg

Description

Author:
Solty, Ingar
Title:
Der kommende Krieg : der USA-China-Konflikt und seine industrie- und klimapolitischen Konsequenzen
Edition:
Redaktionsschluss: Juni 2020
Publication:
Berlin: Rosa -Luxemburg-Stiftung, 2020
Language:
German
Scope:
1 Online-Ressource (49 Seiten)
Note:
Datum des Herunterladens: 12.10.2020
Series:
Analysen ; Nr. 61 Internationale Politik
Urban Studies:
Kws 799 Verwaltung. Politik: Einzelfragen
DDC Group:
320 Politik
URN:
urn:nbn:de:kobv:109-1-15410805
Copyright:
Rights reserved
Accessibility:
Free Access
Collection:
Public administration, politics

Contents

Table of contents

  • Der kommende Krieg / Solty, Ingar (Rights reserved)

Full text

ANALYSEN INTERNATIONALE POLITIK DER KOMMENDE KRIEG DER USA-CHINA-KONFLIKT UND SEINE INDUSTRIE- UND KLIMAPOLITISCHEN KONSEQUENZEN INGAR SOLTY INHALT Vorwort 3 1 Trump und «Global Trumpism» 8 2 Die organische Krise des Kapitalismus und der Aufstieg des rechtsautoritären Nationalismus oder: die gesellschaftlichen Wurzeln des «Rechtspopulismus» 9 3 Die Dysfunktionalität des rechtsauto­ritären Nationalismus  für den Block an der Macht und seine Einhegung 12 4 Chinas Aufstieg: die historisch große Herausforderung  für das American Empire 15 5 Seeblockade und die One-Belt-One-Road-Initiative:  Der Krieg hat längst begonnen 21 6 Die globale Finanzkrise als verpasste klimapolitische Chance 27 7 Mit dem Westen in die Klimakatastrophe, mit China zu ihrer Abwendung? 30 8 Tertium non datur? Vor der fürchterlichen Entscheidung 36 Literatur 40 VORWORT Die Abfassung dieses Textes wurde Anfang des Jahres 2019 begonnen. Eine erste Fassung mit der zentralen These zur US-China-Hochtechnologiekonkurrenz wurde im Frühjahr 2019 unter dem Arbeitstitel «Der Scheideweg: Klimapolitischer Interventionismus oder marktgetriebene Barbarei, oder: Siegt der Westen, stirbt das Klima» beendet und am 20. Juni in einer Sitzung des Gesprächskreises Frieden und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel «Die industrie- und klimapolitische Dimension des handels- und geopolitischen Konflikts zwischen den USA und China» zur Debatte gestellt. Eine überarbeitete Fassung des Papiers wurde in Teilen am 23. September beim Workshop «Challenges of a Common Security Policy» des Asia Europe People’s Forum und International Peace Bureau in Berlin und in Gänze am 23. November an der Fudan-Universität in Shanghai sowie am 7. Dezember 2019 an der Universität Kassel präsentiert. Eine im Januar 2020 überarbeitete Fassung wurde schließlich am 3. Februar bei einem Vortrag unter dem Titel «The Coming War Against China: Climate Change, Industrial ­Policy, and the Hierarchy of the International ­Division of Labour» am Centre for Global Policy der Sussex University in Brighton vorgestellt. Die Ereignisse der Corona-Krise, die Ende 2019 in China begann und sich im Februar/März 2020 auch in Europa und in den USA zuspitzte, holten die Publika­tion dieser Broschüre ein. Es erschien notwendig, die dynamische zeitgeschichtliche Entwicklung zu beobachten, um punktuelle Aktualisierungen vornehmen zu können, insbesondere weil sich eini- 3 ge in dieser Analyse beschriebenen Entwicklungen teilweise rapide beschleunigt hatten. Am Ende jedoch fiel die Entscheidung, den Text von Januar 2020 bis auf die Einfügung von drei neuen Quellen und Nachrichtenmeldungen unverändert zu lassen und ihm stattdessen dieses Vorwort voranzustellen, das die laufenden Entwicklungen für den historischen Moment einordnet. Die zentrale Ausgangsthese dieses Papiers war und ist, dass eine entscheidende Bedingung für Chinas erfolgreichen Aufstieg in der internationalen politischen Ökonomie sein Staatsinterventionismus gewesen ist, der auch aus klimapolitischen Gründen von hoher Bedeutung ist, soll es der Menschheit gelingen, die uns vom Weltklimarat und dem Gros der Expert*innen prognostizierte Klimakatastrophe noch abzuwenden. China hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten von der verlängerten Werkbank der Welt zum Hochtechnologierivalen der USA und des Westens entwickelt: von der 5. Mobilfunkgeneration und den davon abgeleiteten Zukunftstechnologien («Smart City», autonomes Fahren etc.) über die Künstliche Intelligenz bis zu den «grünen» Technologien (Hochgeschwindigkeitszüge, Windkraft, Photovoltaikanlagen, E-Mobilität). Die neue Welt, die aus der globalen Finanzkrise von 2007 ff. hervorgegangen ist, hat die Bedeutung des chinesischen Staatsinterventionismus für Chinas Hyperwettbewerbsfähigkeit untermauert, die im Windschatten der im Frühjahr/Sommer 2010 einsetzenden Austeritätspolitik des Westens ihre besondere Wirkungskraft entfaltet hat. Mit seiner Hilfe hat China nach Angaben des Weltwirtschaftsforums den USA 4 den Rang des Staates mit den höchsten Forschungsausgaben in den Naturwissenschaften und im Ingenieurswesen (­Science & Engineering) abgelaufen, es führt seit 2018 auch die Liste der Länder mit den meisten wissenschaftlichen Publikationen in diesem Bereich an (Mc­ Carthy 2020). Eine weitere zentrale These der Broschüre war und ist, dass der Westen vor der Entscheidung stand bzw. weiterhin steht, Chinas Staatsinterventionismus entweder nachzuahmen (das heißt im Rahmen einer neuen, aktiven Industriepolitik und -strategie den Ansatz des ausgeglichenen Staatshaushalts und der restriktiven Fiskalpolitik aufzugeben) oder mit allen nicht militärischen und militärischen Machtressourcen Chinas Staatsinterventionismus zu unterbinden und so China auf Dauer in einer untergeordneten Stellung in der Hierarchie der internationalen Arbeitsteilung zu halten. Die große Heraus­forderung, die China für das kapitalistische Zentrum markiert, ist sicherzustellen, dass es weiterhin einen Großteil der in China und anderswo im globalen Süden erzielten Profite repatriieren und somit eine Weltwirtschaftsordnung behaupten kann, die nach den Spielregeln des «Westens» und im Interesse der von hier aus agierenden transnationalen Konzerne funktioniert. In Anbetracht dieser Herausforderung geht das Papier von deutlichen Rissen in den herrschenden Klassen des Westens aus. Diese zeigen sich in den Positionen von Teilen der US-Regierung, der im Februar 2019 vom deutschen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorgestellten «Nationalen Industriestrategie 2030», aber auch in verschiedenen Schritten der EU-Kommission in Richtung einer neuen Industriestrategie für Europa. Sie manifestieren sich auch am Rande des «linken» Neoliberalismus – in Deutschland zum Beispiel in Teilen von SPD und Grünen, wo die in den Verfassungsrang erhobene Doktrin vom ausgeglichenen Staatshaushalt, das heißt die «schwarze Null», zumindest zögerlich infrage gestellt wird. Sie kommen – auch aufgrund historisch niedriger Zinssätze – in der Befürwortung von Zukunftsinvestitionsprogrammen zum Ausdruck, wie sie die sozialistische Linke schon lange vor und dann während der globalen Finanzkrise 2007 ff. als «Social Green New Deal» gefordert hat. Nur so kann eine sozialökologische Überwindung der multiplen Krise unserer Zeit mit ihren sechs Dimensionen – überakkumulierende Ökonomie, soziale Reproduktion, soziale Kohäsion, Demokratie, Weltordnung und Ökologie/Klima – gelingen (vgl. Solty 2019a). Die Corona-Krise hat all diesen Entwicklungen eine neue Stoßrichtung gegeben und viele der in der vorliegenden Analyse beschriebenen Prozesse intensiviert. Es ist wichtig festzuhalten, dass das ­C ovid-19-­Virus nicht der Auslöser der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist. Die Weltwirtschaft befand sich ohnehin auf dem Weg in eine neue große Rezes­sion. Dies ließ sich an den entscheidenden ökonomischen Eckdaten wie BIP-Wachstumsraten, Nettoinvestitionsquoten und Kapazitätsauslastung in der Industrieproduktion ablesen. Die Corona-Krise ist eine «bioökonomische Pandemie» (Solty 2020b), in der sich zeigt, wie die verschiedenen Dimensionen der multiplen Krise stets das Potenzial haben, diese immer wieder massiv ausbrechen und erneut aufflammen zu lassen, Latentes sichtbar zu machen. In diesem Sinne hat die Corona-Krise auch die Verletzlichkeit der in- ternational arbeitsteiligen Weltwirtschaft unter den Bedingungen der Just-in-timeProduktion offenbart. Die Pandemie zerstörte rasch internationale Lieferketten und ebenso rasch gerieten Kapitalunternehmen in Schieflage. Sie nutzen jetzt die staatlichen Rettungsschirme zu Umstrukturierungen, Umschuldungen und Massenentlassungen in strukturell überakkumulierenden Branchen wie der Autoindustrie (Solty 2020c sowie Preuß 2020). In Konzernetagen wird die Verwundbarkeit für internationale Lieferengpässe zukünftig sicherlich ein Thema sein und Auswirkungen auf Outsourcing- und Offshoring-Entscheidungen haben. Das Handeln der privatkapitalistischen Akteure richtet sich dabei auch nach dem Handeln der Staaten in ihrem Krisenmanagement. Dieses geht über die Errichtung der Schutzschirme für die Konzerne weit hinaus und hat Einfluss auf die strategischen Entscheidungen des Großkapitals. Auf staatlicher Ebene verschränkt sich die Krise mit den bestehenden Konkurrenzdynamiken. Derjenige Teil der herrschenden Klassen des Westens, der die neue industriepolitische Offensive und die Schaffung von kapitalstarken Global Players forciert, wird durch die Krise gestärkt und verschiebt auch teilweise ihren Fokus. Die Europäische Union hat sich schon lange vor Corona dem Konfrontationskurs der USA angeschlossen und erklärte China im letzten Jahr erstmals zum «Systemrivalen». Die EU-Industriepolitik war bis Corona stark mit der Rüstungspolitik verschränkt, etwa im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds, der die Militarisierung der EU vorantreibt, und vor dem Hintergrund der Bedeutung militärisch-öffentlicher Forschung für Technologieinnovation hatte sie durchaus auch dual use, also die militärische und später zivile Nutzung von ursprünglich für das Militär entwickelten Technologien, im Sinne (vgl. hierzu ausführlich Solty u. a. 2020). Mit der Corona-Krise wird jedoch – mit offenem Ende – die Industriepolitik noch stärker ausgeweitet. Das staatliche ­Covid-19-Krisenmanagement ist im Zusammenhang mit den im Folgenden beschriebenen längerfristigen Trends zu sehen und zu denken. Die USA, Deutschland, Großbritannien und andere Länder sahen sich im Zuge der bioökonomischen Pandemie zur Umstellung auf Kriegsökonomien und partielle Industriekonversion gezwungen, um notwendige Atemschutzmasken, Beatmungsgeräte und Desinfektionsmittel zu produzieren. Die Konzerne, die damit eine willkommene staatliche Abnahmegarantie erhalten haben, verschmelzen so noch enger mit dem Staat. Die Tendenz zu nationaler Industriepolitik wird also durch die Krise verschärft. Diese Entwicklung der selektiven DeGlobalisierung verbindet sich mit dem Aufstieg des rechtsautoritären Nationalismus in den 2010er Jahren, der der Corona-Krise auch eine aggressive, rassistische und die Probleme und inneren gesellschaftlichen Widersprüchen exterritorialisierende Richtung verleiht. Dies zeigt sich beispielsweise in der Art und Weise, wie Donald Trump nicht zuletzt, weil er November 2020 wiedergewählt werden will, Covid-19 als «China-Virus» bezeichnete und seine aggressive Rhetorik gegen China noch verschärfte, um so von seiner eigenen Untätigkeit in Sachen Covid-19 einerseits und dem dysfunk­ tionalen Charakter des privaten, profit­ orientierten Gesundheitssystems in den USA abzulenken (Cockburn 2020). Es 5 6 zeigt sich auch in der bemerkenswerten Tatsache, dass der US-Bundesstaat Missouri allen Ernstes die Kommunistische Partei Chinas für die Verbreitung des Virus verklagt hat (Harper 2020). Auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 Mitte Februar hatte der chinesische Außenminister Wang Yi die USA zum ersten Mal offen zu einer Bedrohung für Chinas Sicherheit erklärt (Escobar 2020). Die Corona-Krise hat nun die Spannungen noch vergrößert. Wie der Berliner Tagesspiegel am 5. Mai berichtete, hat der chinesische Geheimdienst von der «feindseligsten Stimmung seit der Niederschlagung der Studentenbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989» gesprochen und öffentlich vor der Gefahr eines großen Krieges zwischen den USA und China gewarnt. Der rechtsautoritäre Nationalismus wirkt indes zugleich auch nach innen. Er hat die innerwestliche Solidarität erschüttert. China konnte mit «sanfter Macht» zur Hilfe eilen – sogar in Deutschland, wo sich der Landrat des besonders von Corona betroffenen Kreises Heinsberg in Nordrhein-Westfalen öffentlich hilfesuchend an Peking wandte, weil er sich von seiner eigenen Regierung im Stich gelassen fühlte. Die USA betrieben Piraterie gegen europäische Bestellungen von Atemschutzmasken aus China, die von US-Konzernen geliefert werden. Italien wurde von seinen EU-Partnern auch aus Angst vor den rechten Populisten lange alleingelassen. Die nordeuropäischen Staaten sowie Deutschland und Österreich weigerten sich aus innenbzw. machtpolitischen Gründen, CoronaBonds einzuführen, und riskierten damit eine neue Eurokrise. Sollte das besonders gebeutelte Italien an den internationalen Finanzmärkten ins Wanken geraten, dann wäre ein womöglich unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euroraums aufgrund der Größe der italienischen Ökonomie und ihrer Hebelwirkung, die ungleich größer ist als die von Griechenland vor zehn Jahren, sehr wahrscheinlich. Politisch ist eine Annäherung Italiens an China ohnehin eine naheliegende Perspektive. Sogar eine Aufnahme in die «17-plus-1»-Asso­ zia­tion – ein 2012 in Budapest gegründeter Zusammenschluss, der schon jetzt 17 Länder Zentral- und Osteuropas an China bindet, ist vorstellbar. Im Übrigen ist auch jetzt, nachdem sich die deutsche Regierung für einen EU-Wiederaufbaufonds ausgesprochen hat, der Ausgang dieses Projektes angesichts des Widerstands seitens der skandinavischen, niederländischen und österreichischen Regierungen weiterhin offen. Offen bleibt zudem die Frage, ob eine Krise der EU und innerhalb des transatlantischen Bündnisses für einen friedlichen Aufstieg Chinas in der Weltwirtschaft und internationalen Ordnung eher vorteilhaft wäre. Die partielle Renationalisierung der Weltwirtschaft bietet Chancen für eine selektive De-Globalisierung und Relokalisierung von Wirtschaftskreisläufen, die für den Globalen Süden die Option auf ein «De-Linking» (Samir Amin) bedeuten könnten (vgl. ausführlich Solty 2020d). Sie birgt aber auch Risiken, sollte dieser Prozess zusammen mit dem Wirtschaftskrieg gegen China die in dieser Broschüre beschriebene Tendenz zu einer neuen bipolaren Welt befördern, in der die USA und China zwei globale Lieferkettenblöcke anführen, die sich kriegerisch gegenüberstehen. «Der zweite kalte Krieg zwischen den USA und China hat begonnen», schrieb der schottische Historiker und enthusiastische Befürwor- ter des US-Empire Niall Ferguson im Januar 2020 in der Neuen Zürcher Zeitung und forderte, dass der Westen, um siegreich zu sein, einen Keil zwischen China und Russland treiben müsse. Der US-China-Konflikt wird dem 21. Jahr­ hundert sein Gepräge aufdrücken. Faktisch tut er es längst. Da in einem kalten Wirtschaftskrieg auch der klimapolitische Staatsinterventionismus als Realität in China und als sozialökologisches Transformationsprojekt im Westen unter die Räder einer marktgetriebenen Entwicklung geraten kann, ist die Zukunft der Menschheit auf dem Planeten Erde immer mehr von diesem Konflikt und seiner Entschärfung abhängig. Das «Schwerter zu Pflugscharen» von einst muss heute lauten: globale Abrüstung, Entspannungsdiplomatie und klimapolitischer Multilateralismus unter Einbindung Chinas für den sozialökologischen Systemwechsel weltweit, weil die Klimakatastrophe nun einmal nicht vor Ländergrenzen haltmacht. Dass der Aufstieg des rechtsautoritären Nationalismus und die Entfaltung seiner Macht gegenüber China auch innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas die marktliberalen Kräfte stärken, ist dabei eine besonders brisante Entwicklung. Dies unterstreicht, dass China und seine Regierungspartei keineswegs ein monolithischer Block sind, sondern von den internationalen Kräfteverhältnissen und den Kräfteverhältnissen in den einzelnen Staaten des Westens abhängen. Diese Publikation trägt nun den Titel «Der kommende Krieg». Schon längst wird dieser, wenigstens als Druckmittel und als Option, vorbereitet. Mehr noch: Als Wirtschaftskrieg ist er längst im Gange. Mit Bertolt Brecht gesprochen, müssen wir die «Schwierigkeit» meistern, «Gewalt zu erkennen». Diese ist in den seltensten Fällen direkt, offen und militärisch. Sie ist in den meisten Fällen indirekt, strukturell und ökonomisch, finanziell und politisch. Was uns jedoch beunruhigen sollte, ist der Umstand, dass im Zuge des gegenwärtigen globalen Rüstungswettlaufs ihre militärische Dimension immer offensichtlicher wird. Ihre militärische Stärke ist zusammen mit der Abkopplung Chinas von den internationalen Lieferketten für Mikrochips zur wichtigsten Machtressource der USA in ihrem Konflikt mit dem «Reich der Mitte» geworden. Welthistorisch betrachtet, ging der relative Abstieg einer alten Hegemonialmacht und der Aufstieg einer neuen selten ohne einen großen Krieg vonstatten. US-Militärstrategen sprechen in diesem Zusammenhang von der «ThukydidesFalle». Sollte sie einmal zuschnappen, ist die Annahme nicht sehr weit hergeholt, dass das 21. Jahrhundert noch finsterer werden könnte als das 20. Jahrhundert. Aber auch ohne einen großen Krieg liefe alles auf eine Katastrophe hinaus, sollte es uns nicht gelingen, diese Krise endlich für einen längst anstehenden großangelegten sozialökologischen Systemwechsel zu nutzen. Ingar Solty Berlin, Mai 2020 7 8 1 TRUMP UND «GLOBAL TRUMPISM» Viele machen die Trump-Administration für die Zerstörung der bisherigen Weltordnung verantwortlich. Manche sprechen von einem Ende der Globalisierung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Staatschef Xi Jinping haben in ungewohnter Einigkeit auf den Davoser Weltwirtschaftsgipfeln der letzten Jahre den Multilateralismus hochleben lassen und damit mehr oder weniger direkt Trump für seine bilaterale Politikorientierung, die auf «Deals» zwischen zwei Nationalstaaten abzielt, kritisiert. Nach Trumps Wahl im November 2016 und der Entscheidung für den Brexit im selben Jahr waren von Politiker*innen in Deutschland ungewohnte Stellungnahmen zu hören, die auf tiefe Risse im transatlantischen Verhältnis hindeuten. Von einer «Partnership in Leadership» zwischen den USA und Deutschland, die George H. W. Bush nach dem Ende des Kalten Krieges verkündet hatte (was man in Deutschland geschmeichelt zur Kenntnis genommen hatte), ist jedenfalls nichts mehr zu spüren. Angela Merkel, die nach Gerhard Schröders Nein zu einer deutschen Beteiligung am Irakkrieg der USA 2002 extra in die Vereinigten Staaten geflogen war, um sich beim US-Präsidenten George W. Bush für diese Ungeheuerlichkeit zu entschuldigen (sie versicherte der Washington Post, «Schröder spricht nicht für alle Deutschen»), bekannte nach Trumps Wahl und dem Brexit-Beschluss in einer vielbeachteten Bierzeltrede: «Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.» (Zit. nach Soboczynski 2017) Deutschland müsse jetzt mehr aufrüsten und offensiver Außenpolitik betreiben. Für die SPD verkündete Sigmar Gabriel gar: «Wir erleben einen Führer der Vereinigten Staaten, der sich von den Idealen der westlichen Welt immer mehr entfernt» hat. «Der Westen» sei «ein Stück kleiner geworden», womit er Trump aus dem «Westen» ausklammerte, um danach gleich für ein verstärktes militärisches Selbstbewusstsein von Deutschland in der EU zu werben (zit. nach Seibt 2017). Zu lange, so die allgemeine Klage der mit Außenpolitik befassten Eliten in Deutschland, sei man ein «Sicherheitskonsument» gewesen, jetzt komme es darauf an, endlich zu einem «Sicherheitsproduzenten» zu werden. Diesem Bekenntnis folgten bereits Taten. Inzwischen haben Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten ihre Rüstungshaushalte massiv aufgestockt, nachdem man Jahre lang zwar den Umbau der nationalen Streitkräfte zu Out-of-Area-Armeen forciert, aber die Militärausgaben nicht gesteigert hatte (vgl. Andres u. a. 2016). Zugleich trieben die EU-Staaten den Aufbau einer eigenen EU-Armee in «Ständiger Strukturierter Zusammenarbeit» (PESCO) voran und etablierten mit dem neuen Europäischen Verteidigungsfonds einen Mechanismus für die eigentlich verfassungswidrige europäische Rüstungsförderung (Wagner/ Haydt 2018). Das neue Selbstbewusstsein und die globalen Ambitionen Deutschlands kamen bereits im Strategiepapier «Neue Macht – neue Verantwortung» von 2013/14 zum Ausdruck, damals noch im Bündnis mit den USA , denn der Mitherausgeber war der German Marshall Fund of the United States (vgl. Stiftung Wis- senschaft und Politik/German Marshall Fund of the United States 2013 sowie kritisch dazu Enkelmann/Solty 2017). Wenige Jahre später, etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2019 – einst ausschließlich ein Treffen von Rüstungslobbyisten mit der Bundesregierung, heute die wichtigste stichwortgebende Konferenz deutscher Außenpolitik –, war schon von einer «strategischen Autonomie Europas» gegenüber den USA die Rede (Lippert u. a. 2019). Kurzum: Diese Entwicklung deutet auf tiefe Zerwürfnisse im transatlantischen Verhältnis hin und auf eine Zunahme von Rivalitäten. Doch ist es richtig, wie viele der Kritiker*innen Trumps behaupten, dass die ökonomische, politische, finanzielle und militärische Ordnung, die die USA als führende Macht nach Ende des Zweiten Weltkrieges schufen und nach 1989/91 auf den gesamten Erdball übertragen wollten, gerade zerstört wird? Die Zeit ist reif, diese These zu überprüfen und die Politik der USA und die zunehmenden Konflikte in den internationalen Beziehungen einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. 2 DIE ORGANISCHE KRISE DES KAPITALISMUS UND DER AUFSTIEG DES RECHTSAUTORITÄREN NATIONALISMUS ODER: DIE GESELLSCHAFTLICHEN WURZELN DES «RECHTSPOPULISMUS» Die Analyse der US-Politik unter Trump und ihrer Auswirkungen auf die bestehende Weltordnung und die Globalisierung muss weit vor Donald Trump beginnen. Sie muss nicht zuletzt auf die Frage eingehen, wie man seine Wahl zum USPräsidenten eigentlich bewertet. Trumps Wahl ist zunächst kein Zeichen für US-amerikanischen Exzeptionalismus. Sie ist das Ergebnis einer Krise des Politischen in den kapitalistischen Kernstaaten, ja, eigentlich einer globalen Krise des Politischen, die global rechtsautoritäre Kräfte aus durchaus vergleichbaren Gründen an die Macht gebracht hat. Zu nennen wären hier neben den USA die Länder Indien (Modi), Philippinen (Duterte), Türkei (Erdoğan), Ungarn (Orbán), Polen (Kaczyński), Österreich (die ÖVPFPÖ-Regierung von Sebastian Kurz), Großbritannien (Johnson), Italien (Koalition aus Lega und Fünf-Sterne-Bewe- gung) sowie Brasilien (Bolsonaro) (vgl. Beck/Stützle 2018). Die Mischung aus Produktivkraftrevolution und neoliberalem Gesellschaftsumbau hat zu einer großen innergesellschaftlichen Verunsicherung geführt, die politische Folgen hat. Die Produktivkraftrevolution, die mit dem Begriff Digitalisierung verbunden ist, bedeutet, dass für immer mehr Menschen die Berufsbiografien nicht mehr vorgezeichnet sind. Konnte man im fordistischen Kapitalismus noch davon ausgehen, dass die Qualifikation der eigenen Arbeitskraft, die als Ware auf einem Arbeitsmarkt gegen Lohn verkauft wird, bis zum Lebensende ausreicht, stellt die digitale Revolution – die wohl größte Produktivkraftrevolution seit der Erfindung der Dampfkraft – alte Gewissheiten und Sicherheiten grundlegend infrage. Die Industrie 4.0, das «Internet der Dinge», Künstliche Intelligenz 9 10 und die Robotisierung (Roboter, die Roboter herstellen und damit sogar die Produzenten von Robotern überflüssig zu machen drohen) gefährden zukünftig nicht mehr nur Arbeitsplätze in der Industrieproduktion, sondern bedrohen auch die von Ärzt*innen, Anwält*innen, Über­ setzer*innen etc. Zugleich bedroht der Plattformkapitalismus mit seinen natürlichen Monopolen im Handel (Amazon), in der sozialen Medienkommunikation (Face­b ook) oder in den Internetsuchmaschinen (Google) alles: vom Einzelhandel bis hin zu den Printmedien. Das Grundprinzip kapitalistischer Ordnungen bzw. ihrer ideologischen Erscheinungsformen – wer arbeiten will, findet Arbeit, und wer sich bildet und hart arbeitet, mag gesellschaftlich aufsteigen – wird vor den Augen der Lohnabhängigen dieser Welt auf den Kopf gestellt. Selbst in einer reichen und führenden Industrienation wie Deutschland sind soziale Deklassierung und der Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe inzwischen ein Massenphänomen. Auch ein hochdotierter Facharbeiter in der wertschöpfenden (Export-)Industrie muss bei Entlassung binnen zwölf Monaten (oder 18 Monaten bei älteren Beschäftigten) mit Verlust des eigenen materiellen Wohlstands und des gesellschaftlichen Status rechnen. Gerade hat er noch einen hohen, aber bezahlbaren Kredit für ein Haus im Speckgürtel von Stuttgart, München oder Frankfurt am Main aufgenommen und eine Familie gegründet, sorgen plötzlich kurzfristige Kapitalverlagerungen oder Automatisierung dafür, dass er ganz unten landen kann und sich auf einmal keine Fahrt mehr mit dem ICE, keinen Kinobesuch, geschweige denn eine Schnorchelreise nach Bali leisten kann. Die globale Finanzkrise von 2007 ff. hat diese Verunsicherung und die reale Deklassierung bzw. die Angst vor derselben massiv verstärkt. Mit der Eurokrise, auf deren Höhepunkt in Spanien und Griechenland über 50 Prozent der Jugend erwerbslos war, ist insbesondere in den peripheren Ländern eine ganze Genera­ tion mit der Aussicht aufgewachsen, sich dauerhaft in prekären Verhältnissen einrichten zu müssen. Zugleich hat die Klimakrise ein Ausmaß angenommen, das – ganz ohne Schwarzmalerei – das Ende der menschlichen Zivilisation durchaus als realistische Zukunftsperspektive erscheinen lässt. Das Zivilisationskrisenszenario beinhaltet – darin sind sich das Gros der Klima­wis­ sen­schaft­ler*innen und der Weltklimarat (International Panel on ­Climate Change) einig –, dass eine Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts von der Menschheit noch kontrolliert werden kann. Die Klimakosten infolge eines ansteigenden Meeresspiegels, anhaltenden Dürreperioden, Unbewohnbarkeit von äquatornahen Erdregionen, Klimafluchtbewegungen und Artensterben wären immens hoch, aber die Erderwärmung (und ihre gesellschaftlichen Folgen) könnten eingedämmt werden. Von einem Temperaturanstieg um 2,0 Grad Celsius werden jedoch schon für die Mitte des 21. Jahrhunderts unkontrollierbare Kettenreaktionen erwartet, die das Überleben der Menschheit insgesamt infrage stellen. Denn mit ihnen verbunden sind die Aussicht auf das Auftauen der Permafrostböden der Nordhalbkugel und das Entweichen von dort gespeicherten Methan- und anderen Klimagasen in einem Ausmaß, die eine unkontrollierbare Kettenreaktion auslösen würde: for- cierte Erd­erwärmung, Abschmelzen der bislang noch Sonnenstrahlen ins Weltall reflektierenden Polkappen, eine weitaus dramatischere Aufheizung der Weltmeere, völlig außer Kontrolle geratenes Artensterben mit entsprechenden Disruptionen von Nahrungsketten und Hungersnöten – von den gesellschaftlichen Folgen wie Klimakriegen ganz zu schweigen. Diese realen Entwicklungsaussichten sind mit jedem Rekordsommer tiefer ins Bewusstsein der Bevölkerungen eingedrungen und wirken als latente Angst fort – Ängste, die auch in der gesellschaftlichen Renaissance von Dystopien und Post-Apokalypse-Filmen, Serien und Erzählungen zum Ausdruck kommen. Kurzum: Diese gesellschaftlichen Verunsicherungen haben zu einer tiefen Krise des Politischen und der Demokratie geführt. In den Staaten mit einem Proporzwahlrecht erodiert die Zustimmung zu den traditionellen «Volksparteien». Aus Dreiparteiensystemen werden hier Fünf-, Sechs- oder Siebenparteiensysteme mit heftigsten Fluktuationen, kleine Großoder sogar Dreiparteienkoalitionen werden die Norm (vgl. Solty/Gill 2013). Gegen die Parteien der Mitte, die für eine Aufrechterhaltung des vorherrschenden Systems der Globalisierung und seine notfalls auch militärische transnationale Absicherung stehen und auch mit diesem identifiziert werden, entstehen am Rand «populistische» Parteien von rechts, aber auch von links, die dem «Establishment» vorwerfen, ununterscheidbar und unglaubwürdig geworden zu sein. Das neoliberal-imperiale Zentrum zerfällt und rechts reckt ein rechtsautoritärer, auf Exklusion setzender Nationalismus sein Haupt, während man die neuen, an egalitären Vorstellungen orientierten Linksformationen (vgl. näher Sol- ty 2012a) durchaus als neosozialistisch im Sinne eines Ringens klassenkonfliktorientierter linker Kräfte um die Ausgestaltung einer postneoliberalen Gesellschaft bezeichnen könnte (Dörre/Schickert 2018; Solty 2020a). Ein Ergebnis dieser gigantischen Umwälzungen und Prekarisierung an der gesellschaftlichen Basis ist mithin eine Repräsentationskrise und «populistische Situation», die zu einer Ausdifferenzierung des politischen Systems mit den oben skizzierten Polen führt. In Systemen mit Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien, den USA oder in Kanada vollzieht sich dieser Prozess eher versteckt. Hier erodiert nicht das Zweioder Dreiparteiensystem selbst. Teilweise legen die etablierten Parteien sogar anteilsmäßig zu. Doch sie erodieren innerlich, auch in ihnen setzen sich immer mehr sogenannte populistische Kräfte durch. Ja, mehr noch: Gerade hier zeigen sich die Kräfte der Rebellion von links – wie Jeremy Corbyn in der britischen Labour-Partei oder Bernie Sanders bei den US-Demokraten – und der Rebellion von rechts – Donald Trump bei den US-Republikanern – erfolgreich darin, die Macht gegen den Willen der alten Parteieliten zu übernehmen (Solty 2016a). Die Mittelinks-Parteien in den Ländern mit Mehrheitswahlrecht offenbaren damit die innerliche Erschlaffung und Erosion dieser Parteiapparate. Die Rechte hat es – das belegen nicht zuletzt die Ergebnisse der Wahlen in Europa in den Jahren 2017 bis 2019 – am besten verstanden, die «populistische Situation» zu ihren Gunsten zu nutzen (Hildebrandt 2019). Ihr Aufstieg wiederum kann nicht überraschen, ist dieser doch typisch für alle großen Krisen und Umbruchsituationen des Kapitalismus: 11 12 der Großen Depression (1873–1896), der Weltwirtschaftskrise (1929–1939) und der Fordismuskrise (1967–1979). Beispiele hierfür sind in Deutschland der Alldeutsche Verband und Deutsche Flottenverein in der ersten Großkrise, die Nazis in den 1930er, die NPD in den späten 1960er sowie die Marktradikalen und neuen Rechten in den 1970er Jahren (vgl. ausführlich Gill/Solty 2013). Der Grund hierfür scheint auf der Hand zu liegen: Krisen sind immer auch Verteilungskonflikte. Die Rechte hat aber historisch immer die Rolle übernommen, Gleich- heitsforderungen von unten abzuwehren und die Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen zu behaupten, das heißt, Menschen rhetorisch und real von Teilhabe auszuschließen. Das macht ihren Aufstieg in den Krisen des Kapitalismus so plausibel: Es reicht nicht mehr für alle, die hungrigen Mäuler von Hartz IV, aus Griechenland und aus Syrien sollen bleiben, wo sie sind, und gegen ihre Ansprüche soll so rücksichtslos und illiberal wie möglich vorgegangen werden (können) (vgl. hierzu ausführlich Solty 2013a u. 2015a). 3 DIE DYSFUNKTIONALITÄT DES RECHTSAUTO­ RITÄREN NATIONALISMUS FÜR DEN BLOCK AN DER MACHT UND SEINE EINHEGUNG Der Unterschied zwischen der radikalen Rechten in den 1930er Jahren und heute ist indes, dass die deutschen und die italienischen Faschisten durchaus funk­ tio­nal waren für die Interessen der dominanten Kapitalfraktionen in ihren jeweiligen Ländern. Die Nazis versprachen kaum mehr als die Durchsetzung der Forderungen von Wilhelm II.: Vernichtung der inneren Opposition, das heißt der Arbeiterbewegung (sprich KPD-, SPD- und Gewerkschaftsverbot), Abwicklung der Demokratie (Ermächtigungsgesetz) und dann Krieg nach außen zur Herausforderung der angloamerikanischen Hegemonie und ihrer Kolonialansprüche, da auch das verspätet kapitalistisch entwickelte Deutschland auf seinen «Platz an der Sonne» pochte (vgl. Deppe u. a. 2011). Im Gegensatz hierzu sind heute die rechtsautoritären Nationalisten zunächst einmal dysfunktional aus der Perspektive der dominanten gesellschaftlichen Grup- pe, das heißt der transnational orientierten Kapitalfraktionen. Denn solange etwa die AfD sich gegen die Europäische Union, die Währungsunion (Euro) oder gegen die NATO stellt, kann sie weder für die Deutsche Bank und Commerzbank noch für Daimler, BMW, Siemens oder Bosch ein Bündnispartner sein. Eine Abschaffung des Euro und eine Rückkehr zur D-Mark beispielsweise würden diese in einer Weise aufwerten, dass Deutschlands transnationalisierte Konzerne und der deutsche Staat sich Expansion und Exportweltmeisterei abschminken könnten, weil der künstlich unterbewertete Euro für die transnational-imperiale Fraktion im Block an der Macht ihr Sprungbrett in die Welt ist. Entgegen der in der alten kommunistischen Arbeiterbewegung populären Faschismusdefini­tion von Georgi Dimitroff ist die äußerste Rechte heute also nicht Ausdruck der aggressivsten und expansivsten Teile des Finanzkapitals, sondern eine Friktion der neoliberalen Weltordnung und des globalen Kapitalismus. Aus diesem Grund muss auch – mit dem britischen Faschismustheoretiker Roger Griffin – zwischen rechtsradikalen oder faschistischen Bewegungen, die verschiedene Radikalisierungsstufen erleben (Griffin 1995), auf der einen Seite und dem Faschismus als «Form bürgerlicher Herrschaft» (Kühnl 1971), als Staatsform des Ausnahmestaats, auf der anderen Seite unterschieden werden (Poulantzas 1974). Der Aufstieg des rechtsautoritären Na­ tio­nalismus weltweit bedeutet jedenfalls, dass Trumps Wahlsieg kein Ausdruck eines US-amerikanischem Sonderwegs ist. Der Umstand, dass radikale rechte Kräfte überall auf der Welt – von den Philippinen über Indien, Ungarn und Polen bis zur Türkei und Brasilien – Wahlen gewinnen und die Regierungsmacht übernehmen konnten, legt nahe, von einem neuen «globalen Autoritarismus» als einem zeitgeschichtlichen Phänomen zu sprechen (Schaffar 2019). Die äußerste Rechte und der Rechtspopulismus sind also nicht nur ein deutliches Frik­tions­ phänomen im neoliberalen Finanzmarktkapitalismus. Seit der globalen Finanzkrise hat sich die Rechte als stark genug erwiesen, um an vielen Orten der Welt an die Schalthebel der Macht zu gelangen, und damit die Schwäche der Parteien der neoliberalen «Mitte» offenbart. Der Wahlsieg von Trump bildet hier keine Ausnahme. In der jüngeren Geschichte der USA ist er in doppelter Hinsicht ein Novum gewesen. Zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten ist es der radikalen Rechten gelungen, während der republikanischen Vorwahlen ihren Präsidentschaftskandidaten gegen den erklärten Willen des Parteiestablishments durch- zusetzen (vgl. Solty 2018a). Bis dahin hatte es immer nur erfolglose «Graswurzelrevolten» gegeben. Auch 2012 hatte an der Basis der Republikaner eine Stimmung vorgeherrscht, die mit «alles, bloß nicht Mitt Romney» umschrieben werden kann. Am Ende wurde dieser dann doch zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten gekürt. Das zweite Novum besteht darin, dass Trump seine demokratische Kontrahentin Hillary Clinton schlagen konnte, obwohl etliche Politikwissenschaftler dies für unmöglich gehalten hatten. Er widerlegte damit das sogenannte Duverger-Gesetz, dem zufolge radikale Kandidat*innen vom linken oder rechten Flügel zwar ihre Parteibasen enthusiasmieren können, dann aber zwangsläufig ihren Gegner*innen unterliegen müssten, weil die Wahlen durch die Moderaten in der «Mitte» entschieden würden (vgl. Solty 2016a). Die Frage, die sich hernach viele stellten, ist also, warum Trump gewinnen konnte, obwohl sich das Gros der ökonomischen, medialen und politischen Eliten explizit gegen seine Wahl ausgesprochen hatte, darunter mehr als 50 republikanische Außenpolitiker, die ihn in einem offenen Berief als «ein Risiko für die natio­ nale Sicherheit» der Vereinigten Staaten bezeichnet haben (Sanger/Haberman 2016). Zunächst ist jedoch zu fragen, warum die ökonomischen, medialen und politischen Eliten Trump so bekämpften, wie sie es taten, obwohl er doch – als Immobilien- und Casino-Milliardär von der Ostküste – Fleisch vom Fleisch dieser herrschenden Eliten ist. Manche würden nun zweifellos vermuten, dass dies mit seinem Radau-Sexismus und -Rassismus zu tun hat, der in diesen Kreisen als plebejisch und ungehobelt gilt. Dies mag im Einzelfall auch stimmen. Entschei- 13 14 dender war aber wohl, dass Trump in seinem vom rechtsradikalen Steve Bannon orchestrierten Wahlkampf zwei zentrale Prinzipien der transnational-imperialen Fraktion im US-Block an der Macht infrage gestellt hatte: den Freihandelskapitalismus und das Imperium, das diesen, notfalls militärisch, weltweit durchsetzt und aufrechterhält. Dies war ein absolutes No-Go. So oder so: In den USA scheint der Vertrauensverlust der Bevölkerung in die traditionellen Eliten ein solches Ausmaß angenommen zu haben, dass die Angriffe gegen Trump aus diesen Kreisen dem Kandidaten am Ende wohl eher nutzten als schadeten. Und tatsächlich war nach Umfragen zum Zeitpunkt der Wahl die Zufriedenheit der Bevölkerung mit allen Institutionen der US-Demokratie auf einem historischen Tiefpunkt angelangt, es äußerte sich massenhaft Enttäuschung und Wut auf «das Establishment» (vgl. Solty 2016b). Es ist hier nicht der Ort, auf die US-spezifischen Ursachen dieser Wut einzugehen. Dies wurde an anderen Stellen bereits getan (Solty 2014b u. 2016d). Das Gleiche gilt für die Tatsache, dass Klassiker der linken Autoritarismustheorie – Marx, Gramsci und August Thalheimer – falsch lagen, als sie behaupteten, die Rechte komme an die Macht, wenn das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit sich im Gleichgewicht befinde. Im Gegenteil lag Nicos Poulantzas richtig, als er die These aufstellte, die Rechte komme an die Macht, wenn die Krisensituation so arg ist, wie eingangs beschrieben, und die Linke zu schwach ist, in einer solchen Situation realistisch die Machtfrage zu stellen und die Macht auch zu übernehmen und glaubwürdig materielle Verbesserungen für die arbei- tende Bevölkerungsmehrheit herbeizuführen (Poulantzas 1974: 75). Von Bedeutung für die Argumentation dieses Beitrags ist jedoch vielmehr die Tatsache, dass die rechtsautoritären Nationalisten heute in der Lage sind, die politische Macht zu übernehmen. Wir können also beobachten und analysieren, was die Rechte macht, wenn sie Macht hat. Wenden wir uns im Folgenden deswegen der Realpolitik der Trump-Administration zu und fragen nach ihren Auswirkungen auf die Strukturen des globalen Kapitalismus und der bisherigen Weltordnung. Im Wahlkampf hatte Trump nach außen ein Ende der überseeischen Kriege der USA versprochen und nach innen eine Neuverhandlung von Freihandelsverträgen, die in der US-Bevölkerung, insbesondere in den bevölkerungsreichen Mittweststaaten, wo er die Wahlen letztlich gewann, besonders unpopulär sind. Tatsächlich hat Trump aber nach der Wahl eine 180-Grad-Wende vollzogen. Diese lässt sich anhand von zwei Beispielen nachzeichnen: zum einen anhand der Kabinettsbildung nach seinem Wahlsieg im November 2016 und zum anderen anhand seiner realen (Außenwirtschafts-) Politik seither. Am Vorabend der Wahl hatte Trump den Wahltag als «amerikanischen Unabhängigkeitstag» bezeichnet, an dem «die Arbeiterklasse Rache nehmen» würde. Die Kabinettsbildung offenbarte sehr rasch das Gegenteil, weil Trump seine Minister direkt aus drei gesellschaftlichen Interessengruppen und Kapitalfraktionen rekrutierte: (1.) dem Wall-Street-Finanzkapital (Wirtschaftsund Finanzminister stammten beide von Goldman-Sachs bzw. einem Hedgefonds), (2.) dem fossilen Energiekapital (ExxonMobil und pikanterweise aus dem Aufsichtsrat von jenem Pipeline-Kon- zern, der für den Bau der Dakota-AccessPipeline verantwortlich ist, den Trump mit brutalster Polizeigewalt gegen Indigene und Umweltschützer durchsetzte), und (3.) dem alten Politik-Establishment der Republikaner mit seinen engen Verbindungen zur US-Rüstungsindustrie. Trumps Realpolitik – sein Außenhandelsbilateralismus und Transaktionalismus – wiederum erscheint oberflächlich betrachtet als protektionistisch. Tatsächlich aber hat die offizielle Handelsagenda von Trump von Anfang an gezeigt, dass es nicht um Abschottung geht, sondern im Gegenteil um eine vertiefte Globalisierung mit verbessertem Marktzugang für die USA, verbesserten Eigentumsgarantien (insbesondere geistige Eigentumsrechte) und mehr Exportmöglichkeiten für die USA. Der Protektionismus ist entsprechend für die USA unter Trump nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu diesem Zweck der bilateralen Verbesserung der US-Expansion. Dafür bringt die TrumpRegierung den riesigen US-Binnenmarkt als Machthebel in Stellung, um insbesondere die extrem exportabhängigen Länder – namentlich vor allem China und Deutschland – unter Druck zu setzen. Mit diesem Machthebel «consumer of last resort» gelingt es den USA unter Trump recht gut, ihre Interessen zu verfolgen, während sich die blumigen und luftigen Lobpreisungen des Multilateralismus von Merkel und Xi sich als kaum verhohlene Interessenspolitik und ideologische Abwehrstrategien entpuppen (vgl. hierzu ausführlich Solty 2018b). 4 CHINAS AUFSTIEG: DIE HISTORISCH GROSSE HERAUSFORDERUNG FÜR DAS AMERICAN EMPIRE Die Trump-Administration steht im Übrigen in ihrer außen(wirtschafts)politischen Orientierung durchaus in einer Kontinuität zur Regierung Obamas. Nachdem der Wall-Street-Flügel um Finanzminister Timothy Geithner und Wirtschaftsminister Larry Summers gegen die Vertreter*innen eines Green New Deal (rund um die Chefin des Council of Economic Advisers, Christina Romer) die Oberhand gewonnen hatte, war die Obama-Administration im Frühjahr/Sommer 2010 parallel zum ersten Memorandum of Understanding der Troika (EZB, IWF und EU-Kommission) mit Griechenland auf einen austeritätspolitischen Kurs eingeschwenkt. Ende 2011 war von einem «Schwenk nach Asien» (Greenberg 2016) die Rede und Obamas Außenministerin erklärte zeitgleich in Foreign Policy, dem wichtigsten Publikationsorgan der globalen Außenpolitikeliten, das 21. Jahrhundert zu «Amerikas pazifischem Jahrhundert» (Clinton 2011). Diesen Ankündigungen ließ die Obama-Administration anschließend Taten folgen. Sie erhöhte den Druck auf China, sich der US-dominierten Weltwirtschaftsordnung zu beugen. Konkret hieß das: Nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO), der Anerkennung der Gleichbehandlungsklausel für inländisches und ausländisches Kapital und der Zulassung von ausländischen Kapitaldirektinvestitionen sollten nun die letzten Bastionen des «Sozialismus mit chinesischer Prägung» fallen: Erstens sollte Grund und Boden, der sich immer noch 15 16 im Gemeinbesitz befindet, endlich privatisiert werden, denn bis dato war Immobilienbesitz zum Zweck der Vermietung noch verboten. Dorfgemeinschaften verpachten ihr Agrarland üblicherweise nur dann an ausländische wie inländische Konzerne, wenn sie sich als Gemeinschaft hierdurch eine höhere Grundrente versprechen als durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Vor dem 18. Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas titelte der Economist (2.11.2013) darum auch «Xi Yinping: Go on, bet the farm!». Zweitens sollte der Öffnung für ausländische Direktinvestitionen nun auch eine Öffnung des chinesischen Finanzsektors für westliche Banken folgen, denn China hat sich die Kontrolle über die eigene Währung und die Zinssätze erhalten und auch in der Hochphase der Annäherung an den Neoliberalismus während der 1990er Jahre eine Trennung von marktwirtschaftlichen Prinzipien und Privateigentum behauptet (Weber 2020). Außerdem ist den USA und dem Westen drittens der hohe Staatsinterventionismus ein Dorn im Auge, der nach der austeritätspolitischen Wende und dem Übergang zu Strategien der inneren (und äußeren) Abwertung aus der Perspektive des Westens und seiner transnationalisierten Konzerne einen klaren Wettbewerbsvorteil darstellt. Er ermöglichte es China auch, die Solaranlageproduzenten in Brandenburg und anderswo in die Knie zu zwingen. Trump sprach schon im Wahlkampf permanent von China und seinen unfairen Handelspraxen und meinte damit den chinesischen Staatsinterventionismus. Nach seinem Amtsantritt vollzog er eine Inversion der Nixon’schen Politik von 1971: Aus der Erkenntnis heraus, es mit geringer werdenden Ressourcen nicht mit der Sowjetunion und China gleichzeitig aufnehmen zu können, und aufgrund der Befürchtung, diese noch stärker zur Kooperation miteinander zu treiben, hatte Nixon damals das Bündnis mit China gesucht, um die Sowjetunion niederringen zu können. Ronald Reagan setzte diese Politik mit dem zweiten Kalten Krieg und der Totrüstung der Sowjet­un­ ion bis 1991 fort. In umgekehrter Richtung hat nun Trump den Konflikt mit Russland eingefroren bzw. an die europäischen ­NATO-Staaten delegiert, um sich so stärker auf den Hauptfeind China konzentrieren zu können. Die Drohung, sollten die anderen NATO-Staaten nicht das Ziel erfüllen, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) in die Aufrüstung zu stecken, würden die USA unter Trump notfalls Artikel 5 des NATO-Vertrags missachten (Gray 2017), der im Falle eines Angriffes von Russland oder einem anderen Staat auf ein NATO-Mitglied den kollektiven Verteidigungsfall nach sich zieht, ist in diesem Kontext zu sehen. Hier geht es erstens darum, die Europäer*innen dazu zu bekommen, sich nun vermehrt um ihre eigene «Sicherheit» zu kümmern und von Sicherheitskonsumenten unter dem «Schutzschild» der USA zu Sicherheitsproduzenten zu werden. Zweitens steckt hinter dieser Drohung und Forderung der USA der Wunsch, die europäischen NATO-Staaten mögen den USA den Rücken für ihren Kampf mit China freihalten, denn dieser erfordert den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Ressourcen einer weltgeschichtlich schwächer werdenden Hegemonialmacht. Die Neuaufteilung der Kosten der NATO, die im November 2019 getroffene Entscheidung, dass Deutschland zukünftig genauso viel zum NATO-Haushalt beitragen wird wie die USA, um diese zu entlasten, ist vor diesem Hintergrund zu betrachten (Hasselbach 2019). Ob dies gelingt, ist eine andere Frage: Russlands Präsident Putin erklärte schon 2014 infolge der Eskalation des UkraineKonflikts Russlands «Wende gen Osten». Auch dem folgten Taten. Selbst wenn die EU mit einem Gesamtumsatz von 300 Milliarden US-Dollar weiterhin der Handelspartner Nummer eins von Russland ist, überstieg der russisch-chinesische Handel schon 2018 die 100-Milliarden-US-Dollar-Grenze, 38 Prozent davon entfällt auf den Energiehandel (Ballin/ Brüggmann 2019). Indes verschwindet aufgrund des Konflikts mit den europäischen NATO-Staaten auch innerhalb Russlands die Auffassung, Russland sei ein europäisches Land. Russlands Abhängigkeit von und seine Zusammenarbeit mit China verstärken zwangsläufig auch den Konflikt mit den USA: Denn die Versuche der USA, gleichzeitig den europäischen Markt mit US-Fracking und USGas («Molecules of U.S. Freedom») zu fluten sowie den Import von russischem Flüssiggas nach Europa und den Ausbau der Nord-Stream-2-Pipeline zu unterbinden, halten auch gegenüber Russland die Aggressionen durchaus noch hoch. Zumal auch Donald Trump die Sanktionspolitik gegen Russland beibehalten und NATO-Manöver wie «Trident Juncture» maßgeblich mitgetragen hat. Russland, Rohstoffexporteur für Chinas industrielle Entwicklung mit hohen Investitionen chinesischer Staatsenergiekonzerne in russische Flüssiggasproduktion, sucht angesichts der starken Konfrontation seitens der NATO die stärkere Annäherung an China. Anfang Juni 2019 kam es beim Besuch von Xi Jinping in Sankt Petersburg zur Vereinbarung einer neu- en «globalen Partnerschaft und strategischen Zusammenarbeit» zwischen China und Russland (Ackeret 2019). Auf dem Treffen vereinbarte man auch, das Mobilfunknetz vom chinesischen Konzern Huawai, gegen den Trump seinen Krieg führt, um China in der Hierarchie der internationalen Arbeitsteilung weiter in einer untergeordneten Stellung zu halten, weiter auszubauen (Brüggmann 2019). Zuvor hatte der russische Präsident Putin die Befürchtung geäußert, der Handelskrieg der USA könne sich zu einem realen Krieg ausweiten. Und auch im UNSicherheitsrat agieren China und Russland zunehmend im Gleichschritt, etwa bei der Verurteilung der Putschpolitik der USA gegen eine demokratisch gewählte Linksregierung in Venezuela. Die Herausforderung, China in eine USdominierte Weltwirtschaftsordnung ein­zupassen, ist in der Tat eine gigantische. Es gibt auch keinerlei historisches Vorbild, mit dem sich der Ausgang dieser Auseinandersetzung antizipieren ließe. Die Aufgabe besteht schließlich darin, China in einer Weise in das American Empire und seinen globalen Kapitalismus einzubinden, wie das nach 1945 mit Westdeutschland, Japan und Südkorea geschah (vgl. Panitch/Gindin 2012 sowie ferner Deppe u. a. 2011). Die Unterschiede zu damals sind indes gewaltig: 1945 befanden sich die USA auf dem Höhepunkt ihrer wirtschaftlichen, finanziellen, politischen, militärischen und kulturellideologischen Macht. Sie waren weitgehend ungeschoren aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen, während die Sowjetunion von Nazideutschland und seinem Vernichtungskrieg im Osten weitestgehend zerstört worden war und Großbritannien und Frankreich zwar formell zu den Siegern des Zweiten Welt- 17 18 kriegs gehörten, aber faktisch im Krieg ausgeblutet und bei den USA hochverschuldet waren. Militärisch hatten die USA als die einzige wirkliche Siegermacht die Herausforderung der angloamerikanischen Hegemonie durch nachholend entwickelte neue Mächte – Deutschland, Italien, Japan – erfolgreich unterworfen und abgewendet, und es gelang ihnen politisch und teilweise militärisch, die starken sozialistischen Nachkriegsbestrebungen von Europa bis zur koreanischen Halbinsel zu unterbinden. Die USA hielten fortan den westlichen Teil Europas militärisch besetzt und schufen ein internationales Netz aus heute knapp 1.000 Militärbasen. Ihre ökonomische Vorherrschaft drückte sich darin aus, dass die USA 1947 mit dem General Agreement on Tarifs and Trade (GATT) – Vorläufer der WTO – die politischen Grundlagen für eine Weltkapitalismusverfassung in spe schufen, die ihre eigene Expansion und die Internationalisierung des Kapitals in Gestalt von zumeist von den USA aus agierenden, multinationalen Konzernen ermöglichte. Das neue transnationale Kapital begann nun, nationale Bourgeoisien als dominante Kapitalfraktion zu ersetzen, und die notfalls militärische Aufrechterhaltung des Empire des Kapitals wurde in den USA zur Staatsräson beider Parteien, Republikaner und Demokraten. Zu diesem Zeitpunkt unmittelbar nach dem Krieg kommandierten die USA 50 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes, was sie auch in die Lage versetzte, wohlwollend-hegemonial zu sein und mit dem Marshall-Plan die Restauration des Kapitalismus in Westeuropa und im militärisch besiegten, fernen Osten voranzutreiben, mit einseitig vorteilhaften Handelsbedingungen für Westdeutschland, Japan und Südkorea. Dieses Vorgehen trug in kurzer Zeit und über einen längeren Zeitraum hinweg entscheidend zur Schwächung der bis dahin starken antikapitalistischen Tendenzen in diesen krisengeschüttelten und kriegsgeschädigten Gesellschaften bei. Die USA setzten auch ihre finanzpolitischen Vorstellungen durch. Sie schufen 1944 mit dem Bretton-Woods-System und später dem IWF, der Weltbank sowie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Finanzarchitektur der Nachkriegszeit. Der US-Dollar, bis 1971 goldgebunden, wurde zur Weltwährung, mit dem der globale Handel vonstattenging, was den USA entsprechende Geldschöpfungsgewinne einbrachte. Die Wall Street wurde zum sichersten Anlagehafen für globale Kapitalinvestoren. Selbst nachdem die USA 1971 die Dollar-Goldbindung aufgrund der nachholenden Entwicklung Japans und Deutschlands und der Entstehung von Eurodollarmärkten hatten aufgeben müssen und 1973 zu einem System frei floatender Währungen übergegangen waren, erfüllte die US-Notenbank trotzdem weiterhin die Rolle als «Lender of Last Resort». Ideologisch-kulturell schließlich dominierten die USA die Welt mit den drei H: Harvard, Hollywood und – alsbald – Hippiebands, das heißt mit der kulturellen Anziehungskraft ausgerechnet der widerständigen Popkultur im eigenen Land. Eine Welt mit «Nabe-Speiche-Beziehungen» (Peter Gowan) bildete sich heraus, in der nach 1990 fast alle Länder der Welt mehr Kenntnisse über die USA besaßen als über ihre Nachbarländer und ihre Beziehungen zu diesen vielfach über den Umweg der USA vermittelt waren. Mit ihren erfolgreichen Unterhaltungskon- zernen, dem an Eliteuniversitäten produzierten Wissen und der US-amerikanischen Lebensweise vermochten die USA, sich neue Territorien zu erschließen und die ehemaligen Feindstaaten auch kulturell und ideologisch in die «Grand Area» des Westens (Shoup/Minter 1977) einzubinden. Die Bedingungen für eine Einbindung Chinas und den Erhalt der US-Vormachtstellung sind heute völlig andere. Die USA befinden sich in einem relativen hegemonialen Niedergang und China ist die aufsteigende Macht. Insbesondere in ökonomischer Hinsicht haben die USA stark verloren. Der US-Anteil am globalen BIP war schon in den 1970er Jahren auf 23 Prozent gesunken, was ein Grund für die Krise des Fordismus (1967–1979) war. Auf diese und die damaligen Spannungen entlang der Nord-Süd- und West-Ost-Achse reagierte man mit dem «Klassenprojekt Globalisierung» (Harvey 2007). Heute liegt der US-Anteil am WeltBIP bei nur noch 15,2 Prozent (2018) und Zukunftsanalysen von IWF und PowerhouseCooper zufolge soll er bis 2050 gar auf 12 Prozent zurückgehen. Der Mangel an materiellen Ressourcen scheint offenkundig. China hat die USA mittlerweile ökonomisch überholt. Sein Anteil am globalen BIP liegt schon jetzt bei 18,7 Prozent (2018) und soll bis 2050 auf mindestens 20 Prozent steigen. In dieser Hinsicht ist China also heute schon die größte Weltmacht, wenn auch nicht beim Pro-Kopf-Anteil. Der Trend geht zu einer weiteren Auseinanderentwicklung. Noch entscheidender ist: Die beiden Mächte USA und China sind zu harten Rivalen im Hightech-Bereich geworden. China hat sich bei den Zukunftstechnologien aufgrund des intensiven Staatsinterventionismus zu einem ebenbürtigen Konkurrenten entwickelt. Es ist von der verlängerten «Werkbank der Welt» zum realen oder potenziellen Weltmarktführer in der 5. Generation Mobilfunktechnologie, bei der Künstlichen Intelligenz, bei Clouds und Big Data mit allen darauf fußenden Technologiekonzepten wie «Smart City», autonomes Fahren usw. avanciert. Auch im Umweltsektor – bei der Weiterentwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen, Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen usw. – ist China mittlerweile Weltmarktführer und hat zugleich den E-Batterien-Markt «locked in», das heißt, es dominiert ihn letztlich und behauptet seine Vorrangstellung. Einzig und allein in der Mikrochipproduk­tion bleibt China von westlichen, vor allem US-amerikanischen Importen abhängig und die Trump-Administration setzt hier (wie ehedem die Reagan-Administration gegen Japan) auf eine Abkopplung Chinas von den internationalen Lieferketten (vgl. Müller 2019; Schmalz 2018). Auch in finanzieller Hinsicht ist die führende Rolle der USA heute infrage gestellt, und zwar nicht so sehr durch den Euro, sondern durch fortschreitende regionale Integrationsprozesse in Lateinamerika (auch wenn diese zweifellos kriseln) und vor allem in Eurasien. China hat mit Währungswechseln wie der ChiangMai-Initiative mittlerweile seine Abhängigkeit vom durch den US-Dollar dominierten Handel stark reduzieren können. Neben dem Euro hat sich der Renminbi/ Yuan mittlerweile selbst zu einer ernstzunehmenden globalen Währung entwickelt. Aufsehen erregte die Meldung von Ende Januar 2019, dass – nach einer Steigerung des Handelsvolumens um mehr als 17 Prozent in einem halben Jahr – an der Londoner Börse mittlerweile mehr Yuan gehandelt werden als 19 20 US-Dollar/britische Pfund (Szalay 2019). Selbst wenn der Renminbi-Handel infolge des Wirtschaftskriegs zwischen den USA und China zurückging (Lockett/Szalay 2019), wird die wachsende globale Bedeutung des Renminbi/Yuan durch die Tatsache unterstrichen, dass die chinesische Währung seit 2016 nunmehr auch im Warenkorb des IWF eingebunden ist, das heißt als internationale Kreditwährung dieser westlichen Finanzinstitution einkalkuliert wird (Kanyegirire 2016). Darüber hinaus hat China mit der Asian Infrastructure Investment Bank, die die Beteiligung ausländischer Staaten an der «neuen Seidenstraße» ermöglicht, Alternativen zum IWF und zur Weltbank geschaffen, die mit dem Anspruch auftreten, ohne die üblichen Bedingungen der Letzteren (Privatisierungen, neoliberale Marktöffnungen, Entlassungen im öffentlichen Sektor und Arbeitsmarktliberalisierungen) Kredite an Staaten des globalen Südens zu vergeben. Zweifellos tut China das im nationalen Interesse seines wirtschaftlichen Aufstiegs, und dennoch führen diese Formen der Süd-Süd-Kooperation (BRICS) und der Multipolarisierung zu einer Schwächung der USA. Politisch-militärisch ist China im Gegensatz zum postfaschistischen Westdeutschland, Japan und Südkorea ein souveränes Land. Während die Ausweitung des globalen Kapitalismus seit der Doha-Runde der WTO 2003 stagniert (vgl. Solty 2015b), die nach der DohaKrise sich anschließenden kleineren Lösungen TTIP und TPP scheiterten und die USA unter Obama nur Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Panama aushandeln konnten, schreitet die regionale Integration in Eurasien sowohl politisch als auch wirtschaftlich mit Sie- benmeilenstiefeln voran. China hat diese Entwicklung mit der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit stark vorangetrieben. Ihr gehören mittlerweile acht Staaten (darunter Indien und Russland) als Mitglieder an, vier weitere als Beobachter (u. a. Iran und die Mongolei) und sechs als «Dialogpartner». Die gemeinsamen Militärmanöver mit Russland werden gelegentlich auch schon als «asiatische NATO» wahrgenommen. Darüber hinaus bindet das «Reich der Mitte» mit der One-Belt-One-Road-Initiative nicht nur Asien, sondern auch Afrika und – im Rahmen der alljährlichen «17-plus-1»Treffen – signifikante Teile von Ost- und Südeuropa wirtschaftlich stärker an sich. Im Bereich der Kultur sind die USA nach wie vor führend mit globalem Einfluss, aber auch dieser ist – wie der wachsende Anteil nicht nur von Bollywood-, sondern auch von chinesischen Kulturproduktionen («Kung Fu Panda», C-Pop u. a.) zeigt – längst nicht mehr ungebrochen. Erschwerend kommt für die USA hinzu, dass diejenigen Prozesse, die in der bundesrepublikanischen Linken als «westdeutsche Restauration» (Huster u. a. 1994), «verhinderte Neuordnung» (Schmidt 1971) und «erzwungener Kapitalismus» (Schmidt/Fichter 1978) diskutiert worden sind, nicht nur durch die ökonomische und finanzielle Machtfülle der USA erleichtert wurden, sondern maßgeblich auch durch die Tatsache, dass diese Länder von den USA in Folge des Zweiten Weltkriegs und des Koreakriegs militärisch besiegt und besetzt worden waren und ihre Souveränität verloren hatten. China ist dagegen eine souveräne Wirtschaftsmacht. Man ist stolz auf eine jahrtausendealte Zivilisa­tion, die über lange Zeit den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten bildete, die dann ab dem 18. Jahrhundert und durch den kapitalistischen Kolonialismus und Imperialismus für 200 Jahre in Abhängigkeit gebracht wurde (Frank 1998), jetzt aber dem eigenen Selbstverständnis nach eine «Wiedergeburt» (rejuvenation) erlebt (Jacques 2012). Dieses China verfügt zudem über etwa das Vierfache der US-Bevölkerung, während Südkorea, Deutschland und auch Japan im 20. Jahrhundert diesbezüglich den Vereinigten Staaten eindeutig unterlegen waren. 5 SEEBLOCKADE UND DIE ONE-BELT-ONE-ROADINITIATIVE: DER KRIEG HAT LÄNGST BEGONNEN Vor diesem Hintergrund verfolgen die USA spätestens seit Obama im Verhältnis zu China eine Einbindung-durchEindämmung-Strategie (Solty 2012b). Das Hauptmittel zur Einbindung in den globalen Kapitalismus war bislang nur in Ausnahmefällen eine offene Gewaltpolitik. Selten wurde diese Einbindung militärisch erzielt, wie etwa 1973 beim CIA-gestützten Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Linksregierung von Salvador Allende in Chile. Von Bertolt Brecht wissen wir jedoch über die «Schwierigkeit, Gewalt zu erkennen». Strukturelle Gewalt, insbesondere finanzielle, wirkte in der Regel mit – ein Mechanismus, den man mit Karl Marx «den stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse» nennen könnte. Der VolckerSchock von 1979 beispielsweise, das heißt die quasi über Nacht erfolgte Anhebung des US-Leitzinses durch die Federal Reserve, stürzte die auf Importsubstitution setzenden Länder des globalen Südens in eine Schuldenfalle, die USdominierte Finanzinstitutionen wie den IWF und die Weltbank als Notkreditgeber auf den Plan rief und die Grundlage für das «Projekt Globalisierung» legte (Borg 2001; Wood 2003). Die schuldenimperia­ listisch erzwungenen Marktöffnungen erhöhten die strukturelle Macht des Ka- pitals und seine Mobilität (Gill/Law 1988). Seither kann sich das Kapital transna­tio­ nalisieren und die Nationalstaaten und die Arbeiterklassen der Welt gegeneinander ausspielen und mit der Drohung von Investitionsstreiks und Kapitalverlagerungen permanent staatliche Subventionen und von den Lohnabhängigen und Gewerkschaften Lohnkonzessionen erzwingen (Panitch/Gindin 2013). Dass die kapitalistische Durchdringung des globalen Südens und die Überschwemmung lokaler Märkte durch die hochsubventionierten Agrarkonzerne des Nordens eine hundertmillionenfache Proletarisierung von Klein- und Subsistenzbauern, massive Verteilungskonflikte, eine Destabilisierung von Staaten, Bürgerkriege, Stellvertreterkriege und Massenflucht zur Folge hatten (Foster u. a. 2011; Solty 2016c), ist das Ergebnis einer Politik im alleinigen Interesse der transnationalen Konzerne. Eine solche schuldenimperialistische Politik, wie sie gegen die kleinen Entwicklungsländer und die peripheren Staaten angewandt worden ist, und – siehe das Beispiel der Ukraine 2014 oder Griechenland 2015 – mittlerweile auch in Europa und in der EU zum Einsatz kommt, ist jedoch gegenüber China nicht möglich. China hat die Kontrolle über seine Währung und seine Zinssätze behalten, es hat 21 22 Währungsreserven im Wert von 3,1 Billionen US-Dollar. Hiervon sind trotz der Versuche der chinesischen Regierung, diese zu diversifizieren, immer noch 1,11 Billionen US-Dollar-Reserven (Tan 2019). China ist mithin finanzpolitisch im höchsten Maß souverän. Zweifellos bedeutet das nicht, dass China seine US-Dollar, die aufgrund der quantitativen Lockerungspolitik der USNotenbank einem steten Entwertungsprozess unterliegen, einfach auf den Markt werfen könnte, um die USA zu ruinieren. Eine solche Maßnahme würde China gleichermaßen in den Abgrund reißen (Haug 2012). Aber dieser Umstand zwingt die USA dazu, vor allem politischmilitärische Mittel einzusetzen, um China zur Unterordnung zu zwingen. Die ökonomischen und finanziellen Machthebel erscheinen zunehmend wirkungslos. Die gigantische US-Militärmacht scheint damit die letzte verbliebene Machtressource zu sein. Schon unter Obama haben die USA mit einer militärischen Einkreisung Chinas begonnen. Der «Schwenk nach Asien» bedeutet, dass sie sich existierende regionale Rivalitäten wirtschaftlicher und geopolitischer Art – wie etwa in Bezug auf die Inselgruppen im Südchinesischen Meer, die eine enorme Ausweitung der Seekorridore bedeuten würde – zunutze machen, um sich als scheinbar «neutrale» Ordnungsmacht in der Region zu behaupten und tiefer zu verankern. Zu diesem Zweck haben die USA bilaterale Militärbündnisse verstärkt oder neue ins Leben gerufen, mehr Truppen in Australien stationiert sowie ihre Militärbasen auf Guam und in Japan (Okinawa) aufgerüstet. Dabei greifen sie auf Pläne zurück – «Little NATO against China» (USA, Japan, Australien, Indien) –, die schon Mitte der 2000er Jahre von der Bush-Administration ausgearbeitet wurden (vgl. Solty 2012b). Die militärische Einkreisung Chinas soll dem US-Staat den Machthebel einer möglichen Seeblockade verschaffen. Chinas Entwicklungsmodell basiert auf dem Export von Waren. Chinas immens wachstumsstarke Wirtschaft bedarf für das stabile Funktionieren wiederum des Imports von Unmengen an Rohstoffen, weil China summa summarum ein rohstoffarmes Land ist. 1 Zudem bleibt die Warenexportabhängigkeit. Xi Jinping hat sich zwar für eine Binnenorientierung ausgesprochen und der Exportabhängigkeit den Kampf erklärt, aber eine solche Umstellung ist nicht von heute auf morgen zu erreichen. Die große Abhängigkeit von Warenexporten und Rohstoffimporten macht das chinesische Modell verletzlich. Diese Schwäche versuchen die USA auszunutzen. Der Irakkrieg hat die USA gelehrt, dass sie mit ihrer militärischen Überlegenheit problemlos die ersten Schlachten gewinnen und ein Land besetzen, aber Kriege mit Bodentruppen kaum siegreich zu Ende führen können. Der «Krieg gegen den Terror» hat nach Berechnungen der Brown University nicht nur mehr als 800.000 direkte Todesopfer gefordert, sondern die USA insgesamt 6,4 Billionen US-Dollar gekostet (vom Fiskaljahr 2001 bis zum Fiskaljahr 2020; Crawford 2019). Das ist eine unvorstellbare Summe. Sie entspricht mehr als dem Achtfachen des größten Konjunkturprogramms in der US-Geschichte – verabschiedet mit dem 1 Was indes nicht bedeutet, dass China seine eigenen Rohstoffvorkommen nicht gut als Machthebel im Handelskrieg mit den USA einsetzen kann. So drohte China im Mai 2019 damit, keine Seltenen Erden mehr an die USA zu liefern, was drastische Auswirkungen auf die gesamte US-amerikanische Industrie hätte, von Ölraffinerien über Flugzeugmotoren bis hin zu Windturbinen (vgl. Johnson/Groll 2019). American Recovery and Reinvestment Act von 2009 – , das Investitionen in Höhe von 787 Mil­liar­den US-Dollar zur Bekämpfung der globalen Finanzkrise vorsah (vgl. hierzu ausführlich Solty 2013b: 15 ff.). Trump ist es gelungen, im Wahlkampf die Misserfolge dieses Kriegs in den Vordergrund zu stellen. Trotz der gigantischen Summen, die in die Bekämpfung des islamischen Terrors geflossen sind, seien die Ergebnisse katastrophal: Am Anfang habe man gegen ein loses globales Netzwerk von vielleicht 100 bis 200 Al-Qaida-Terroristen gestanden, nun habe man es mit einem Kalifat von 30.000 bis 40.000 ISIS-Kämpfern und Hunderttausenden Sympathisanten weltweit zu tun. Was hätten die USA nicht alles verbessern können, hätten sie diese Ressourcen in die Infrastruktur der USA gesteckt! Nun verstand und versteht Trump unter Infrastrukturkonjunkturprogrammen in Wahrheit Public-private-Partnerships bzw. Privatisierungen von Autobahnen, so wie dies sein Vizepräsident Mike Pence als Tea-Party-Gouverneur von Indiana mit desaströsen Ergebnissen vorexerziert hat (O’Neal/Sirota 2017). Aber angesichts einer überwiegend kriegsmüden Bevölkerung griff seine Argumentation unter anderem auch deswegen, weil seine Gegenkandidatin Hillary Clinton als Ex-Außenministerin persönlich für eine gescheiterte Politik des Regime-Change und die Zerstörung des libyschen Staates verantwortlich war (vgl. Solty 2011) und mit Max Boot und Robert Kagan neokonservative Falken und Vordenker des Irakkriegs von 2003 in ihrem unmittelbaren Beraterstab hatte (Solty 2015c). Das hat einige linke Beobachter sogar zu der Hoffnung verleitet, Trumps Ziel sei es, nicht nur die Kriege seiner Vorgänger zu beenden, sondern auch keine neuen zu beginnen (Crome 2017). Die USA waren nach dem Desaster des Irakkriegs schon unter Obama nicht nur zu Drohnenkrieg und extralegalen Tötungen sowie zur Vorbereitung von Roboterkriegen übergegangen, um weitere Bilder von Zinksärgen mit toten G.I.s zu vermeiden. Sie hatten einen Schwerpunkt der Außenpolitik – was unter Demokraten ohnehin eine stärkere Tradition hat – bereits auf die Seewegkontrolle gelegt. Diese Tradition geht auf Alfred Thayer Mahan (1988) zurück und einer ihrer führenden Vertreter, Zbigniev Brzeziński (1997), war lange Zeit wichtiger Berater demokratischer Präsidenten gewesen. Trumps ehemaliger Verteidigungsminister James Mattis, bis zu seinem Amtsantritt oberster General im arabischen Raum und in dieser Funktion für die Besatzungskriegsdesaster verantwortlich, ist ebenfalls Anhänger dieser Tradition und brachte sie in die neue Regierung ein. Zudem heißt es in der sicherheitspolitischen Doktrin der Trump-Administration, die 2018 veröffentlicht wurde, «die Großmachtrivalität, nicht der Terrorismus» sei «Hauptfokus der nationalen Sicherheitspolitik der USA» (Ali 2018), also der Konflikt mit ­China. Mit ihrer Fokussierung auf die Seeherrschaft im Westpazifik und im Südchinesischen Meer senden die USA dem eingekreisten China in etwa folgende Botschaft: «Wir wissen, euer Entwicklungsmodell ist stark abhängig vom Außenhandel. Wir wissen auch, dass ihr etwa 80 Prozent eures Außenhandels über die Seewege – über das Südchinesische Meer, die Straße von Malaka und den Persischen Golf – abwickelt. Unsere Militärpräsenz kann eure gesamte Entwicklung in einer Weise abschneiden, so wie 23 24 das napoleonische Frankreich beispielsweise 1800 Großbritannien vom Außenhandel mit Kontinentaleuropa abschnitt. Ihr solltet euch im Klaren darüber sein, was das innenpolitisch für euch bedeutet. Ihr wisst so gut wie wir, dass ihr die 250 bis 300 Millionen Wanderarbeiter in eurem Landesinnern nur durch ein sehr hohes und stetiges Wirtschaftswachstum davon abhalten könnt, Unruhen zu stiften. Dafür braucht es in etwa Wachstumsraten von 8 bis 10 Prozent. Wenn wir also euer Wachstum durch eine Kontinentalblockade abwürgen, dann könnt ihr euch auf massive Verteilungskonflikte im Innern gefasst machen, die sich – wie überall sonst auf der Welt – rasch ethnisieren und auch konfessionalisieren dürften (denkt an eure muslimischen und uigurischen Minderheiten, denkt an Tibet und Aksai Chin in Ladakh). Damit droht euch womöglich ein Zerfall des Staates, wie ihn 1991 bereits die von uns totgerüstete Sowjetunion erlebte. Entsprechend solltet ihr, um das zu verhindern, unsere Forderungen nach Finanzmarktliberalisierung, Bodenprivatisierung und geistige Eigentumsrechte erfüllen.» Dass diese Strategie von Erfolg gekrönt sein könnte, wird den US-Sicherheits­ politiker*innen auch von chinesischen Stimmen nahegelegt. Im wichtigsten Verständigungsorgan der westlichen Außenpolitikelite schreibt Minxin Pei (2020) exemplarisch: «Ein Regime, getroffen von ökonomischer Stagnation und wachsendem sozialem Unfrieden im Inneren, kombiniert mit Großmachtrivalität nach außen, ist grundsätzlich zerbrechlich.» Donald Trump hat den von Obama vorgezeichneten Kurs nun weiter beschritten und vertieft. Die USA nutzen ganz klassisch Taiwan als einen Knotenpunkt ihrer Konfrontation. Auch die Proteste in Hongkong vom Sommer 2019 sind ein willkommener Anlass zur Intervention, wenn auch nur im Gestus der Unterstützung von «Demokratiebewegungen» weltweit. Im Juli 2019 kam es zu einem Rüstungsdeal zwischen den USA und Taiwan im Umfang von 2,2 Mil­liar­ den US-Dollar (Horton 2019), woraufhin China seinen Handel mit den US-Firmen kappte, die an dem Rüstungsdeal beteiligt waren (Reid 2019). Im April 2019 schickten die USA zwei Zerstörer in die Taiwan-Straße, um ihr «commitment to a free and open Indo-Pacific» zu untermauern (Browne 2019). Dort werden die USA von Frankreich unterstützt. Im Juni 2019 hieß es, dass sich auch die deutsche Regierung an diesem Einkreisungskurs gegen China beteiligen will. Wie das US-Magazin Politico meldete, sei Deutschland bereit, «einen Bruch mit dem jahrzehntelang geltenden Grundsatz der militärischen Nicht-Konfronta­ tion zu vollziehen». Seit Mai 2019 denke man über die Entsendung eines Kriegsschiffs in die Taiwan-Straße zur Unterstützung der USA nach. Womöglich sei dies auch ein Versuch, Strafzöllen zu entgehen. Mit einer endgültigen Entscheidung sei noch vor Ende des Sommers zu rechnen (Vinocur 2019). Zur deutschen Beteiligung an diesem Konfrontationskurs kam es – nach heftigen Protesten aus China (Lin 2019) – vorläufig nicht, aber der Grundstein für die Beteiligung von EU-Staaten an der US-Offensive gegen China ist gelegt und die Bereitschaft dazu wurde auf dem NATO-Gipfel von Anfang Dezember 2019 erneut bekräftigt. In der gemeinsamen Abschlusserklärung wurde China namentlich als Bedrohung genannt und im Hinblick auf die Hochtechnologierivalität (Huawei) die «Notwendigkeit» unterstrichen, «auf si- chere und widerstandsfähige Systeme zu setzen» (zit. nach Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.12.2019). Der chinesische Staat hat auf diese offene Konfrontation und Aggression längst reagiert, zunächst einmal ebenfalls militärisch. China hat im Westpazifik offensiv Bündnisse geschlossen – mit kleinen Inselstaaten wie Vanuatu, was ökonomisch unsinnig, geopolitisch aber höchst relevant ist und Spannungen mit den USA befördert, die den Westpazifik für sich reklamieren und mit Inselstaaten wie Palau, Mikronesien und den Marshall Islands Militärabkommen haben (Hille 2019). China hat lange Zeit versucht, dem Konflikt mit dem alten Hegemon aus dem Weg zu gehen und sich ganz allein auf seine clevere Außenwirtschaftsdiplomatie zu verlassen. Jeden Vorwurf, selbst eine Hegemonialrolle in der Welt anzustreben, hat die chinesische Regierung bis vor Kurzem weit von sich gewiesen. China – das keine eigene Kolonialgeschichte hat, sondern im Gegenteil kolonisiert wurde und seit vielen Jahrzehnten keinen Krieg mehr geführt hat – legte den Schwerpunkt auf zivile Entwicklung und Armutsbekämpfung und nicht so sehr auf die militärische Stärke. Hierdurch gelang es der Regierung, 770 Millionen Menschen aus der bittersten Armut zu holen. China hat heute die größte Mittelklasse der Welt und nach Angaben des globalen Reichtumsberichts der Schweizer Bank Credit Suisse gibt es mittlerweile in den USA mehr Arme als in dem (früheren und in seinem Selbstverständnis nach wie vor) Entwicklungsland China (Worstall 2015). Angetrieben von Nationalisten im Innern hat mittlerweile aber auch China seinen Rüstungsetat deutlich erhöht. So stiegen nach Angaben des Stockholmer Inter- nationalen Friedensforschungsinstituts (­SIPRI) die chinesischen Militärausgaben zwischen 1991 und 2017 von 22,4 auf 228,2 Milliarden US-Dollar, im Jahr 2020 sollen sie 241 Mil­liar­den US-Dollar betragen. Darüber hinaus ließ man 2017 mit großem Pomp auch ihren ersten in China gebauten Flugzeugträger vom Typ 001A vom Stapel. Das Ganze wurde vom Staatsfernsehen übertragen. Bis dahin verfügte die chinesische Marine lediglich über den Flugzeugträger Liaoning, der 1998 aus alten Sowjetbeständen von der Ukraine gekauft worden war. Ebenfalls seit 2017 unterhält China in Djibouti am Horn von Afrika sogar eine ausländische Militärbasis. Das alles mutet zweifellos eher bescheiden an, vergleicht man es mit den militärischen Machtprojektionsmitteln des US-Imperiums. Die USA verfügen über wenigstens 800 Militärbasen weltweit (Vine 2015), was sie aber nicht daran hindert, panisch auf Chinas Basis in Djibouti zu reagieren (Damon/Swails 2019). Und zweifellos liegen die Rüstungsausgaben in China im Verhältnis zu den der USA (und vor allem zu den aller NATO-Staaten zusammen) immer noch relativ niedrig. Die USA gaben 2017 mit 685,9 Milliar­ den US-Dollar mehr als das Dreifache für Rüstung aus und werden diese Ausgaben 2020 auf über 750 Mil­liar­den USDollar steigern. Der Anteil des Militärs am BIP ist mit 1,3 Prozent in China deutlich geringer als in den USA (hier beträgt er 3,3 Prozent). Die NATO-Staaten gaben 2017 ganze 956,6 Milliarden US-Dollar für Rüstung aus, was ein gigantisches Ungleichgewicht zwischen der NATO einerseits und China und Russland andererseits aufzeigt und die Frage aufwirft, wer hier eigentlich wen bedroht. Dies gilt insbesondere, wenn man noch die sin- 25 26 kenden russischen Militärausgaben mit ins Bild nimmt. Sie beliefen sich 2017 auf 66,3 Mil­liar­den US-Dollar und sollen im Fiskaljahr 2020 auf 55,3 Mil­liar­den USDollar fallen, während die gesamten NATO-Ausgaben für 2020 auf 1,1 Billionen US-Dollar geschätzt werden. Der globale Rüstungswettlauf ist also in vollem Gange. Er ist jedoch asymmetrischer, als gemeinhin angenommen wird. Der Westen bleibt dabei die treibende Kraft. Darunter, dass dies einen Rückgang bei den zivilen Investitionen bedeutet, leiden die Zivilbevölkerungen hier wie dort. Entscheidender als die nackten Zahlen der Rüstungsausgaben aber scheint zu sein, wie China den Bestrebungen der USA, die Seewege zu kontrollieren, begegnen wird. Zum einen bieten die neue Zusammenarbeit mit Russland und der Klimawandel die Möglichkeit, die zunehmend eisfreie Nordmeerroute mit eigenen Eisbrechern zu nutzen, um den chinesischen Handel mit Europa abzu­ wickeln. Dies würde nicht nur den Seeweg nach Europa um zwei Fünftel verkürzen, sondern hat auch den Vorteil, dass die Nordmeerroute gänzlich von Russland kontrolliert wird. US-Außenminister Mike Pompeo wirft China darum auch vor, «fast einen arktischen Staat» zu bilden (zit. nach Ballin/Brüggmann 2019). Noch wichtiger ist jedoch die 950 Mil­liar­ den US-Dollar teure One-Belt-One-RoadInitiative (OBOR), auch bekannt als Projekt «neue Seidenstraße». Sie verbindet, wie gesagt, China enger mit Eura­sien und Afrika. Man könnte auch sagen: Sie bindet Eurasien und Afrika stärker an China. Von vielen Beobachter*innen wird die OBOR als ein Mittel gesehen, die riesigen Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen westchinesischen Küstenmetropolen und dem östlichen Binnenchina, zu reduzieren (Schmalz 2018: 358 ff.). Andere bewerten es als den Versuch, die gigantischen überakkumulierten Kapitalreserven in einem kapitalistischen Landnahmeprozess raumzeitlich zu fixieren und so vor Entwertung zu bewahren (Harvey/Paik 2017; Bond 2018). All dies ist zweifellos richtig. Weniger Beachtung findet jedoch der Umstand, dass die OBOR Chinas Import und Export von den Seewegen und den USA, die diese blockieren können, unabhängiger machen soll. Der Krieg hat also längst begonnen und der Handelsstreit ist nur die Oberflächen­erscheinung der Einbindung-durch-Eindämmung-Politik der USA einerseits und des chinesischen Aufstiegs andererseits. In diesem haben die USA mit Chinas Konzessionen in Sachen Mehrimporte aus den USA und dem «Schutz von geistigen Eigentumsrechten» einen Punktsieg erlangt, mehr aber auch nicht (Prasad 2020). Die Frage ist: Wie lange bleibt dieser Kalte Krieg noch kalt? Wie lange bleibt es bei Konflikten und geopolitischen Rivalitäten, die sich stellvertretend in den Regionen der Welt entfalten? 6 DIE GLOBALE FINANZKRISE ALS VERPASSTE KLIMAPOLITISCHE CHANCE Im US-Pentagon rechnet man längst damit, dass ein großer Krieg mit China unvermeidlich sein wird, selbst wenn damit ein Dritter Weltkrieg mit Atomwaffen und die völlige Auslöschung der Menschheit drohen. Auch aus diesem Grund arbeiten die USA nach ihrer Aufkündigung des Washingtoner Vertrags über nukleare Mittelstreckensysteme (INF-Vertrag) an der Modernisierung ihrer Atomwaffen, die auch in Deutschland stationiert sind. Es geht ihnen um den Ausbau von «Erstschlagkapazitäten» und «Zweitschlagverhinderungsmöglichkeiten». Hierfür entwickeln sie sogenannte Mini-Nukes. Die haben die Sprengkraft der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki. Auch führen sie Verhandlungen mit westpazifischen Staaten, um dort – gegen China gerichtet – entsprechende Mittelstreckenträgerraketen zu stationieren. Weil Australien sich bislang geweigert hat, scheinen die USA das Ziel zu verfolgen, diese Raketen auf japanischen Inseln zu stationieren (Stratfor, 21.8.2019). Der mittlerweile pensionierte US-General Ben Hodges machte damit auf sich aufmerksam, dass er über diese Planspiele und Überzeugungen in aller Öffentlichkeit sprach. Beim Warschauer Sicherheitsforum 2018 sagte er den Anwesenden, er gehe davon aus, dass die USA innerhalb der nächsten 15 Jahre einen großen Krieg gegen China führen werden (Associated Press 2018). Der Konflikt spitzt sich also zu. Er hat nicht nur das Potenzial, die menschliche Zivilisation mit Atomwaffen auszulöschen. Selbst, wenn es nur beim Handelskrieg bleiben sollte, könnte dies enorme Zerstörungen und Katastrophen nach sich ziehen. Die bittere Erkenntnis der Analyse des Konflikts zwischen den Staaten des US-dominierten Westens einerseits und China andererseits ist: Siegt der Westen, stirbt der Planet. Setzen sich die USA mit ihrem Ziel der Unterordnung Chinas und seiner Einordnung in die herrschende Weltwirtschaftsordnung durch, dann ist die Klimakatastrophe unvermeidlich. Aber wie kommt man zu solch einer provokanten These? Wir befinden uns heute in einer Situation, die der Jenaer Soziologe Klaus Dörre (2018) als «ökonomisch-ökologische Zangenkrise» und der Autor dieser Studie selbst als Sechsdimensionenkrise bezeichnet hat (Solty 2019a). Die austeritätspolitische Wende in den kapitalistischen Kernstaaten vom Frühjahr/Sommer 2010 bedeutet, wie eingangs erwähnt, dass aus dem chinesischen Staatsinterventionismus ein «Wettbewerbsvorteil» geworden ist, den die Unterordnung Chinas unter die westliche Weltwirtschaftsordnung zunichtemachen soll. Wenn Donald Trump von «unfair competition» spricht und «illegal government subsidies» geißelt (Lightizer 2019: 2), dann ist damit Chinas rivalisierendes Entwicklungsmodell gemeint, das manche Staatskapitalismus und andere sozialistische Marktwirtschaft nennen. Die westliche Gemeinschaft hat mit der Welthandelsorganisation als «Weltkapitalismusverfassung» allgemein und mit regionalen Vereinbarungen wie dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen und den EU-Primärverträgen ihre Gesellschaften auf neoliberale Prinzipien und marktgetriebene Entwicklung festgelegt (vgl. Solty 2015b). Gesetze zur Be- 27 28 schränkung von Haushaltsdefiziten, wie wir sie aus allen US-Bundesstaaten (mit der Ausnahme von Bernie Sanders’ Vermont) kennen, und in die Verfassung aufgenommene Schuldenbremsen (wie in Deutschland) oder die neue europäische Wirtschaftsregierung sind Manifestationen des Grundsatzes «privat vor Staat». Sie gehen auf neoliberale Vordenker wie Friedrich August Hayek und James Buchanan zurück und dienen dazu, die wirtschaftspolitischen Spielräume von Regierungen und damit die Demokratie einzuschränken (Solty 2014a). Kritiker wie der neogramscianische Poli­ tikwissenschaftler Stephen Gill (2002) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Staat und Subjekte gleichermaßen «disziplinierenden Neoliberalismus» und einem «neuen antidemokratischen Konstitutionalismus», der Ungleichheit quasi per Verfassung einführt. Wir gehen zwar noch wählen, aber die Regierungen haben eigentlich so gut wie nichts Wesentliches mehr zu entscheiden. In den Sozialwissenschaften haben sich solche Analysen in der Postdemokratie-These von Colin Crouch (2004) und in der kritischen Forschung zu Europa in dem Befund niedergeschlagen, dass die Europäische Union neoliberal verfasst ist (vgl. u. a. Röttger 1997; Gill 1998; Ziltener 1999; Stützle 2014 sowie ferner Streeck 2015). Der neoliberale Konstitutionalismus hat dramatische Folgen für den Klimawandel. Ganz allgemein haben jene Kriti­ ker*in­nen Recht, die verdeutlichen, dass ein auf permanentes Wachstum angelegtes Wirtschaftssystem wie der Kapitalismus auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht existieren kann (Altvater 2005). Es ist allgemein richtig, dass wir den Kapitalismus abschaf- fen müssen, wenn wir das Klima retten wollen. Diese These, die von Journalisten wie Owen Jones (2019) oder George Monbiot (2019) mittlerweile popularisiert worden ist, ist so richtig wie abstrakt. Die Wahrheit ist aber stets konkret: Der Kapitalismus lässt sich nicht einfach durch einen Akt des Willens abschaffen, sondern erfordert realistische Einstiegsprojekte in den «Postkapitalismus» (vgl. Brie 2014). Der Neoliberalismus mit seiner Festlegung auf marktgetriebene Entwicklung blockiert die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Wir sind immer noch in dem kindlichen Glauben gefangen, die benötigten technologischökologischen Innovationen werden aus dem profitorientierten Privatsektor hervorgehen, obwohl kritische Politökonomen wie Robert W. Cox und Mariana Mazzucato längst das Gegenteil bewiesen haben. Die meisten technologischen Innovationen in der Geschichte und in der Gegenwart sind das Ergebnis öffentlicher Forschung (Mazzucato 2013), zumeist des Militärs (Cox 2001; Solty u. a. 2020). Das gilt für den Computer, den militärische Forschung hervorgebracht hat, als auch für alle technologischen Komponenten, die heute in einem iPhone zu finden sind. Dies alles hat sehr wenig mit dem Erfindergeist von Steve Jobs oder anderen Silicon-Valley-Heilsgestalten zu tun. In den Jahren 2007 ff. verbreitete der kleine, linke Green-New-Deal-Flügel in der Obama-Administration für einen kurzen Moment die Hoffnung, dass es möglich sei, die verschiedenen Krisen – die finanzielle, die ökonomische, die so­zia­ le, die demokratische und die ökologische – zusammen in den Griff zu kriegen. Aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre hatte man gelernt, dass Staaten international koordiniert große Konjunkturprogramme auflegen müssen, um eine Wiederholung der damaligen Si­ tua­tion – finanzielle Kernschmelze, staatliche Austerität, fürchterliche Massenarbeitslosigkeit und Aufstieg faschistischer Bewegungen – zu verhindern. International koordiniert müssen die Maßnahmen deswegen sein, weil es sonst dazu kommen kann, dass sich einzelne Staaten verschulden, um die Konjunktur und die Nachfrage anzukurbeln, woraufhin deren Bevölkerungen dann zu billigeren ausländischen Waren greifen. Der reformkapitalistische Ansatz war mit der Hoffnung verbunden, die Konjunkturprogramme könnten auch genutzt werden, um Forschung und Entwicklung von grünen Technologien – Obama sprach von Hochgeschwindigkeitszügen, Solaranlagen und Windkraftanlagen etc. – anzukurbeln. Die Idee war, einen grünen Kapitalismus zu schaffen, der als Motor allgemeiner Konjunkturentwicklung fungieren, neue Industrien um sich herum gruppieren und somit auch überschüssiges Kapital produktiv binden würde, das bislang spekulativ in die Finanzmärkte geflossen war. Das Versprechen eines «Green New Deals» bestand also letztlich in einer Redynamisierung und Entfinanzi- alisierung des globalen Finanzmarktkapitalismus in der Krise (vgl. hierzu ausführlich Solty 2013b: 15 ff.). Diese Hoffnungen zerschlugen sich schnell. Der neoliberale Wall-Street-Flügel um Timothy Geithner (damals Finanzminister) und Larry Summers (damals Direktor des National Economic ­Council) setzte sich damals – in einer an Kriminalgeschichten und Thriller erinnernden Art und Weise – gegen Christina Romer (zu diesem Zeitpunkt Vorsitzende des ­Council of Economic Advisers) durch. Das unter Obama in den USA aufgelegte Konjunkturprogramm war auch im Vergleich zu Roosevelts historischem New Deal von drei zentralen Widersprüchen gekennzeichnet: Es war erstens zu klein, um die ökonomischen und politischen Folgen der Krise aufzuhalten (der Effekt war der Wiederaufstieg der Republikaner in den Zwischenwahlen 2010). Es war zweitens nicht grün genug (nur 3,5 Prozent flossen tatsächlich in die Forschung und Entwicklung grüner Technologien) und es war drittens vor allem auch nicht öffentlich genug, insofern – im Gegensatz zu Roosevelts New Deal – nicht mehr Jobs im öffentlichen Sektor geschaffen wurden, sondern Millionen verlorengingen (ebd.). 29 30 7 MIT DEM WESTEN IN DIE KLIMAKATASTROPHE, MIT CHINA ZU IHRER ABWENDUNG? Seit der austeritätspolitischen Wende, die daraufhin folgte, ist im Westen zwar weiterhin viel von grünen Technologien die Rede. Allerdings setzt man dabei fast ausschließlich auf den Markt. In Deutschland etwa bewegen sich Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem neuen Grundsatzprogramm, das schwarzgrüne und Jamaika-Koalitionen vorbereiten soll, klar in Richtung marktwirtschaftliche «Lösungen» für die Klimakrise. Technologieoptimistisches Marktvertrauen steht hoch im Kurs (vgl. Baerbock/Habeck 2019). Entsprechend gering ist die Angst in den deutschen Konzernzentralen vor dem Aufstieg von Bündnis 90/ Die Grünen. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende Annalena Baerbock bekam jüngst das Schlusswort auf dem «Tag der Deutschen Industrie» des BDI und zeigte keinerlei Anzeichen, angesichts der Klimakrise die deutsche Industrie in die Pflicht zu nehmen. Die Tageszeitung Die Welt berichtete, dass Baerbock mehr Applaus erhalten habe als ihr Vorredner Christian Lindner von der FDP, weil sie «freundlich […], den Leuten zugewandt und gar nicht wirtschaftsfeindlich» aufgetreten sei. Man spüre «den Wandel auf beiden Seiten. Den Versuch, miteinander ins Gespräch zu kommen, Gemeinsamkeiten auszuloten, einander besser kennenzulernen» (Dams 2019). Ähnlich hat Kerstin Andreae (2019) in einem Gastbeitrag in der Welt die bemerkenswerte Leistung vollbracht, die großen Widersprüche – soziale Frage, Wohnungsfrage, Klimakrise usw. – zu benennen, um im selben Atemzug sich gegen jedwede Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse auszusprechen: «Eine soziale Markt- wirtschaft muss zukünftig Klima- und Umweltschutz als feste Bestandteile beinhalten und sich zu einer ökologischsozialen Marktwirtschaft weiterentwickeln. Ihr Versprechen lautet, allen faire Chancen auf ein gutes Leben zu ermöglichen. Allen, auch künftigen Generationen. Das erfordert Wettbewerb und Innovation und verlässliche Rahmenbedingungen für ein verantwortungsvolles Unternehmertum.» Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, fügt hinzu: Auch große Unternehmen seien «längst auf grünem Kurs. Bosch, Daimler, Siemens, Porsche und viele mehr streben inzwischen Klimaneutralität an. Nur mit grünen Produktlinien bleibt unsere Wirtschaft international wettbewerbsfähig.» Deshalb seien «die Grünen die neue Wirtschaftspartei» (Handelsblatt, 7.6.2019). Und tatsächlich sehen das auch die Konzernherren in Deutschland zunehmend so: Der Bundesparteitag der Grünen vom November 2019 wurde nach eigenen Angaben neben anderen von den Lobbyverbänden der Pharmaindustrie, privaten Krankenkassen, Immobilienkonzernen (ZIA sowie Haus und Grund), der Metallindustrie und sogar dem Verband der europäischen Plastik- und Kunststoffproduzenten gesponsort. Das Setzen auf kapitalistische Marktlösungen für Probleme, die Folgen kapitalistischer Marktentwicklung sind, schlägt indes nicht nur eine Quadratur des Kreises vor. Es streut zudem Sand in die Augen der Umwelt- und Klimabewegung. Auflagen zur Einhaltung der Klimaziele und zur Reduzierung der CO2 Emissionen hat die deutsche Autoin- dustrie einfach ignoriert. Der eigentliche Diesel-Skandal ist, dass es im Sinne der Profitmaximierung günstiger war, systematisch und im gigantischen Ausmaß zu betrügen (und ein mögliches Entdecktwerden in Kauf zu nehmen und die daraus folgenden ökonomischen Schäden einzupreisen), als sich um emissionsärmere Verbrennungsmotoren zu bemühen oder die Entwicklung des Dreiliterautos (bei Volkswagen der VW Lupo) zu forcieren. Solche Regulierungen helfen also nichts. Es geht um die Frage der Investitionskontrolle und um demokratische Planung. Genau davor scheut aber die Führung von Bündnis 90/Die Grünen zurück, um ihre derzeit hohen Zustimmungswerte durch Angriffe aus den deutschen Konzernzentralen, die auch Auswirkungen auf das Wohlwollen in den deutschen Medienkonzernen haben würden, nicht zu gefährden. Der Grund, warum die Autobranche sich nicht um kostspielige Innovationen bemüht, hat damit zu tun, dass es sich um eine stark überakkumulierende Industrie handelt. Die Autoindustrie geriet in den Strudel der globalen Finanzkrise, weil es global 30 Prozent Überkapazitäten gibt. Das Angebot der Autos übersteigt derzeit die Nachfrage. Das hat mittlerweile auch Massenentlassungen zur Folge. 2 Nach Ansicht neoliberaler Ökonomen steht es dem Kapital jederzeit frei, in profitträchtigere Branchen abzuwandern (sofern es solche und nicht allgemeine Überakkumulation gibt) und damit die Überkapazitäten auszugleichen. Das Problem solch abstrakter Theorien ist jedoch, dass das Autokapital auf viele verschiedene Arten und Weisen im Raum fixiert ist. Man denke an die gigantischen Produktionsanlagen, die sich nicht einfach von einem Ort zum nächsten bewegen lassen, an Akkumulationen von spezifischem technischen Knowhow in Management und Arbeiterschaft, rechtliche Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten usw. Überakkumulation zwingt also paradoxer Weise, auch in zunehmend unprofitable Branchen zu investieren, selbst wenn man überschüssiges Kapital auch finanzialisieren kann – weshalb Porsche heute eher ein Hedgefonds mit einem Produk­ tionswurmfortsatz ist. Ein zusätzlicher Grund, warum die USAutobauer in die Krise gerieten, hängt mit ihrer Firmenstrategie zusammen, sich auf die großen Geländewagen (besonders viel Sprit fressende SUV, «gas guzzlers») zu konzentrieren. Diese versprachen die höchsten Profitraten, solange die Rohölpreise so niedrig waren wie Anfang der 2000er Jahre. Für das Klima waren diese Investitionsentscheidungen eine besonders schlimme Katastrophe. Obama musste dann in der Finanzkrise zwei der großen drei USAutokonzerne mit Steuergeldern retten, verfolgte dabei aber einen neoliberalen «hands-off approach», wie er das selbst nannte, der keinerlei Einfluss auf die Investmententscheidungen nahm, ja, nicht einmal auf Personalfragen. Der damalige General-Motors-Chef Richard Wagoner war der Einzige, der für seine ökonomischen und ökologischen Fehlentscheidungen haften und seinen Hut nehmen musste (vgl. Solty 2013b: 15 ff.). Tatsächlich betrieben die Regierungen des Westens nur «Feuerwehrpolitik», mit der die Lösung des strukturellen Problems der 2 Ford, Volkswagen, Hyundai, Kia und General Motors vollzogen 2018/19 alle Massenentlassungen in fünfstelliger Zahl oder kündigten solche Maßnahmen und Werksschließungen an. Im Juni 2019 entließ selbst Daimler aufgrund der schwachen Konjunktur und aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen 700 seiner 950 Zeitarbeiter im Stammwerk in Untertürkheim (Stuttgarter Nachrichten, 4.6.2019). 31 32 Überkapazitäten in die Zukunft verschoben wurde. Man kurbelte den Autoverkauf mit Steuergeldern künstlich an (Abwrackprämie in Deutschland, «Cash for Clunkers» in den USA) und wartet auf die nächste Krise, auf die dann vermutlich die nächste Abwrackprämie (nunmehr für E-Autos) folgen wird. Außerdem versuchten die westlichen Staaten, ihre eigenen Autoindustrien auf Kosten anderer und der Umwelt gesundzustoßen. Obama ließ die Löhne für alle neu eingestellten Arbeiter*innen im Automobilsektor halbieren, während der deutsche Krisenkorporatismus mit der Kurzarbeit unter anderem darauf abzielte, das Ingenieurswissen beizubehalten. Indem man die Facharbeiter anders als in den USA nicht entließ, konnte die Produktion sofort wieder ausgeweitet werden, sobald die Krise «vorbei» war (vgl. hierzu ausführlich Solty 2019a). In der Corona-Krise erleben wir kaum ein Jahrzehnt später den Versuch einer Neuauflage dieser Art von Krisenbewältigung, bei der beispielsweise in Deutschland die Bundesbahn als ökologischer Staatsbetrieb zu Einsparungen bei Personal und Service im Umfang von 4,1 Mil­liar­den Euro gezwungen wird (Schwenn 2020), während für die privaten Autokonzerne weitgehend bedingungslos Milliardenhilfen fließen (Traufetter 2020). Der Kontrast zwischen sozialökologischer Rhetorik und Realität könnte kaum größer sein. Der chinesische Staat treibt dagegen aus verschiedenen Gründen – die äußere Bedrohung, die Rohstoffarmut des Landes, die ökologischen Folgeschäden der Industrialisierung, die hochtechnologische Veredelung und Erschließung von Zukunftsmärkten – die grüntechnologische Wende massiv voran. Während Obama von Hochgeschwindigkeitszügen nur re- dete und in Deutschland der Transrapid nicht einmal vom Münchner Flughafen in die Münchner Innenstadt fährt und die ICE im Ruhrgebiet wie bessere S-Bahnen vor sich hin gondeln, haben chinesische Staatskonzerne modernste Züge auf die Schienen gebracht, die mit einer Geschwindigkeit von 300 bis 350 Stundenkilometern die zahlreichen Millionenstädte verbinden, von denen viele mehr oder minder aus dem Boden gestampft wurden. In China entsteht derzeit das weltweit größte Hochgeschwindigkeitsbahnnetz. Insofern die «neue Seidenstraße» auch eine Verlagerung des Gütertransports von Containerschiffen auf die Schiene mit sich bringt, ist auch sie Teil von Chinas neuem Eisenbahnzeitalter und eine Strategie gegen die US-Politik «Eindämmung durch Einbindung». Im Mai 2019 stellte der chinesische Staatskonzern China Railway dem weltgrößten Produzenten von Eisenbahnzubehör Rolling Stock Corporation den Prototyp eines neuen Magnetschwebezugs vor, der 600 Stundenkilometer schnell ist. Das erklärte Ziel ist es, den ökologisch katastrophalen Inlandsflugverkehr drastisch zu reduzieren. Sobald dieser Zug 2021 in Serie geht, wird die Fahrtzeit zwischen Peking und Schanghai nur noch dreieinhalb Stunden betragen (ein Drittel weniger als zuvor), während in Deutschland jeden Tag noch massenhaft Manager zwischen Berlin und Frankfurt am Main hin und her fliegen (Wang/Cripps 2019). Darüber hinaus bauen Wissenschaftler der JiaotongUniversität in Chengdu Prototypen an einer Super-Magnetschwebebahn, die in Luftreibung reduzierenden Vakuumröhren bis zu 1.000 Kilometer schnell fahren können soll (Yin 2018). Ähnlich sieht es im Bereich der ElektroMobilität aus, die im Westen immer wie- der angepriesen wird, allerdings in Form von Elektro-Autos. In Deutschland gibt es immer mehr Zapfsäulen für E-Autos, die wie die Tesla-Modelle als emissionsarme Pkw-Alternativen beworben werden. Erst langsam wird deutlich, dass dies keineswegs der Realität entspricht, sondern eine Form von «Greenwashing» ist: Die Produktion einer E-Auto-Batterie, die den Reichweitebedürfnissen heutiger Autofahrer*innen entspricht, produziert nach neueren Erkenntnissen, die Florian Schneider und Valentin Thurn in der ARD-Dokumentation «Die Story im Ersten» zusammentrugen, 17 Tonnen CO2 Gase. Dies entspricht bei einem Sechsliter-Verbrauchsmotor der Reichweite von 100.000 Kilometern (Focus, 6.6.2019). Zugleich ist nie klar, aus welchen Quellen der Strom für die emissionsfreien Vehikel eigentlich kommt: ob aus erneuerbaren Energien oder eben auch aus Atomenergie oder gar Kohlekraftwerken. Die Katze beißt sich also in den Schwanz. Der chinesische Staat unter der Führung der Kommunistischen Partei setzt nun zwar auch auf E-Mobilität und baut mit Unterstützung Russlands weitere Atomkraftwerke. Was in der Klima- und Industriepolitik aber einen Unterschied ums Ganze macht, ist, dass China der individuellen Automobilität mit all ihren gesellschaftlichen Folgekosten etwas entgegensetzt. Der öffentliche Personennahverkehr in China und die Geschwindigkeit, mit der er gerade ausgebaut wird, suchen ihresgleichen. Mit staatsinterventionistischen Mitteln und dem Einsatz sämtlicher öffentlicher Ressourcen hat China innerhalb kürzester Zeit eine neue E-Bus-Industrie (inklusive E-Batterie-Produktion) aufgebaut – weil das Land von keinen neoliberalen Prinzipien und rechtlichen Einschränkungen daran gehindert wird. In der typischen Kombination aus nationaler Mandatierung, staatlichen Fördermitteln und Wettbewerb zwischen einzelnen Städten entwickeln chinesische Staatskonzerne in einem enormen Tempo neue E-Busse. Während im Westen der Einsatz solcher in der Regel nur dann in Erwägung gezogen wird, wenn alte Busse (die eine Laufzeit von etwa zwölf Jahren haben) aus dem Verkehr gezogen werden müssen, fahren heute in China schon 421.000 EBusse. In den USA sind es 300. Bis 2025 will China seine E-Bus-Flotte auf 600.000 Fahrzeuge aufgestockt haben, in den USA rechnet man hingegen mit maximal 5.000. Es heißt, bereits im Jahr 2018 seien 18 Prozent aller in China fahrenden Busse elektrifiziert gewesen. Bis 2030 will China dann das Ziel null Emissionen im öffentlichen Busverkehr erreicht haben (Eckhouse 2019). E-Mobilität ist aus vielen Gründen, von denen hier einige kurz benannt wurden, ökologisch fragwürdig. Allerdings sind die chinesischen E-Busse zentraler Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs, was ein gewaltiger Unterschied zur myopischen, individuellen Autozivilisation des Westens ist. Es gehört außerdem zum Gesamtbild, dass China mittlerweile auch bei der Produktion von Solar- und Windkraftanlagen führend ist, was die Solaranlagenbauer in Brandenburg, die sich der chinesischen Konkurrenz nicht mehr erwehren konnten, schmerzlich am eigenen Leib erfahren mussten. Kurzum, wer es mit dem Kampf gegen den Klimawandel ernst meint, der kommt nicht umhin anzuerkennen, dass China hierbei durchaus Erfolge vorzuweisen hat und richtige Schritte tut. Mehr noch: Man kann anerkennen, dass China 33 34 in diesem Kampf und mit seinem Projekt der sogenannten sozialistischen ÖkoZivilisation, die natürlich auch innenpolitische Gründe hat wie die lokale Umweltverschmutzung und geopolitische wie den Wunsch nach Unabhängigkeit vom Öl des Mittleren Ostens, dem Westen manches voraus hat. Die marktliberalen Gesellschaften sind für das Planen der Zukunft denkbar schlecht aufgestellt. Nehmen wir als Beispiel wieder die Autoindustrie: Im Westen wird, wie gesagt, die E-Mobilität als grundsätzliche grüne Alternative zum Klimakiller Verbrennungsmotor angepriesen. Es wurde darauf hingewiesen, dass E-Mobilität, insbesondere in ihrer individuellen Form, «Greenwashing» ist. Aber nehmen wir einmal an, es wäre der richtige Weg in Richtung Emissionsneutralität und Klimagerechtigkeit: Der E-Akku-Rohstoff Kobalt ist sehr selten. Die weltweit bekannten Vorkommen werden auf sieben Millionen Tonnen geschätzt, die E-Mobilitätswende wird nach Expertenmeinung jährlich 250.000 Tonnen verbrauchen (Fuest 2019). Sprich: in 15 Jahren fährt im Westen vielleicht eine Mehrheit der Bevölkerung E-Autos und stehen genügend E-Tankstellen in der Landschaft, aber in 28 Jahren von heute aus gesehen ist damit schon wieder Schluss. Die Frage ist: Wie kann es sein, dass Staat und Industrie so kurzsichtig sind? Die Antwort ist brisant: Im Durchschnitt wird das Management eines Konzerns in vier Jahren durchgewechselt, die konzerninterne Planung sieht maximal Fünfjahrespläne vor und Regierungen wählt man im liberalen Parlamentarismus alle vier Jahre. Zudem macht Fragmentierung des Parteiensystems die herrschenden Klassen des Westens immer weniger koordiniert und langfristig handlungsfähig. Im Üb- rigen wäre es zur Umstellung auf E-Autos in Deutschland wohl auch niemals gekommen, wenn China 2017 nicht angekündigt hätte, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Dies alles darf nicht als Plädoyer für ein Einparteiensystem missverstanden werden. Politische Systeme sind historisch gewachsen und sie bringen ihre eigenen inneren Widersprüche, Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten in ökologischer, sozialer oder demokratischer/ bürgerrechtlicher Hinsicht mit sich. An diesem Punkt geht es erst einmal nur darum anzuerkennen, dass China in Sachen Klimapolitik manches richtig macht.3 Ginge es aber nach den Staaten des Westens müsste China seine Politik des neuen Eisenbahnzeitalters und der systematischen Entwicklung und des Ausbaus erneuerbarer Energien einstellen, weil sie «unfairer Wettbewerb» ist. Ginge es nach dem deutschen Staat und der deutschen Autoindustrie oder dem US-Staat und den dortigen Autokonzernen, dann würde das Problem der Überakkumulation nicht durch Investitionskontrolle und Industriekonversion gelöst, sondern mit der Steigerung der Exportfähigkeit der westlichen Autobauer. Ginge es nach ihnen, würde der Westen den «American Way of Life» auf die neu entstehenden Mittelklassen in den Schwellenländern China, Brasilien, Südafrika und Co. ausweiten. Die neuen mittleren 3 Das bedeutet im Übrigen nicht, dass in China nicht auch gegensätzliche Entwicklungen in eine falsche Richtung laufen. Chinas Entwicklung ist nicht nur von zahlreichen inneren Widersprüchen, von demokratischen und sozialen Ungerechtigkeiten gekennzeichnet, sondern eben auch im Hinblick auf die ökologische Wende in sich widersprüchlich. China hat in den letzten Jahrzehnten das Straßen- und Autobahnnetz ausgebaut und die E-Mobilität ist, wie gesagt, an sich fragwürdig, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, woher die Rohstoffe stammen, unter welchen Bedingungen sie produziert werden und woher der Strom für Chinas E-Batterien stammt, nämlich teilweise aus neuen Kohle- und Atomkraftwerken. Einkommensklassen in diesen Ländern, so der Wunsch, sollen sich deutsche oder US-Autos kaufen (bei Doppelverdiener- oder größeren Haushalten gern auch zwei oder drei), um von ihren in ­suburbia und exurbia erworbenen Häusern regelmäßig nach Peking und Schanghai zur Arbeit zu pendeln und dabei täglich mehrere Stunden im Stau zu stehen. Etwas, was große Teile der Bevölkerungen der westlichen Ballungsräume New York, Chicago, München oder Stuttgart, wo die einzigen guten Jobmöglichkeiten sind, schon länger kennen, die sich über steigende Benzinpreise und -steuern beschweren und tendenziell immer häufiger rechts wählen. Es würde mithin ein marktgetriebenes Modell exportiert, das bereits den meisten Mega-Cities in den Entwicklungsländern – Lagos, Kinshasa, Dhaka, Johannesburg, Lima, São Paulo usw. – aufgezwungen wurde, mit zum Teil katastrophalen Folgen. Das Ergebnis wären desaströse Infrastrukturen, Bevölkerungsexplosionen und Verkehrskollapse, weil die marktgetriebene Entwicklung auf individuelle Automobilität hinausläuft. Ein gut funktionierendes öffentliches Personennahverkehrssystem sucht man in den genannten Mega-Cities vergeblich. China, dessen Mittelklasse die größte der Welt ist, bietet also aus der Perspektive der transnationalisierten Konzerne des Westens gigantische Expansionspotenziale, die Anreize, den «American Way of Life» auch hier zu verankern, sind immens. Die Politikerklassen des Westens sagen es nicht offen: Aber das ist ihr wirtschaftspolitisches Programm, ihr Programm zur Sicherung der industriellen Basis und der Arbeitsplätze im Westen. Zugleich setzt der Westen, allen voran die USA, mit der Einbindung-durch-Eindämmung-Strategie alles daran, den chinesischen Staatsinterventionismus als «unfairen Wettbewerb» zu diffamieren. China soll dazu gezwungen werden, den gleichen Weg wie der Westen zu gehen und sich den Selbstregulierungs- und Selbstheilungskräften des Marktes zu unterwerfen. Sagen wir es in aller Klarheit: Die Verwirklichung dieses Programms würde unseren Planeten in kürzester Zeit, weit vor der Wende zum 22. Jahrhundert, ökologisch und klimatisch kollabieren lassen. Die Kipppunkte wären viel schneller erreicht und die Prozesse schmelzender Polkappen, verschwindender CO 2 -reflektierender Schneedecken in Arktis und Antarktis, auftauende Permafrostböden und entweichende Klimakillergase wie Methan würden sich in einer Weise beschleunigen, die die Klimakatastrophe unausweichlich macht. 35 36 8 TERTIUM NON DATUR? VOR DER FÜRCHTERLICHEN ENTSCHEIDUNG Der Konflikt mit China führt uns damit heute an die Schwelle einer sehr schwierigen welthistorischen Entscheidung: Womöglich wird die Linke in Europa wählen müssen, auf welcher Seite in dieser Auseinandersetzung sie steht, wenn der Konflikt zwischen den USA und China sich weiterhin zuspitzt, womöglich gar kriegerisch. Das chinesische Modell des Verhältnisses zwischen Staat und Zivilgesellschaft ist den meisten Menschen in Deutschland aus guten Gründen fremd. Insbesondere die Überwachungstechniken und -praxen in China verbreiten Angst. Was eine chinesische Hegemonie im 21. Jahrhundert bedeuten würde, darüber gibt es bislang noch überhaupt keine Debatte. Es gibt kaum Auseinandersetzungen darüber, wie eine solche Welt aussehen würde, wie wünschenswert oder grauenhaft sie wäre. Es ist aber an der Zeit, diese extrem schwierige und schon aufgrund der geringen Kenntnisse über China komplizierte Debatte zu eröffnen. Und egal, was man von China hält: Eine Positionierung wird nötig sein, weil man dem Konflikt zwischen den USA und China nicht ausweichen kann und China und die damit zusammenhängenden Fragen zu groß sind, um sich ihnen nicht zu stellen. Eine andere Debatte, die hiermit eröffnet werden soll, ist die, wie verhindert werden kann, dass auch China auf eine marktgetriebene Gesellschaftsentwicklung festgelegt wird und wie umgekehrt im Westen eine sozialökologische Transformation gelingen kann – ein «­Social Green New Deal», wie er in den USA von Bernie Sanders und der populären Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio- Cortez gefordert wird, genauso wie in Großbritannien vor Kurzem noch von der Labour-Partei unter Jeremy Corbyn und in Deutschland von der LINKEN. Damit stellt sich aber auch die Frage nach den existierenden Kräfteverhältnissen und wie man sie ganz konkret verändern kann. Die hier vertretene These ist: Unter Umständen bieten Risse in den Machtblöcken des Westens das Potenzial, eine sozialökologische Transformation als Mittel zur Bearbeitung der verschiedenen Krisendimensionen durchsetzen zu können: Ökonomie, sozialer Zusammenhalt, Demokratie, soziale Reproduktion sowie Ökologie und Klima. Denn diese Risse existieren längst. Angesichts der hohen Wettbewerbsfähigkeit des vom chinesischen Staat vorangetriebenen Entwicklungsmodells gibt es in Europa mittlerweile eine wiederaufgeflammte Debatte über die Notwendigkeit einer aktiven Industriepolitik als ein Mittel, sich der chinesischen Konkurrenz zu erwehren. In den USA haben die ökonomischen Nationalisten eine neue Behörde geschaffen, die für Industriepolitik zuständig ist. Der Triumphalismus der alten marktliberalen Intellektuellen wie Thomas L. Friedman und Francis Fukuyama ist verflogen und auch sie diskutieren schon seit Langem (und auf ihre spezielle Weise) darüber, wie man Chinas Staatsinterventionismus nachahmen kann (Friedman 2009: 399 ff.; Fukuyama 2011). Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die eine Abkehr vom bisherigen Austeritätskurs fordern. Während DIE LINKE schon seit Beginn der Krise und zuletzt mit Bezug auf die angloamerikanische Green-New-Deal-Debatte ei- ne sozialökologische Transformation fordert, tut sich nun auch einiges bei den anderen Parteien. Man sieht dies an der Urwahl der SPD-Parteivorsitzenden, die stark vom Streit über die «schwarze Null» von SPD-Finanzminister Olaf Scholz geprägt war. Mit dem überraschenden Erfolg von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bekommen jene Kräfte im sozialdemokratischen Umfeld Auftrieb, die – teilweise unter Verweis auf die «Modern Monetary Theory» – verlangen, dass der historische Tiefstand der Zinsen der Europäischen Zentralbank, Bundesbank und Federal Reserve für eine viel aktivere Industriepolitik und mehr staatliche Investitionen in die Zukunft genutzt werden sollte, auch um die Voraussetzungen für eine sozialökologische Transformation zu schaffen (vgl. z. B. Meyer 2018). Selbst bei den Grünen ist das Festhalten an der «schwarzen Null» mittlerweile nicht mehr unumstritten, wagten sich Einzelpersonen und Finanzpolitiker*innen der grünen Bundestagsfraktion vor, die heilige Kuh der Austeritätspolitik infrage zu stellen (Bayaz/Hajduk 2019). Auf dem grünen Parteitag im November 2019 setzten sich die Delegierten gegen den Bundesvorstand durch, der ein «Bekenntnis zur Schuldenbremse» gefordert hatte (Die Welt, 17.11.2019). Selbst innerhalb der Regierung zeigen sich Risse: Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der im Februar 2019 die «Nationale Industriestrategie 2030» öffentlich vorstellte, setzt inzwischen wohl auf eine stärkere Rolle des Staates (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019). Und auch der «Sachverständigenrat», die sogenannten fünf Wirtschaftsweisen, legte in seinem jüngsten Bericht der Bundesregierung nahe, Abstand von der «schwarzen Null» zu nehmen (Löhr/Schäfers 2019). Nun gehen viele der industriepolitischen Ansätze in Richtung einer Wiederauflage des Ansatzes der Deutschland AG (vgl. hierzu exemplarisch Heisterhagen 2019). Sie sind zweifelslos nicht sozial. Zudem sind sie mit militaristischen Bestrebungen verknüpft (vgl. hierzu ausführlich Solty u. a. 2020). Kurzum, die neue Debatte ist nicht zwangsläufig eine progressive. In der Europäischen Union werden sogar der Aufbau einer EU-Armee im Rahmen der «Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit» (PESCO) und die öffentliche Förderung deutscher und französischer Rüstungskonzerne im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds als industriepolitische Maßnahme verkauft (nicht zuletzt, weil ein solcher eigener Rüstungshaushalt der EU nach den existierenden Verträgen illegal wäre) (vgl. Haydt/Wagner 2018). Trotzdem ist diese Debatte ein Ansatzpunkt, der einen Horizont eröffnen könnte – bis hin zur Vorbereitung einer gemeinsamen globalen Green-New-Deal-Politik mit China. Ob so ein Anlauf – etwa bei einer neuen drohenden Kapitalismuskrise – denkbar ist, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sich die internationalen Institutionen als robust genug erweisen, um eine solche koordinierte Politik überhaupt zuzulassen, und dass Trump sie mit seinem Bilateralismus nicht nachhaltig zerstört. Die Alternativen scheinen immer klarer zu werden: Entweder gelingt es den USA (und dem Westen), China das marktgetriebene Entwicklungsmodell aufzuzwingen, was unausweichlich mit einer gigantischen Klimakatastrophe verbunden wäre, oder es kommt dazu, dass ein «Social Green New Deal» durch die Vertiefung der industriepolitischen Risse im Westen zu einer realen politischen Option wird. Das alles mag für diejenigen, 37 38 die davon überzeugt sind, dass es für die Abwendung einer Klimakatastrophe eines grünen Sozialismus bedarf, zu wenig sein. Es wird auch diejenigen nicht zufriedenstellen, die davon ausgehen, dass wir nur noch fünf Jahre haben, um die Klimakatastrophe abzuwenden – weshalb sie sich in abstrakte moralische Handlungs- und Dringlichkeitsappelle versteigen. Wie Leo Panitch auf der Konferenz «La Grande transition: Organiser la resistance», die im Mai 2019 in Montreal stattfand, den Vertreter*innen solcher Positionen jedoch richtig entgegnete: «Es gibt keinen Big Bang zum Postkapitalismus, sondern nur die Verschiebung der Kräfteverhältnisse.» Die fürchterliche Erkenntnis, die darin steckt und die Panitch anschließend aussprach, ist die: «Womöglich werden wir eine sozialistische Gesellschaft in einer Welt aufbauen müssen, die aussieht wie in ‹Blade Runner›.» Hoffnung lässt sich womöglich daraus schöpfen, dass die Geschichte eine eigentümliche Radikalisierung der Ideen hervorgebracht hat. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat zur Folge, dass wieder allgemein über große Ideen diskutiert wird. So ist zum Beispiel seit 2019 die Eigentumsfrage kein Tabu mehr. Im Gegenteil: Die von Initiativen wie «Deutsche Wohnen & Co. enteignen» oder in der Kevin-Kühnert-Debatte aufgeworfene Forderung nach Vergesellschaftung von Privateigentum zur Förderung des Gemeinwohls hat nicht nur wie in Berlin die Linke in der Regierungsverantwortung radikalisiert (statt, wie normalerweise anzunehmen, entradikalisiert). Sie findet in Deutschland auch großen Zuspruch in der Bevölkerung. Ist aber erst einmal der Deckel von der Büchse der Pandora und reden wir wieder über Eigentum, über grundlegende Alterna- tiven zu in die Klima- und Gesellschaftsbarbarei führende marktgetriebene Entwicklungswege, gar über Sozialismus, dann öffnet sich auch der Horizont für radikale Ideen, die sich gegen den kapitalistischen Markt richten und die lange Zeit sehr verbreitet, ja klassische Ideen der deutschen Sozialdemokratie waren, die uns aber vom Neoliberalismus ausgetrieben worden sind. Schnell landet man dann womöglich bei Rudolf Hilferding, der beim Reichsrätekongress in der Novemberrevolution 1918 Überlegungen anstellte, wie Sozialisierungen, die die Mehrheit der Deutschen nach der tiefen Krisenerfahrung im Ersten Weltkrieg befürworteten, konkret vonstattengehen sollten. Er fragte sich, welche «reifen Industrien» in einer «gemischten Wirtschaft» – Hilferding war schließlich So­z ial­d emokrat und kein Kommunist – unter die Kontrolle der Gesellschaft gehörten, damit diese über die notwendigen Mittel und Investitionen zur Gestaltung der Verhältnisse verfügte. Für Hilferding waren das damals Kohle und Stahl, die Montanindustrie. Mit ihrer Sozialisierung hoffte Hilferding die Kontrolle über die Industrieproduktion zu gewinnen und sie in die gewünschte gesellschaftliche Richtung zu lenken. Sein Vorschlag bestand darin, denjenigen Betrieben und Bereichen, deren Entwicklung man aus gesellschafts- und demokratietheoretischen Gründen für wünschenswert hielt, Kohle und Stahl zu Preisen weit unter Marktwert zuzuteilen. Heute wären diese «reifen Industrien» sicherlich andere. Eine Investitionskontrolle wird es am Ende nicht geben ohne eine Sozialisierung der Banken. Diese wird außerdem nötig sein, um die grüntechnologische Wende mit aller Kraft voranzutreiben (vgl. ausführlich Solty 2020a). All diese Überlegungen, wie man von «kleinen Rissen» zur Verwirklichung dieser großen Ideen vordringen kann, sie ihrer Abstraktheit berauben und konkretisieren kann, beinhalten sehr viele Konjunktive, viele «Wenns» und «Abers», viel «hätte», «könnte», «würde». Eine Sozialisierung der Banken und ihre Überführung in öffentliche Dienstleistungsunternehmen scheint in sehr, sehr weiter Ferne zu liegen, während der Klimakollaps sehr, sehr nah ist. Aber in der gegenwärtigen geschichtsoffenen Si­tua­tion bedarf es unorthodoxen Denkens, gedanklicher und auch politischpraktischer Experimente mit einer gewissen Fehlerfreudigkeit. Sie können scheitern, aber dialektisch Politik machen heißt, in die großen Widersprüche der Zeit zu intervenieren, den Tiger zu reiten. Eine andere Chance haben wir nicht. Die Industriekontrolle nicht zu erlangen, am naiven Glauben der marktgetriebenen Technologieentwicklungen festzuhalten, heißt auch, den Kollaps des Klimas, die krasse geografische Auseinanderentwicklung im Kapitalismus (der Welt in Nord und Süd, in ein EU-Zentrum und eine EU-Peripherie, in ein prosperierendes und ein abgehängtes Deutschland etc.), die Krise der Demokratie und den Aufstieg der Rechten als alternativlos hinzunehmen. Von all diesen Problemen möge schweigen, wer nicht von der Notwendigkeit eines Bruchs mit der marktgetriebenen Gesellschaftsentwicklung sprechen will und nicht vom Wirtschaftskrieg zwischen den USA/dem Westen und China. Ingar Solty ist Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik in der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 39 40 LITERATUR Ackeret, Markus (2019): Russland und China zeigen der Welt ihre Einigkeit, in: Neue Zürcher Zeitung, 5.6.2019. Ali, Idrees (2018): U.S. military puts «great power competition» at heart of strategy, in: Reuters, 19.1.2018. Altvater, Elmar (2005): Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen. Eine radikale Kapitalismuskritik, Münster. Andreae, Kerstin (2019): Das Gefühl, dass irgendetwas nicht mehr stimmt in diesem Land, in: Die Welt, 29.5. 2019. Andres, Jacqueline u. a. (2016): Schwarzbuch. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der Bundeswehr, hrsg. von der RosaLuxemburg-Stiftung und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Berlin. 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