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Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung / Göbel, Susanne (Rights reserved)

Bibliographic data

Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung

Description

Author:
Göbel, Susanne
Ingiulla, Stefanie
Jahns, Tina
Stephan, Petra
Title:
Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung : ein Studienhandbuch für behinderte/chronisch kranke Menschen zum persönlichen Wachstum in Alltag und Beruf / Herausgeber: Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ; Autorinnen: Susanne Göbel, Stefanie Ingiulla, Tina Jahns, Petra Stephan
Publisher:
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland
Publication:
Berlin: Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland, Juli 2010
Language:
German
Scope:
1 Online-Ressource (79 Seiten)
Note:
Datum des Herunterladens: 28.9.2020
Urban Studies:
Kws 55 Menschen mit Behinderung: Allgemeines
DDC Group:
360 Soziale Probleme, Sozialarbeit
URN:
urn:nbn:de:kobv:109-1-15410009
Copyright:
Rights reserved
Accessibility:
Free Access
Collection:
Population, social affairs

Contents

Table of contents

  • Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung / Göbel, Susanne (Rights reserved)

Full text

Empowerment - Selbstbild Zukunftsplanung Ein Studienhandbuch für behinderte / chronisch kranke Menschen zum persönlichen Wachstum in Alltag und Beruf Interessenvertretung “Selbstbestimmt Leben“ in Deutschland e.V. - ISL Berlin, Juli 2010 2 Inhalt Nicht zu viele Worte vorweg ....................................................................................... 4 Kapitel 1: Kommunikation und Gesprächsführung ...................................................... 7 1.1 Einführung: Erfahrungen mit professionellen Gesprächen ................................ 7 1.2 Kommunikative Regeln in der Interaktion .......................................................... 8 1.3 Modelle der Kommunikation .............................................................................. 9 1.4 Die Personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers ........................ 13 1.5 Übungen.......................................................................................................... 19 1.6 Aufgaben ......................................................................................................... 23 1.7 Literatur und Fremdwörterverzeichnis ............................................................. 24 Kapitel 2: Mein Selbstbild ......................................................................................... 25 2.1 Einführung: Uns selbst kennen(lernen) ........................................................... 25 2.2 Wer ist Klaus Unklar? ...................................................................................... 26 2.3 Theoretische Grundlagen: Du bist der, für den du dich hältst! ........................ 27 2.4 Zur Entwicklung des Selbstbildes .................................................................... 29 2.5 Denkanstöße für ein Selbstbild ....................................................................... 31 2.6. Der innere Kritiker .......................................................................................... 33 2.7 Erfolg mit einer positiven inneren Einstellung!................................................. 34 2.8 Ein positives Selbstbild verändert unser Leben............................................... 36 2.9 Das ist Klaus Sonnenklar ................................................................................ 37 2.10 Übungen........................................................................................................ 38 2.11 Aufgaben ....................................................................................................... 40 2.12 Literatur und Fremdwörterverzeichnis ........................................................... 41 ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 3 Kapitel 3: Fähigkeiten und Unterstützungsbedürfnisse ............................................. 42 3.1 Einführung: Wege und Möglichkeiten zur Unterstützung ................................ 42 3.2 Carina hat Stress im Praktikum ....................................................................... 42 3.3 Von Identität und individuellen Ressourcen .................................................... 43 3.4 Entwicklung von Identität und Standards der Selbstwahrnehmung................. 45 3.5 Auswirkungen von Behinderung auf Identität .................................................. 47 3.6 Carina sieht sich in anderen Bereichen um ..................................................... 49 3.7 Übungen.......................................................................................................... 51 3.8 Aufgaben ......................................................................................................... 52 3.9 Literatur und Fremdwörterverzeichnis ............................................................. 53 Kapitel 4: Persönliche Zukunftsplanung.................................................................... 55 4.1 Einführung: Was ist Persönliche Zukunftsplanung? ........................................ 55 4.2 Die Geschichte von Ute und Martin K. ............................................................ 56 4.3 So entstand Persönliche Zukunftsplanung ...................................................... 58 4.4 „Wer bin ich?“ – Die Stärken in den Mittelpunkt! ............................................. 61 4.5 „Davon träume ich!“ – Von Träumen und Zielen ............................................. 64 4.6 „Der Weg beginnt: Schritt für Schritt dem Ziel entgegen!“ ............................... 67 4.7 Sie wollen wissen, was aus Ute K. geworden ist?........................................... 69 4.8 Übung: „Wie weiß ich, ob ich auf dem richtigen Weg bin?“ ............................. 71 4.9 Literatur ........................................................................................................... 71 Autorinnen ................................................................................................................ 73 Rückmeldebogen: Ihre Meinung ist uns wichtig! ....................................................... 74 Selbstbestimmt Leben – Das Original! ...................................................................... 76 Impressum ................................................................................................................ 79 ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 4 „...In Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderung zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können…“ Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention (Dezember 2006) Nicht zu viele Worte vorweg Liebe Leserin, lieber Leser, herzlich Willkommen im Studienhandbuch der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V.- ISL., in dem wir uns vorgenommen haben, diesen beschriebenen wertvollen Beitrag behinderter und chronisch kranker Menschen zu stärken und für alle sichtbar ans Licht zu bringen. Mit diesem Studienhandbuch haben wir ein Angebot entwickelt, das behinderte und chronisch kranke Menschen, einem kritischen und kreativen gesellschaftlichen Engagement oder einer befriedigenden Berufstätigkeit näher bringen und sie im professionellen und persönlichen Umgang mit Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen qualifizieren wird. Noch immer wird behinderten Menschen trotz bester Qualifikationen der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt, oder sie werden, sobald sie den normativen Anforderungen nicht mehr genügen, in die frühzeitige Verrentung gedrängt. Diese Vorgehensweise gilt es unbedingt zu verhindern, da sie die gesellschaftliche Aussonderung behinderter und chronisch kranker Menschen fördert. Um die fachlichen und menschlichen Potenziale behinderter ArbeitnehmerInnen für das Arbeitsleben zu sichern, gilt es hinzusehen, welche Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Behinderte und chronisch kranke Menschen haben einen Anspruch auf eine gleichberechtigte Chance, ihre beruflichen Vorstellungen zu verwirklichen. Die Basis für Chancengleichheit von behinderten Menschen im Arbeitsleben, wie sie auch in Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert wird, bildet eine effektive Wahrnehmung der eigenen Rechte, Interessen und eine realistische Einschätzung von persönlichen Fähigkeiten und Ressourcen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 5 Die derzeit modernen Anforderungen im beruflichen Alltag oder im gesellschaftlichen Engagement verlangen den Einzelnen ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität ab. Auch die Anforderungen an die sozialen Kompetenzen, wie die Kommunikationsfähigkeit, die Selbstorganisation und die Selbstdarstellung nehmen in erheblichem Maße zu. Es bedarf einer starken Persönlichkeit und Selbsterkenntnis, will man sich hinter diesen Anforderungen als Mensch noch wiederfinden, sich erfolgreich durchsetzen und Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit erlangen. Wir möchten Sie deshalb mit dem vorliegenden Angebot in Ihrer Initiative unterstützen, sich auf den Weg in Ihre eigene berufliche Zukunft zu machen. Dieses Studienhandbuch ist in vier Kapitel gegliedert, deren Inhalte von verschiedenen Mitarbeiterinnen der ISL e.V. und erfahrenen Mitstreiterinnen der Selbstbestimmt Leben Bewegung erarbeitet wurden. Wir beginnen im ersten Kapitel mit der Vorstellung einiger Modelle zu kommunikativen und gesprächstechnischen Grundlagen. Die Entwicklung des Selbstbildes wird im zweiten Kapitel anschaulich beschrieben. Dort finden sich Anregungen, das eigene Selbstbild zu überdenken und weiter zu entwickeln. Im dritten Kapitel verdeutlichen wir Ansätze, die es erleichtern, die eigenen Fähigkeiten zu erkennen und zu stärken, aber auch die eigenen Begrenzungen zu akzeptieren. Im vierten und letzten Kapitel erhalten Sie ausführliche Anregungen, Ihre eigene konkrete Zukunftsplanung in die Hand zu nehmen. Jedes Kapitel liefert Ihnen zu dem bearbeiteten Thema eine Anzahl praktischer Beispiele. Sie haben die Möglichkeit, jedes Thema zu intensivieren, indem Sie sich mit den angebotenen Übungen und Aufgaben auseinandersetzen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 6 Wir danken unseren Mitarbeiterinnen für die Erarbeitung der einzelnen Studieninhalte. Im Besonderen bedanken wir uns auch bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die uns durch ihre Förderung die Finanzierung dieses Studienhandbuches ermöglichte. Viel Freude und viel Erfolg bei der Arbeit mit diesem Studienhandbuch wünscht Ihnen im Namen des Teams der ISL e.V. Eileen Moritz ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 7 Kapitel 1: Kommunikation und Gesprächsführung Kommunikation und Gesprächsführung im Kontext der Beratung von behinderten Menschen Von Petra Stephan 1.1 Einführung: Erfahrungen mit professionellen Gesprächen Dieses Kapitel soll eine Einführung in kommunikative und gesprächstechnische Grundlagen geben, die im Beratungskontext des Peer Counseling benötigt werden. Erfahrungen mit professionellen Gesprächen begleiten behinderte Menschen vor allem aufgrund vieler Arztkontakte. Diese beziehen sich häufig auf krankheits- bzw. behinderungsbedingte Beeinträchtigungen. Diese Gespräche werden eher problemzentriert und nicht lösungsorientiert geführt. Sie dienen auch der Vermittlung von Informationen, geben Ratschläge zur Änderung von Verhaltensweisen und stellen die Autonomie und persönliche Freiheitsgrade in Frage. Sie enthalten oft eine Vielzahl von Informationen, die nicht immer leicht zu überschauen und zu verarbeiten sind. Nicht selten werden diese Gespräche autoritär und direktiv geführt. Sie verhindern allzu oft eine, die Beziehung förderliche Gesprächsgestaltung. Erfahrungen mit professionellen Gesprächen sind damit häufig negativ. Sie können auf den Umstand verweisen, 'nicht genug zu Wort gekommen' zu sein. Sie zeigen, dass zu wenig Zeit eingeräumt wurde, um persönliche Anliegen wirklich vortragen zu können. Sie belegen auch, dass auf behinderungsbedingte Sprach- und/oder Lernbesonderheiten zu wenig Rücksicht genommen wurde. Sie enthalten nicht selten entwertende Äußerungen über Persönlichkeitsanteile und private Ansichten. Nach solchen Gesprächen entsteht gefühlsmäßig großes Unbehagen im Sinne von Wut erzeugenden und hilflosen Tendenzen und nicht selten das Bedürfnis, den Kontakt als Ratsuchende/r abbrechen zu wollen. Zeitmangel, Ungeduld, vorschnelle Beurteilungen und kritische Bewertungen beeinträchtigen somit die Kommunikation und damit auch die Beziehung. In der Interaktion von GesprächspartnerInnen gibt es verschiedene Möglichkeiten, auf Äußerungen des Gegenübers zu reagieren. In Respekt vor den Ansichten des/der ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 8 Anderen und seiner/ihrer Wirklichkeitsbeschreibung sollten positive Bestätigungen den Großteil der Rückmeldungen (positive Feedbacks) ausmachen. Sie zeigen, dass der/die Gesprächspartner/in in seinen/ihren Ausführungen mit seiner/ihrer Wirklichkeit akzeptiert wird. Die Botschaft ist hier, auszudrücken, dass man den Anderen so sieht, wie er/sie sich selbst darstellt. Wenn im Gespräch Verwerfungen oder gar Entwertungen auftreten, wird mitgeteilt, dass Ansichten nicht respektiert und Wirklichkeitsbeschreibungen abgelehnt werden. Konsequentes Verwerfen und Entwerten kann als ein Kommunikationsmuster für Rivalität und Machtkampf angesehen werden. – Damit treten in vielen Gesprächen Verhaltensweisen auf, die die Entwicklung in einen positiven vertrauensbildenden kommunikativen Prozess eher verhindern. Zu den häufigsten von ihnen gehören: • Unangekündigter und häufiger Themenwechsel in einem Gespräch, • das Beenden des (Blick-) Kontaktes, • Unterbrechungen durch andere Kommunikationsmittel (Telefon) oder GesprächspartnerInnen, • vorschnelle Interpretationen ("Das kommt, weil Sie nicht genug trainiert haben.“), • Ratschläge im Sinne von Überredungen ("Sie sollten dringend Ihr Gewicht reduzieren und dass können Sie mit der XY- Methode erreichen."), • Verneinen der Gefühle ("Dabei brauchen Sie doch keine Angst zu haben.“), • Belehrungen/Moralisieren ("Sie wissen doch genauso gut, wie ich, dass man das nicht macht.") oder • Bagatellisierungen ("Das haben vor Ihnen schon andere geschafft."). Diese Verhaltensweisen können sowohl in Zweier- als auch in Gruppengesprächen auftreten. Sie zu reduzieren, muss ein wichtiges Anliegen im Streben nach verständnisvoller Interaktions- und Beziehungsgestaltung sein. 1.2 Kommunikative Regeln in der Interaktion Ruth Cohn (1912-2010), eine einflussreiche Vertreterin der Humanistischen Psychologie, gibt kommunikative Regeln an die Hand, die verdeutlichen, dass es wichtig ist, sich selbst und den anderen in einem Gespräch intensiv wahrzunehmen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 9 Gefühle und vor allem eigene seelische Spannungen sollten bei sich selbst ernst genommen und reflektiert werden. Ihre Empfehlungen in einem kommunikativen Kontext sind: • Vertritt dich selbst in deinen Aussagen. • Sage, "ich" und nicht "wir" oder "man". • Störungen durch emotionale Spannungen haben den Vorrang. - Dies bedeutet in einem Gespräch, sich besonders auf die Beziehungsebene zu konzentrieren und emotionale Konflikte zuerst zu klären, noch bevor weitere Informationen gegeben werden. • Wenn Du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. • Sei echt in deiner Kommunikation. • Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst. • Wähle aus, was du sagst und tust. • Halte dich mit Deutungen/Interpretationen so lange wie möglich zurück. • Sei auch zurückhaltend mit Verallgemeinerungen. • Achte darauf, dass nicht mehrere Personen gleichzeitig sprechen. 1.3 Modelle der Kommunikation In einem ersten Modell werden nun fünf wichtige Grundannahmen (Axiome) menschlicher Kommunikation von Paul Watzlawick (1921-2007), einem österreichischamerikanischen Kommunikationstheoretiker und Psychologen, beschrieben: Axiom 1: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ bedeutet, dass immer Signale ausgesandt werden, egal ob sie bewusst sprachlich/verbal oder unbewusst nicht sprachlich/nonverbal sind. Selbst beim bewusst eingesetztem Schweigen ("Ich rede nicht mehr mit Dir!") werden Informationen nonverbaler Art durch Gestik, Mimik, Körperhaltungen und räumlicher Nähe vermittelt. Axiom 2: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt“. Der Inhalt bezieht sich dabei auf Fakten, Daten, Sachverhalte, die sprachlich/verbal ausgedrückt werden. Im Beziehungsaspekt sind Informationen enthalten, die über die Art und Qualität der zwischenmenschlichen Interaktion von SenderIn zu EmpfängerIn Auskunft geben. Diese werden vorwiegend nicht sprachlich/nonverbal an den/die EmpfängerIn übertragen. Zu diesen nicht sprachlichen/nonverbalen Kommunikationsmitteln gehören: Körperhaltungen - Gestik - Mimik - Einsatz von ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 10 Objekten (Schmuck, Kleidung) - Düfte (Parfüm) - Zeitverhalten (Unpünktlichkeit) und Raumdistanzen zwischen den KommunikationspartnerInnen. Axiom 3: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt“. SenderIn und EmpfängerIn gliedern einen Kommunikationsablauf unterschiedlich und interpretieren so ihr eigenes Verhalten oft nur als Reaktion auf das Verhalten des anderen Partners. Kommunikation kennt keinen Anfang und kein Ende. Sie verläuft kreisförmig. "Wer hat angefangen?" oder "Von wem ging der Streit aus?" - diese "künstlichen Anfänge" sind subjektiv gesetzt und werden als Interpunktionen verstanden. Axiom 4: „Digitale Sprache“ betrifft ein System von Zeichen, Buchstaben, Zahlen, Worten, Sätzen und der Grammatik. - Sie bilden den verbalen Teil. „Analoge Sprache“ ist das Ausdrucksverhalten, das Körperzeichen, Gebärden, Tonfall der Sprache, Schrift - also die Gesamtheit nonverbaler Möglichkeiten enthält. Sie ist der ältere und umfassendere Teil der Kommunikationsformen. Während 30 Prozent der Informationen digital übermittelt werden, sind in analogen Kommunikationsmustern 70 Prozent der Information enthalten. Axiom 5: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch (gleichwertig) oder komplementär (sich ergänzend)“. Symmetrische Beziehungen zeichnen sich durch das Streben nach Gleichwertigkeit und Verminderung der Unterschiede zwischen den PartnerInnen aus. Hier besteht das Bestreben, Informationen sprachlich und nicht sprachlich übereinstimmend zu übermitteln. Komplementäre Interaktionen basieren auf ergänzenden Unterschieden. Diese können aus verschiedenen sozialen Positionen heraus bestehen, zum Beispiel das Gespräch zwischen Eltern und Kindern, zwischen ÄrztInnen und PatientInnen oder auch zwischen unterschiedlichen Generationen. Ein zweites Modell kommt von dem deutschen Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun (geb. 1944). In seine Vorstellungen von kommunikativen Prozessen werden Erkenntnisse bedeutsamer ForscherInnen, wie die von Ruth Cohn und Paul Watzlawick zusammengebracht. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 11 Als Ausgangspunkt beschreibt er vier Seiten einer Nachricht. Die Nachricht ist das "Gesamtpaket" der übermittelten Informationen mit allen sprachlichen/verbalen und nicht sprachlichen/nonverbalen Anteilen. Sie enthält viele Botschaften gleichzeitig und kann somit von den EmpfängerInnen unterschiedlich gedeutet werden. Sie vereinigt direkte (explizite) also ausdrücklich formulierte Botschaften, aber auch nicht gesagte/indirekte (implizit) vermittelte Informationen. Im Einzelnen wird unterschieden in: • Worüber wird informiert? - diese Frage belegt den Sachinhalt. • Wie stehen die PartnerInnen der Interaktion zueinander? - verweist auf die Beziehungsseite. • Was will der/die Sender/in einer Nachricht über sich preisgeben? - zeigt etwas über Gefühle, Absichten, die an den/die Empfänger/in weitergegeben werden sollen und bildet den Selbstoffenbarungsanteil. • Wozu will der Informationsgebende den/die Empfänger/in veranlassen? – stellt den Appell dar. Im Prozess der Informationsübertragung gelangt jede Nachricht bei der EmpfängerInnenperspektive in unterschiedlicher Gewichtung an vier verschiedene "Ohren". • Mit dem "Sach-Ohr" wird der Inhalt erfasst. Seitens der InformationsgeberInnen ist Einfachheit, Gliederung, Übersichtlichkeit, Kürze und Prägnanz von Fakten günstig, um Informationsverluste zu vermeiden. • Auf einen Beziehungsvorschlag seitens der NachrichtengeberInnen („BeziehungsOhr“) kann mit Akzeptieren der Botschaft, aber auch mit Zurückweisung (Verwerfen) und Ignorieren (Entwerten) als negative Reaktionen geantwortet werden. • Das "Selbstoffenbarungs-Ohr" hört, was der/die Sender/in einer Nachricht über sich selbst darstellen beziehungsweise preisgeben wollte. Nicht immer ist es einfach, zwischen Beziehungsseite ("Ich möchte nicht mit dir zusammen sein.") und Interpretationen der Selbstoffenbarungsseite ("Ich möchte über mich nach denken.") zu unterscheiden. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 12 • Bei allem was gesagt wird, überlegt der/die Empfänger/in auch, was er/sie tun soll oder tun kann, um dem Wunsch des Senders einer Nachricht zu entsprechen – hierin zeigt sich die Funktion des „Appell-Ohres“. Aus der HörerInnenperspektive können sich im Rahmen einer Gesprächsführung folgende Probleme ergeben: "Ich verstehe nicht, was der/die Andere gesagt hat.“ • Artikulationsstörungen des/der Sprechenden/Sprachbehinderungen, Schwerhörigkeit/Gehörlosigkeit: fordern auf, sich auf die Art der Artikulation bewusst und konzentriert einzustellen oder Gebärdensprachdolmetschung einzusetzen. • Eine Fremdsprache, die Fachsprache eines Wissensgebietes, ein anderer Dialekt regen an, eine Einigung über einen gemeinsamen Sprachmodus, der Informationsverluste minimiert, herbeizuführen. "Das, was ich verstanden habe, ergibt für mich keinen Sinn." • Das Verstandene deckt sich nicht mit den Erwartungen und lässt sich schwer in die eigenen Wissensbestände einordnen. Ein Lösungsversuch könnte sein, sich Sachverhalte mit Beispielen genauer darstellen zu lassen. "Mit dem Sinn des Verstandenen bin ich nicht einverstanden." • Obwohl hier die Einordnung in den eigenen Wissensbestand gelingt, gibt es zu einem oder mehreren Sachverhalten unterschiedliche Ansichten. Ein Lösungsversuch könnte das bewusste Konzentrieren auf die Sachbeziehungsweise die Inhaltsebene sein. Kommunikationsstörungen sind alltäglich. Sie werden meist durch einen persönlich emotional-humorvollen Umgang Art schnell gelöst. Schwere oder spezielle Kommunikationsstörungen entstehen auf Grund von überdauernden unterschiedlichen Anschauungen, Erwartungen, Wissensbeständen und Bedürfnissen von Seiten der InteraktionspartnerInnen. Zudem werden sie verstärkt, durch eine geringe Fähigkeit zu hören und auf den anderen eingehen zu können. Die mangelnde Kompetenz, sich in andere hineinzuversetzen, also eine geringe Empathiefähigkeit sowie die negative ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 13 Lerngeschichte zu Kommunikationsmustern aus dem früheren familiären Umfeld können dies verstärken. Um eine gute Kommunikationsfähigkeit und Gesprächskultur zu erreichen, ist es hilfreich, unter Berücksichtigung der oben aufgeführten theoretischen Annahmen, folgende Kompetenzen zu erwerben: • EmpfängerInnen- und Hörerinnenperspektive auseinander halten können, • Kommunikation als einen Prozess auffassen, • auf nonverbale Kommunikationskanäle deutlicher achten, • Rückmeldungs-Regeln (Feedback) erlernen und anwenden, • Kommunikationsstörungen im Verlauf von zwischenmenschlichen Beziehungen erkennen und ihre Ursachen aktiv reduzieren, • eine beziehungsförderliche Gesprächsführungshaltung und -technik erlernen und diese konkret umsetzen. 1.4 Die Personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers Carl Rogers (1902-1987) gehört als ein wichtiger Vertreter der Humanistischen Psychologie zu den Anhängern einer Persönlichkeitstheorie, die die Einzigartigkeit eines Menschen betont. Einer seiner Grundgedanken ist, dass der Mensch an sich gut sei und nach Selbstverwirklichung strebt. Die in unserer Kindheit und Jugend erlebten Wahrnehmungen, Erlebnisse und Gefühle führen zu einem individuellen Selbstkonzept, das sowohl positive als auch negative Elemente enthält. Das Selbstkonzept besteht aus dem Idealbild und dem Realbild. Im Idealbild verbergen sich gesellschaftlichen Erwartungen an Fähigkeiten und auch Persönlichkeitseigenschaften. Im Realbild verbergen sich die Anschauungen über tatsächliche Eigenschaften und Fähigkeiten eines Menschen. Wenn Ideal- und Realbild weitgehend übereinstimmen, dann fühlt sich ein Mensch seelisch gesund und hat einen angemessenen Weg seiner Selbstverwirklichung einschlagen können. Je größer jedoch die Diskrepanz zwischen Ideal- und Realbild ist, um so eher sind im Erleben eines Menschen Gefühle von Minderwertigkeit, innerer Anspannung und seelischer Beeinträchtigung wahrscheinlich. Um diesem Personenkreis Unterstützung zukommen zu lassen, empfiehlt Rogers eine personenzentrierte Gesprächspsychotherapie. Er begründete drei wesentliche Basisverhaltensweisen für ein Rat gebendes beziehungsweise therapeutisches Vorgehen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 14 Diese sind auch Grundlage der Peer-Beratung: • Positive Wertschätzung und Akzeptanz nehmen den/die Ratsuchende/n in seiner/ihrer Einzigartigkeit wahr, begegnen ihm/ihr mit Respekt und Achtung und verhindern eine (Be)Wertung von Erlebens- und Verhaltensweisen. • Echtheit und Selbstkongruenz auf Seiten des/der Beraters/Beraterin tragen dazu bei, offen und echt zu kommunizieren. Verbale Sachinhalte müssen daher mit nonverbalen Verhaltensweisen in Gestik, Mimik, Tonfall und Körpersprache übereinstimmen. • Empathie oder einfühlendes Verstehen zeigt, dass der/die Ratgebende in der Lage ist, Gedanken, Gefühle, Sorgen und Wünsche des/der Ratsuchenden so wahrzunehmen, dass diese/r sich verstanden fühlt und dieses Verstehen auch selbst wahrnehmen kann. Beispiel: Ein Gespräch zwischen Mutter und 16jähriger Tochter kurz vor dem Abendessen mit direktiver Gesprächsführung Mutter: Das Essen ist fertig! Tochter: Ich esse heute nicht. Mutter: Komm, in deinem Alter musst du was essen, du bist schon so dünn. (Anweisung, Bewertung) Tochter: Ich bin aber noch satt vom Mittagessen. Mutter: Dann komm’ wenigstens an den Tisch, vielleicht bekommst du dann Appetit, wenn du mein vorbereitetes Essen siehst. (Vorschläge machen, Überreden wollen) Tochter: Ich bin sicher, ich esse nicht. Ich hab doch gesagt, dass ich keinen Hunger habe. Mutter: Setz’ dich bitte jetzt an den Tisch, dein Vater wartet schon und deine Geschwister sind auch nicht so zickig. (Befehlen, Moralisieren) Tochter: Nein, ich will nicht, - ach, lass mich doch in Ruhe! Eine mögliche eher nondirektive Gesprächsvariante zur gleichen Alltagssituation: Mutter: Das Essen ist fertig! Tochter: Ich esse heute nicht. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 15 Mutter: Wie kommt das? Ist dir jetzt noch nicht zum Essen zu mute? (vorsichtiges Erkunden nach den Ursachen; beschreiben eines vermuteten Gefühlszustandes) Tochter: Nein, ich habe Magendrücken und keinen Appetit. Mutter: Kann es sein, dass du abgespannt bist? (Empathie zeigen für den gegenwärtigen Zustand der Tochter, weiterer Wunsch nach Klärung mit Ursache bezogener Frage) Tochter: Abgespannt, ja so kann man es nennen, müde und ich befürchte Schlimmes. Mutter: Was meinst du mit ‚Schlimmes’? (Durch Beschreiben lassen eines allgemeinen Gemütszustandes kommt es zur Annäherung an den Grund für die Verweigerung der Tochter) Tochter: Tom (Freund der Tochter) rief vorhin an und will mich unbedingt heute noch sprechen, es klang ziemlich dringend und ernst. Mutter: Du hast das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmt? (vorsichtiges Nachfragen) Tochter: Ja. ich fürchte, er will mit mir Schluss machen. Mutter: Da kann ich mir vorstellen, dass dir der Appetit vergangen ist; - das muss schlimm für dich sein. (Beschreibung des gefühlsmäßigen Zustandes; Empathie zeigen) Tochter: Schlimm ist gar kein Ausdruck… wenn es so kommt, denke ich, hat das was mit Susi (Mitschülerin der Tochter) zu tun. (Offenlegen der eigenen Vermutungen) Mutter: Du befürchtest, dass er Schluss machen könnte, weil er mit Susi was angefangen hat? (empathisches Ansprechen vom Gefühl der Angst bzw. der Befürchtung) Tochter: Ja, die kriegt doch jeden rum. Die lacht viel, ist immer gut drauf und entspannt, - ich kann das einfach nicht. (Vertiefung ihrer eigenen Begründungen und der daraus folgenden Schlüsse auf eigenes Verhalten) Mutter: Du möchtest dich auch so unbefangen geben können. (erneute emotionalen Einschätzung) ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 16 Tochter: Ja, aber immer nehme ich alles zu ernst. Ich habe Angst, ich könnte blöde rüber kommen – aber jetzt ich will erstmal mit Tom sprechen. Ich erzähl dir später davon. Non-direktive Gesprächstechniken zeigen auf, dass die Basisverhaltensweisen gut unterstützt werden können durch: • Aktives Zuhören bedeutet: offene Fragen stellen, Zeit geben zum Antworten, mit Worten Mitteilungen bestätigen ("hm, „ja“), Blickkontakt halten, mit Gesten Mitteilungen bestätigen (nicken), • Spiegeln oder Paraphrasieren heißt: Äußerungen des/der Ratsuchenden werden sinngemäß (nicht echohaft) wiederholt, sie vermitteln damit, dass konzentriert zugehört wurde. • Verbalisieren emotionaler Inhalte bedeutet, das Erfassen der momentanen inneren Welt, Gefühlsbegriffe zu spiegeln ("Sie befürchten ...,"/ "Es geht Ihnen gerade sehr schlecht".), diese Gefühle genau zu beschreiben ("Sie erleben jetzt wieder diese Angst, wie vor Monaten."), bildhafte Vergleiche zu bringen ("Sie fühlen sich wie ein Hamster im Rad."). Zusätzlich kann durch die Mitteilung eigener Gefühle, gezieltes Nachfragen, Reflexion des Gesprächsverlaufs und zusammenhängende Rückmeldungen dieser Prozess verstärkt werden. Das reale Üben von Einzel- und/oder Gruppengesprächen (auch unter Supervision) stellt eine wichtige Methode des Erlernens einer hilfreichen, beziehungsförderlichen und effektiv-lösungsorientierten Gesprächsführung und Verhandlungstechnik dar. Rollenspiele bilden dabei einen methodischen Zugang, um theoretische Grundlagen der Gesprächstechniken auszuprobieren und in ihren Effekten kontrolliert zu ändern und zu verbessern. Auszüge aus einem eher negativen Beratungsbeispiel: B Guten Tag, Herr M.! Schön, dass Sie nach meiner Beschreibung am Telefon den Weg hierher gefunden haben. RS Ja, dass war ganz schön anstrengend und umständlich. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 17 B Sie hatten mir ja schon am Telefon erzählt, dass Sie eine Reihe von Problemen haben. Wie kann ich mir diese vorstellen? RS Meine Frau schickt mich ja zu Ihnen, weil ich mich mal neu orientieren soll. Sie findet mich zu passiv. B Was denken Sie denn, was Sie jetzt nach dem Unfall noch machen können? RS Eigentlich gar nichts mehr. Sie sehen ja, dass ich im Rollstuhl bin und nun nur noch Hilfe brauche. B Wo brauchen Sie denn die Hilfe und wer hilft Ihnen denn jetzt? RS Ja, erst war ich ja über Monate in der Reha und dann hat meine Frau acht Wochen unbezahlten Urlaub genommen, aber mehr ging nicht, denn sie ist ja jetzt die Einzige, die was verdient. B Na, da kann ich Ihnen gleich mal sagen, dass Ihnen für ihre Pflege Assistenz zu steht; - es gibt nämlich jetzt in Ihrem Fall das Persönliche Budget. RS Das habe ich ja noch nie gehört und mir wäre auch lieber, ich könnte wieder arbeiten und mein eigenes Geld verdienen. B Na, dass geht ja nun mal nicht mehr, dass wird man Ihnen in der Reha sicher gesagt haben und sehen Sie, dass war bei mir damals genauso, als ich meinen Unfall hatte. Alles musste ich mir damals allein organisieren, einen Schwerbehindertenausweis, das Pflegegeld und die Assistenten für meinen Haushalt und meine Pflege - dass braucht seine Zeit und da müssen Sie viel Geduld haben. RS Oh, das ist ja viel, dass schaffe ich ja gar nicht. B Na, dafür sind wir ja da, wir helfen Ihnen schon. Jetzt gehen wir einmal alles durch und stellen Anträge. Auszüge aus einem eher positiven Beratungsbeispiel: B Guten Tag, Herr M.! Schön, dass Sie nach meiner Beschreibung am Telefon den Weg hierher gefunden haben. RS Ja, dass war ganz schön anstrengend und umständlich. B Wie sind Sie denn hier her gekommen? RS Ich habe mich mit einem Taxi herbringen lassen, aber der ist ganz schön schnell gefahren und dass war doch sehr ungewohnt für mich und eben doch ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 18 anstrengend und dann hat er nicht gleich den Eingang zu Ihrer Beratungsstelle gefunden. B Ja, Sie hatten mir ja am Telefon gesagt, dass Sie noch nicht lange im Rollstuhl sind und das ist sicher für Sie noch sehr ungewohnt mit all den organisatorischen Neuheiten. Wie sind Sie eigentlich auf unsere Beratungsstelle gekommen? RS Meine Frau hat im Internet nach Selbsthilfegruppen gesucht und ist auf Ihre Seite gekommen und dann hat sie gesagt, ich soll mich mal bei Ihnen melden, denn ich bin ihr zu passiv. - Ich soll mich mal neu orientieren, vor allem wegen Pflegegeld. B Was meint denn Ihre Frau damit, wenn sie sagt, dass Sie zu passiv sind? RS Na ja, eigentlich verbringe ich den ganzen Tag am Fernseher, machen kann ich ja auch nichts mehr, - früher, da habe ich ihr vieles abgenommen, aber jetzt, wie soll das gehen ... B Es geht Ihnen nicht gut damit, dass Sie jetzt ihre Frau nicht mehr unterstützen können. Was glauben Sie, sollte sich in nächster Zeit am dringendsten ändern? RS Ich muss sie mehr von meiner Pflege entlasten und es wäre gut, wenn wir im Haushalt eine Hilfe hätten. B Herr M., weil Sie nun von ihrer häuslichen Situation sprechen, möchte ich mir gern ein Bild darüber machen, wie Ihre Frau und Sie mit der neuen Lebenslage zurechtkommen. Wie war das nach Ihrem Unfall? RS Ja, erst war ich ja über Monate in der Reha und dann hat meine Frau acht Wochen unbezahlten Urlaub genommen, - aber mehr ging nicht, denn sie ist ja jetzt die Einzige, die was verdient. B Hm, - Sie haben ja durch Ihren Unfall auch ihre Arbeit verloren und nun ist es sicher schwer, damit zu leben, nicht mehr so richtig zum Unterhalt der Familie beitragen zu können. RS Ja, - das mit der Arbeit, dass habe ich schon geschluckt, aber meine Abhängigkeit von Hilfe und dass alles an meiner Frau hängt, dass ist schon bitter. B Wenn Sie das so sagen, dann spüre ich, wie traurig es Sie macht, so abhängig zu sein und so gar keinen rechten Weg zu sehen. RS Das stimmt, - aber wie soll das weitergehen? B Ich möchte Ihnen jetzt vorschlagen, dass wir gemeinsam einmal anhand Ihres ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 19 Tagesablaufes festhalten, bei welchen täglichen Verrichtungen Sie Hilfe brauchen. RS Ja, dass können wir machen. (Stellen jetzt einen Pflegeplan auf.) B Nun, ich kann Sie unterstützen, einen Antrag auf Pflegegeld aus der Pflegeversicherung zu stellen. Nach meiner Einschätzung sollten Sie wenigstens Pflegestufe II bekommen, wenn dies nicht der Fall ist, dann ist ein Widerspruch einzulegen - auch hier können wir Ihnen Hilfe anbieten. Mit diesem Pflegegeld könnten Sie sich eine Haushalthilfe bezahlen, die Ihre Frau entlasten könnte. RS Oh, das muss ich aber wirklich mit meiner Frau besprechen, - ich bin nicht sicher, ob sie das will. B Es ist sicher eine Umstellung, wenn Sie beide eine fremde Person in Ihrem Haushalt arbeiten lassen und es kann natürlich auch nur eine Entscheidung von Ihnen beiden sein. - B= BeraterIn; RS = Ratsuchender 1.5 Übungen 1.5.1 Übung zur Wertschätzung von Personen: Stellen Sie sich Personen Ihres/Ihrer • Verwandtenkreises • Freundeskreises • Nachbarschaft • Arbeitsumfeldes oder der • Öffentlichkeit (PolitikerInnen, SchauspielerInnen etc.) vor. Schreiben Sie zunächst Namen zu diesen Personengruppen auf. Gehen Sie der Frage nach, wie viel oder wie wenig Wertschätzung diese Personen von Ihrer Seite genießen. Begründen Sie dies mit den Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Tauschen Sie bei Möglichkeit Ihre Erfahrungen zu diesem Sachverhalt mit anderen Personen aus. 1.5.2. Fragebogen zu Akzeptanz und Wertschätzung (in Anlehnung: W. Weber/1996) Schätzen Sie zwischen den Polen auf einer Skala von 1 bis 5 Ihre gegenwärtige Haltung zu Akzeptanz und Wertschätzung ein. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 20 Dabei bedeutet 1 : Ich habe eine sehr geringe Wertschätzung und Akzeptanz dem Gesprächspartner gegenüber und 5 : Ich habe eine sehr hohe Wertschätzung und Akzeptanz dem Gesprächspartner gegenüber. Gesprächs- Eigenschaften Werte partner 1 Die sich egoistisch verhalten 2 Die sich weitgehend selbstlos und altruistisch verhalten 3 Die schön aussehen und damit Erfolg haben 4 Die immerzu heiter und lustig sind 5 Die Ärger und Wut laut äußern 6 Die fest an eine Religion glauben 7 Die politisch "rechts" stehen 8 Die politisch "links" stehen 9 Die sich "sexuelle Freiheiten" erlauben 10 Die "sexuelle Freiheiten" entschieden ablehnen 11 Die viel Reden und sich öfter wiederholen, in dem was sie sagen 12 Die zu den großen "Schweigern" gehören 13 Die dominieren wollen 14 Die Gefühle (Angst, Trauer) zeigen können 15 Die vorwiegend rational und "cool" sind ....... Sie können an dieser Stelle die Liste mit eigenen Beispielen ergänzen, um sich ein Bild über Ihre gegenwärtige Fähigkeit zu "Wertschätzung und Akzeptanz" auf diese Weise zu machen. Gehen Sie jetzt den Gründen für besonders für Ihre Vorbehalte nach. 1.5.3. Wahrnehmung eigener Erlebnisinhalte Sie versuchen, einem guten Freund etwas Wichtiges zu erzählen. Sie merken, er hört Ihnen nicht richtig zu. • ISL e.V. Was erleben Sie? Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 21 Sie bekommen von Ihrem Vorgesetzten den Auftrag, zu einem bestimmten Thema, einen Vortrag zu halten. Wegen der Vorbereitungen müssen Sie andere Arbeiten liegen lassen. • Was erleben Sie? Eine Freundin sagt Ihnen, dass sie etwas ganz Wichtiges mit Ihnen zu besprechen habe. Sie beginnt mit der Erzählung und plötzlich stockt sie und sagt, das möchte ich Dir lieber nicht erzählen. • Was erleben Sie? Sie müssen einem/r Mitarbeiter/in oder Mitglied des Vereins sagen, dass er/sie unzuverlässig ist, weil er/sie ständig zu spät kommt. • Was erleben Sie? Sie haben den Eindruck, dass sich in einer Diskussion jemand ständig in den Vordergrund spielt. • Was erleben Sie? 1.5.4. Übungen zum Paraphrasieren (Umschreibungen) Ein Beispiel: "Ich denke immer, andere blicken auf mich herab." Wenig einfühlsame Antwort: • Das geht vielen anderen auch so, da gewöhnt man sich dran. (bagatellisierend) • Das stimmt doch gar nicht, das siehst du falsch. (entwertend/belehrend) • Nimm' das nicht so schwer, achte da gar nicht drauf (Ratschlag, der die emotionale Seite vollständig vernachlässigt). Mögliche einfühlsame Antworten: • Du fühlst dich von oben herab behandelt. • Du möchtest gern ernst genommen werden. Geben Sie bitte jetzt Antworten auf diese Äußerungen: "Ich kann eben mit niemandem so richtig darüber sprechen". • Welche Gefühle entdecken Sie in dieser Äußerung? Ihre einfühlsame Antwort: ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 22 "Damit muss ich ganz allein fertig werden". • Welche Gefühle entdecken Sie in dieser Äußerung? Ihre einfühlsame Antwort: "Sie haben gut reden, sie sind ja nicht so behindert und haben diesen Assistenzbedarf nicht". • Welche Gefühle entdecken Sie in dieser Äußerung? Ihre einfühlsame Antwort: "Damit muss jeder allein fertig werden, jeder von uns". • Welche Gefühle entdecken Sie in dieser Äußerung? Ihre einfühlsame Antwort: 1.5.5. Übungen zum "Schweigen" als nonverbales Kommunikationsmittel Versuchen Sie mit der Beantwortung dieser Fragen, dem Thema "Schweigen" im Gespräch näher zu kommen. Wenn Sie sich in einem Gespräch zum "Schweigen" entscheiden, was hat dies ausgelöst? Wenn in Gesprächen von Seiten des/der Ratsuchenden plötzlich "Schweigen" auftritt, wie fühlen sie sich dann als Ratgebende/r? In welchen Situationen fördert "Schweigen" ihrerseits das Gespräch? In welchen Situationen hemmt "Schweigen" den Gesprächsverlauf? 1.5.6. Übungen zur Echtheit und Selbstkongruenz: Wenn Sie in einem Gespräch Ärger fühlen, • wie drücken Sie diesen nicht sprachlich/nonverbal aus? • wie sprechen Sie Ihr Gefühl normalerweise aus? Wenn jemand etwas Verletzendes zu Ihnen sagt, • wie drücken Sie dies nicht sprachlich/nonverbal aus? • wie sprechen Sie Ihr Gefühl normalerweise aus? ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 23 Wenn Sie Sympathie für den Gesprächspartner/in spüren, • wie drücken Sie diesen nicht sprachlich/nonverbal aus? • wie sprechen Sie Ihr Gefühl normalerweise aus? 1.6 Aufgaben Fassen Sie bedeutsame Kommunikationsthesen von P. Watzlawick mit eigenen Worten zusammen! Welche nonverbalen Kommunikationsmittel kennen Sie? Was sind die 4 Seiten einer Nachricht nach Schulz von Thun? Welche Verhaltensweisen eines Beraters unterstützen eine beziehungsförderliche Gesprächsführung? Mit welchen Gesprächstechniken können Sie erreichen, dass ein/e Ratsuchende/r viel von sich preisgibt? Was kann einen Gesprächsablauf hemmen und den Beziehungsaufbau zum/zur Ratsuchenden stören? ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 24 1.7 Literatur und Fremdwörterverzeichnis Literatur Bachmair, S. (1989): Beraten will gelernt sein. Cohn, R. (1975): Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Petzold, H., Räth, A., Stephan, P. (1998): Skripte "Medizinische Psychologie" Watzlawick, P., Beavin, J.H., Jackson, D.D. (1996): Menschliche Kommunikation. Weber, W.(1996): Wege zum helfenden Gespräch. (11. Auflage) Fremdwörterverzeichnis Axiom wissenschaftliche Grundannahme zur Erklärung von Sachverhalten Akzeptanz Annahme, Bejahen, zustimmendes Werturteil bezogen auf andere Personen direktiv Richtung gebend mit Empfehlungen, Ratschlägen, und Aufforderungen arbeitend nondirektiv Verzicht auf eine richtunggebende Anweisung, Empfehlung oder Ratschläge Selbstkongruenz Echtheit, Wahrhaftigkeit, Übereinstimmung von innerem Befinden und äußerem Verhalten innerhalb einer Person Supervision Form der Beratung von Einzelpersonen oder Gruppen mit dem Ziel, dass Erlebens- und Verhaltensweisen in ihrer Bedeutung geklärt werden ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 25 Kapitel 2: Mein Selbstbild Mein Selbstbild als Mensch mit Behinderung und chronischer Erkrankung von Tina Jahns „Woher weiß ich, wer ich bin - und wer ist überhaupt "Ich"?“ Richard David Precht 2.1 Einführung: Uns selbst kennen(lernen) In diesem Kapitel werden wir genau dieser Frage „ …und wer ist überhaupt „Ich“?“ nachgehen. Denn schon Richard David Precht, ein deutscher Geisteswissen-schaftler, sagt: „Fragen zu stellen; sei eine wichtige Fähigkeit, die man nie verlernen sollte.“ Wir werden also auch fragen! Wir werden uns mit einer ganz essentiellen Frage auseinandersetzen, mit der Frage nach dem Selbst: Wer bin ich? Diese Frage haben Sie sich vielleicht auch schon gestellt. Möglicherweise in Krisen, Übergangszeiten, Zeiten der Veränderung und des Wandels. Typisch sind Fragen zur eigenen Person auch bei Vorstellungsgesprächen. Es geht darum, ob Sie fachlich und persönlich geeignet sind, eine bestimmte Position in einem Unternehmen auszufüllen. Interessant und zugleich schwierig sind Fragen zu beantworten, die sich um die eigene Persönlichkeit drehen. In jedem Fall kann die Antwort auf unser Selbst, unsere Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten, unserem Wert jeder von uns nur sich selbst geben. Um die Antwort zu finden, müssen wir uns selbst kennen(lernen). Wir müssen wissen, wer wir sind und was wir sind. Was wir wollen und was wir können. Was wir erhoffen und was wir fürchten. Wir müssen uns unser Selbst bewusst machen. Nur so stoßen wir auf ein ganz bestimmtes Bild von uns – nämlich auf unser Selbstbild. Die Entwicklung eines positiven Selbstbildes wird vielen Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung auf Grund negativer Erfahrungen und negativer Reaktionen aus dem persönlichen Umfeld erschwert. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 26 Ein positives Selbstbild ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für ein aktives, selbstbestimmtes und glückliches Leben. Mit einem positiven Selbstbild steigert sich das persönliche Wohlbefinden und somit das gesamte Auftreten. Wie man zu solch einem positiven Selbstbild gelangt, möchte ich gegen Ende des Kapitels erörtern. Zuvor möchte ich Ihnen, nach einem Fallbeispiel, die theoretischen Gedankenansätze zum Selbstbild näherbringen. Ich beziehe mich dabei nicht ausschließlich auf ein theoretisches Konzept, sondern ich möchte Ihnen eine Melange aus den unterschiedlichsten Denkrichtungen darbieten. Auf diesem Weg versuche ich, Ihnen ein möglichst ganzheitliches und breit gefächertes Wissen zu vermitteln. Diese Theorie wird mit lebensnahen Beispielen verdeutlicht werden. Ich möchte Ihnen verständlich machen, welche theoretischen Gedanken hinter dem Begriff Selbstbild stehen um Sie dahingehend zu befähigen, sich Klarheit über Ihr eigenes Selbstbild zu verschaffen. Die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst ist Voraussetzung für den Erfolg bei Bewerbungen und im späteren Berufsalltag. 2.2 Wer ist Klaus Unklar? Welche Konsequenzen ein negatives beziehungsweise ein undefiniertes Selbstbild auf verschiedene Lebensbereiche hat, zeigt das folgende Beispiel: Klaus Unklar ist 37Jahre alt und von Geburt an behindert. Er lebt in einer eigenen Wohnung mit Assistenz. Aktuell bewirbt sich bei Ihm eine junge Frau als Assistentin. Während des Gespräches vermeidet Klaus Unklar jeden Blickkontakt, weil er sich für seine Behinderung schämt, vor allem aber vor der jungen Frau. Nur leise und zögerlich antwortet er auf die Fragen der Bewerberin, die sich gerne ein genaueres Bild von ihrem Gegenüber und dem angebotenen Arbeitsplatz machen möchte. Seine wortkargen Äußerungen empfindet die junge Frau als arrogantes Gehabe. Letztendlich nimmt sie die Stelle bei ihm nicht an. - Am nachfolgenden Nachmittag hat Klaus Unklar ein Vorstellungsgespräch in einem Büro und bewirbt sich dort als Verwaltungsfachangestellter. Seine Zeugnisse sind hervorragend, die Bewerbungsunterlagen perfekt zusammengestellt und er hat auch eine optimale Beurteilung seiner vorherigen Arbeitsstelle erhalten. Auch hier tritt Klaus Unklar sehr verhalten und schüchtern auf. Auf die Frage nach seiner Motivation findet er keine Antwort. Sein eventueller Arbeitgeber möchte wissen, welche Ansprüche er behinderungsbedingt an seinen Arbeitsplatz hat. Klaus Unklar traut sich nicht zu ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 27 sagen, dass er eine spezielle Tastatur und Maus für seinen Computer benötigt. Die Nachfrage nach seinen Stärken beantwortet er mit seiner Tierliebe und seinen Kochkünsten. Aufgrund seiner mangelhaften Selbstdarstellung erhält Klaus Unklar trotz seiner hohen Qualifikation keine Zusage für diese Arbeit. - Er begegnet auf dem Weg nach Hause einem guten Freund, der gemeinsam mit einigen anderen Männern unterwegs ist. Der Freund von ihm schlägt einen Besuch in einen nahegelegenen Biergarten vor. Aber Klaus Unklar lehnt das Angebot ab, da er die anderen Männer nicht kennt und er denkt, er würde die Gruppe aufgrund seiner langsamen Fortbewegung mit dem Rollstuhl nur aufhalten. Enttäuscht verabschieden sich die anderen und Klaus Unklar fühlt sich wieder einmal abgelehnt. Die Welt ist einfach ungerecht! 2.3 Theoretische Grundlagen: Du bist der, für den du dich hältst! Am Anfang einer jeden Theorie steht die Definition des zu behandelnden Themas. In unserem Fall beleuchten wir den Begriff Selbstbild: Das Selbstbild bezeichnet die individuelle Vorstellung, die ein Mensch von sich selbst hat beziehungsweise macht. Es umfasst die Wahrnehmung und das Wissen um die eigene Person. Dazu gehören Kenntnisse über Eigenschaften, Fähigkeiten, Gedanken und Gefühle. Persönliche Stärken und Schwächen fließen ebenso in das Verständnis des Selbstbildes mit ein. Dieses Bild kann mehr oder weniger mit der Realität übereinstimmen. Auch das Wunschbild oder Idealbild eines Menschen zählt zum Selbstbild, also „wie und was würde ich gerne sein“. Das Wunschbild ist dementsprechend der Maßstab des Selbstbildes. Die Annäherung von Selbstbild und Wunschbild ist eine grundlegende Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit, die psychische Gesundheit und die Basis zum angemessenen Umgang mit Mitmenschen. Je besser das Wunschbild mit dem Selbstbild übereinstimmt, desto zufriedener können wir uns schätzen. Eine völlige Übereinstimmung könnte sich als perspektivlos äußern, da es ja scheinbar keine Ziele mehr zu erreichen gibt. Das Selbstbild beruht auf der Selbstwahrnehmung und steht im direkten Gegensatz zum Fremdbild. Dieses Fremdbild entsteht beim jeweiligen Gegenüber durch die Außenwirkung eines Menschen und ist entscheidend dafür, wie jemand bei diesem ankommt (auf das Fremdbild wird im Folgenden noch näher eingegangen). ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 28 Je klarer das Selbstbild ist, und je besser dieses mit dem Fremdbild übereinstimmt, desto klarer kann der Unterschied zum eigenen Wunschbild gesehen werden. Das Selbstbild beeinflusst die Art und Weise, wie man sich gibt und wirkt sich auf das eigene Selbstwertgefühl stark aus. Habe ich ein durchaus positives Gefühl bezüglich meiner Person, steigert dies automatisch meinen Selbstwert, also schätze ich mich als Mensch. Die wichtigsten Bestandteile des Selbstbildes setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen: Wer bin ich? (Name, Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf ...) Wie bewerte und sehe ich meinen Körper? Welche Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten habe ich? Welche Bedürfnisse habe ich? Welche Wünsche und Ziele habe ich? Welche Wertvorstellungen habe ich? Welche Erfahrungen habe ich bisher in meinem Leben gemacht? Welchen Besitz habe ich? Welche Beziehungen habe ich? Wie schätze ich diese ein? Welche Interessen habe ich? An dieser Stelle empfehle ich, diese Fragen in einem ruhigen Moment für sich zu beantworten. Das Synonym zum Selbstbild ist Selbstkonzept. Rogers und Watzlawick haben durch die Weiterentwicklung der Individualpsychologie den Begriff Selbstbild erst eingeführt. Besonders Carl Ramson Rogers (1902 - 1987) sei an dieser Stelle hervorzuheben. Rogers war Psychologe und Psychiater und entwickelte ein neues psychotherapeutisches Verfahren und die Gesprächspsychotherapie. In seinen therapeutischen Arbeiten steht immer der/die Klient/in im Zentrum, der/die die Lösung seiner/ihrer Probleme bereits in sich trägt. Nach seiner Auffassung ist es die Aufgabe des Therapeuten, den Klienten durch gezielte Fragen auf diese Lösung zu bringen (vgl. dazu auch Punkt 1.4 in Kapitel 1). ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 29 Eine erste Zusammenfassung: das Selbstbild ist die Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit. Demgegenüber steht das Fremdbild, so wie ich von außen wahrgenommen werde. Das Wunschbild ist das Ziel und zugleich die Motivation. Das Selbstbild bedingt den Selbstwert. Soviel zu den grundlegenden theoretischen Gedanken. Im Folgenden wird die Entstehung des jeweiligen Selbstbildes genauer betrachtet. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass jedes Individuum ein völlig anderes Verständnis und folglich auch Empfinden zur eigenen Person in sich trägt. Somit wiegen auch die einzelnen Faktoren zur Entstehung des Selbstbildes bei jedem Menschen unterschiedlich. 2.4 Zur Entwicklung des Selbstbildes Groß angelegte Studien haben gezeigt, wie bedeutend der Einfluss des elterlichen Erziehungsverhaltens auf die Entstehung des kindlichen Selbstbildes ist. Durch Erlebnisse und Erfahrungen in der Kindheit, vor allem in den ersten sieben Lebensjahren, wird der Grundstein für das Selbstbild gelegt. Alle Stärken, Beziehungen und Erfolge, aber auch Fehler, Verletzungen und Niederlagen formen das Selbstbild. Besonders in dieser prägenden Phase des Lebens besteht noch keine gefestigte Meinung zur eigenen Person. So ist man als Kind für alle äußeren Einflüsse sehr empfänglich und nimmt die Meinungen von Eltern, ErzieherInnen, Gleichaltrigen etc. über sich als richtig an. Im Grunde genommen ist hinsichtlich dieser Überlegungen das Selbstbild also ein Fremdbild, das man nicht freiwillig gewählt, sondern einfach nur übernommen und als richtig erachtet hat. Leider neigt der Mensch dazu, dieses über die Jahre hinweg bis in die Gegenwart beizubehalten, ohne es auf seine Richtigkeit beziehungsweise Aktualität hin zu überprüfen. Auch persönliche Erfahrungen nach diesen ersten sieben Lebensjahren prägen die eigene Vorstellung über sich selbst, das heißt, alle Lebenserfahrungen, die wir gesammelt haben, fließen in unser Selbstbild mit ein. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 30 Neben diesen Erfahrungen entsteht das Selbstbild auch durch die Selbstwahrnehmung der eigenen Erlebnisse und des eigenen Handelns. Alle unsere bisherigen Erfahrungen nehmen wir natürlicherweise wahr und bewerten diese automatisch. Durch diese Bewertung wird unser Selbstbild zukünftig geprägt. Haben wir beispielsweise erfahren, wie gut wir Vorträge halten können, wird es uns in Zukunft nicht mehr schwerfallen, derartige Aufgaben zu erfüllen. Die verschiedenen Formen der Beurteilung durch andere Personen (zum Beispiel durch Lob und Tadel) sind ebenso Elemente des Selbstbildes und verstärken somit die eigene Selbstwahrnehmung. In unserem Beispiel würde dies bedeuten, dass wir von Kollegen für unseren Vortrag gelobt worden sind. Genauer betrachtet setzt sich das Selbstbild aus drei Dimensionen zusammen: Die erste Dimension umfasst die kognitiven Elemente, das sind die Vorstellungen von den eigenen Eigenschaften und dem eigenen Wesen. Dazu gehört die Selbstwahrnehmung der eigenen Person, die biographisch und durch die verschiedenen Erfahrungen im Lebenslauf geprägt ist. Auch das Wissen um den eigenen Charakter, die eigenen Werte, Ideale und Wünsche, Talente und Begabungen, den erreichten sozialen Status, sowie den eigenen Körper und dessen Wirkung auf Dritte bedingen die kognitiven Elemente. Zur zweiten Dimension zählen die emotional-affektiven Elemente, die Selbstliebe und Antrieb beschreiben. Die wertenden Elemente gehören zur dritten Dimension und beinhalten Selbsteinschätzung sowie die Einstellung zur eigenen Persönlichkeit. Das Selbstbild ist immer mit emotional-affektiven Elementen sowie wertenden Elementen verknüpft, sofern ein Mensch sich selbst aufgrund seiner Selbstwahrnehmung ein gewisses Maß an Selbstliebe und Selbstachtung entgegenbringt. Darüber hinaus ist die Fähigkeit zur Selbstkritik nötig. Die emotionale und rationale Einstellung zur eigenen Person wirkt sich auf das eigene Handeln und die eigene Motivation und damit wiederum auf das Selbstbild aus. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 31 2.5 Denkanstöße für ein Selbstbild Nachdem die Entstehung des Selbstbildes samt dessen Dimensionen näher beleuchtet wurde, werden wir uns nun mit den konkreten Auswirkungen eines positiven, beziehungsweise negativen Selbstbildes beschäftigen. Gleichzeitig möchte ich Denkanstöße für ein eigenes, gesundes Selbstbild anbieten. Wenn wir unsere Ansicht uns gegenüber verändern, also die Art und Weise, wie wir uns selber sehen, verändert dies auch unser eigenes, persönliches Selbstwertgefühl. Unsere Zufriedenheit und Persönlichkeit wird von unserem Selbstbild bestimmt, aber auch die Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Habe ich beispielsweise ein positives Selbstbild, bin ich mit meinem individuellen Wesen einverstanden und wirke somit automatisch optimistisch auf mein Gegenüber. Indem wir uns in unserer Ganzheitlichkeit annehmen, das heißt mit all unseren Stärken und Schwächen, müssen wir keine Gedanken über die eigene Wirkung hegen. Hier ist die Rede von der sogenannten Eigenliebe, die wichtigste und längste Beziehung in unserem Leben, die liebevolle Bindung zu uns selbst. Das soll jedoch nicht heißen, dass wir uns für etwas Besseres halten sollen. Vielmehr sind wir mit uns im Einklang, diese Zufriedenheit spiegelt sich in unserem Gesicht und unserem ganzen Wesen wieder. Durch diese innere Einstellung haben wir eine anziehende Ausstrahlung. Fassen wir also zusammen: unser Selbstbild entscheidet über unser Selbstwertgefühl. Verfügen wir über ein positives Selbstbild, so wirkt sich dieses auf unser Selbstwertgefühl aus. Im Umkehrschluss heißt das: ein negatives Selbstbild führt zu Minderwertigkeitsgefühlen. So ist auch verständlich, wie sich dieses negative Selbstbild auf unser Selbstvertrauen überträgt. Fühlen wir uns als „wertlos“, so können wir auch nicht selbstsicher auftreten. Hemmungen, soziale Ängste und seelische Probleme sind oftmals die Folge. Unser Selbstbild entscheidet darüber, was wir erreichen können und zu was wir fähig sind. Man nennt dies auch die-sich-selbsterfüllendeProphezeiung. Wenn wir uns zum Beispiel als „Versager“ sehen, so finden wir immer wieder neue Wege und Möglichkeiten zu versagen. Dieser Vorgang läuft nicht bewusst, sondern in unserem Unterbewusstsein ab. Ohne ein positives Selbstbild ist es schwierig ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben zu führen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 32 Im Klartext heißt das: Wenn wir nicht zu uns stehen, wenn wir uns für uns schämen und für einen minderwertigen Menschen halten, dann ziehen wir uns in dem Glauben, niemand möchte mit uns etwas zu tun haben, von unseren Mitmenschen zurück. Dabei ist es offensichtlich: Nur mit einem positiven Selbstbild können wir unsere Fähigkeiten und Ressourcen ausschöpfen. Der Glaube an die eigene Person ist die Bedingung, um Erfolg zu haben. Mit einem negativen Selbstbild können wir durchaus ebensolche Erfolge erzielen, kommen dabei aber niemals in den Genuss, diese anzunehmen und uns daran zu erfreuen. Wir können nicht auf uns stolz sein oder haben das Gefühl, diesen Erfolg nicht verdient zu haben. Unsere Persönlichkeit wird von dem Bild, das wir von uns haben, sehr stark beeinflusst. Sehen wir uns als starken und offenen Menschen, so verkörpern wir auch diese innere Einstellung nach außen hin. Leider ist dies nicht immer der Fall und unsere Defizite bestimmen unsere Selbstvorstellung. Doch dank der Kraft unserer Gedanken können wir lernen, uns vorzustellen, wie wir beispielsweise selbstsicher auftreten, wie wir selbstbewusst handeln, fühlen und denken. Durch diese einfache Gedankenübung entwickelt sich eine selbstbewusste Persönlichkeit. Außerdem sind wir somit unabhängig von der Bestätigung unserer Mitmenschen, wir bestätigen uns selbst. Schließlich sind wir selbst unser/e größte/r Kritiker/in. Sicherlich mag es im ersten Moment so aussehen, als wäre das Leben mit einem positiven Selbstbild ein einfacheres. Beim genauen Betrachten fällt jedoch auf, das dies oft (nicht immer) mit großen Mühen verbunden ist. Nicht nur die eigenen Erwartungen sind zu erfüllen, sondern auch die fremden Erwartungen. In der Hoffnung, den Erwartungen der Anderen zu entsprechen, haben behinderte Menschen oft die überhöhte Erwartung an sich selbst, stark sein zu wollen. Unser Selbstbild ist in diesem Fall also die Erwartung, für sich und andere stark zu sein. In manchen Situationen können wir diese innere Erwartung an uns jedoch nicht erfüllen, da uns beispielsweise gar nicht danach ist, stark zu sein. Vielleicht fühlen wir uns aktuell müde, kraftlos oder traurig. Ein inneres Spannungsfeld entsteht: Gehe ich den Erwartungen an das positive Selbstbild nach oder lebe ich mein authentisches Selbstbild aus? Genau hier liegt die Schwierigkeit. Ein wirklich ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 33 positives Selbstbild heißt nämlich nicht, alles toll und grandios an sich zu finden. Nein, es bedeutet, all seine Facetten zu kennen, anzunehmen und zu lieben. Nur so kann ich mich doch als ganzheitlichen Menschen wahrnehmen – die Basis für ein gesundes Selbstbild. 2.6. Der innere Kritiker Ich möchte noch einmal zu unserer Vorstellungskraft zurückkommen: Was wir uns vorstellen wird Wirklichkeit – im Positiven, als auch im Negativen. Je mehr wir uns in all den Farben ausmalen, wie wir sein möchten, umso mehr haben wir die Möglichkeit, zu dieser Person zu werden. Hier ist die Rede vom bereits genannten Wunschbild. Doch wie immer im Leben ist das nicht ganz so einfach. Neben den Flügeln unserer Vorstellungskraft besitzen wir auch den sogenannten inneren Kritiker. Er ist derjenige, der „ja, aber“ sagt. Mit solchen und ähnlichen Aussagen untergräbt er unser Selbstwertgefühl. Mit Übertreibungen sowie Verallgemeinerungen unserer Defizite betont der innere Kritiker das Negative, währenddessen all unsere Ressourcen völlig ausgeblendet werden. Besonders schmerzhaft sind Vergleiche mit Anderen. Oft begegnen uns hierbei tief eingeprägte Sätze aus der Kindheit, die vielleicht von unseren Eltern, Lehrern oder anderen Menschen getroffen wurden. Wir neigen dazu, diese Aussagen bis in unser jetziges Leben zu übernehmen, ohne dabei ihre Aktualität und Richtigkeit zu überprüfen. Viele von uns behalten diese Sprüche ein Leben lang bei, um gewappnet zu sein, kein Risiko eingehen zu müssen erneut verletzt zu werden. Demzufolge hat unser innerer Kritiker durchaus auch eine positive Funktion, nämlich eine Schutzfunktion. Problematisch dabei ist nur, dass durch diese Schutzfunktion keine Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit möglich ist. Wir bleiben quasi immer im Gedankenzustand des verletzten Kindes. Wissen Sie eigentlich, wie viel Freude und Vergnügen, wie viel Erfolg und Triumph Ihnen in Ihrem Leben bereits entgangen ist, weil Ihr innerer Kritiker flüsterte „Du kannst das nicht, …dafür bist Du viel zu schwach/dumm/ungeschickt…, Du hältst die Anderen nur auf…“? Womöglich wurde Ihnen eine tolle Arbeitsstelle angeboten, Sie haben den Posten jedoch abgelehnt, weil Sie sich nicht zutrauten, diesem Arbeitsplatz gewachsen zu sein. Vielleicht würden Sie gerne eine neue Sprache ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 34 erlernen, denken aber, Sie seien nicht begabt genug um eine Fremdsprache zu sprechen. Mit Sicherheit fallen Ihnen in diesem Moment selbst eigene, persönliche Beispiele hierfür ein. Woher wissen Sie aber, dass Sie dieser oder einer ähnlichen Aufgabe nicht entgegentreten können? Warum denken Sie, Sie seien nicht begabt genug? Entgegnen Sie Ihrem inneren Kritiker, was Sie bereits alles geschafft haben, welche Fähigkeiten Sie vorweisen können etc. Wer hat außerdem behauptet, dass es verboten sei, Fehler zu machen? Niemand kann beispielsweise eine neue Arbeitsstelle von Anfang an perfekt ausfüllen, niemand kann sich gleich alle neu erlernten Vokabeln sofort merken. Das Leben ist ein anhaltender Lernprozess. Durch das Lernen wächst auch unser Selbstvertrauen und zugleich unser Erfahrungsschatz. Wie wir mittlerweile wissen, bedingen diese zwei Elemente wiederum unser Selbstbild. 2.7 Erfolg mit einer positiven inneren Einstellung! Als weiteres Element zur Aktualisierung unseres Selbstbildes sei an dieser Stelle das Feedback zu erwähnen. Statt des englischen Wortes Feedback kann man auch Rückmeldung sagen. Das Feedback ist dementsprechend eine Rückmeldung an uns über unser Verhalten und wie dieses von Dritten verstanden, wahrgenommen und erlebt wird. Dadurch wird eine konstruktive Kritik geübt und wir erhalten die Möglichkeit, unser Selbstbild mit dem Fremdbild zu vergleichen und gegebenenfalls zu korrigieren. Im Grunde genommen finden derartige Rückmeldungen tagtäglich statt, werden dabei bewusst sowie unbewusst von uns geäußert und wahrgenommen. Hinter jeder unserer Verhaltensweisen steckt gewissermaßen eine Absicht. Diese Absicht kann dabei mehr oder weniger klar sein. Unser Verhalten hat immer eine Außenwirkung und wird von unseren Mitmenschen unterschiedlich erlebt und bewertet. Durch einen offenen und zugleich ehrlichen Umgang miteinander können wir gegenseitig von uns lernen und erfahren, wie unsere Wirkung auf unser Gegenüber ist. Somit haben wir die Möglichkeit zu überprüfen, ob diese Wirkung tatsächlich unsere Absicht war. Gerade in gefestigten Beziehungen zu anderen Menschen können wir die Methodik des Feedbacks für uns nutzen. Besonders Menschen, die uns schon lange Zeit kennen, bringen oft ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 35 verborgene Fähigkeiten unserer Persönlichkeit an das Tageslicht. Aber auch im Berufsleben ist das Feedback von großem Nutzen, um die Arbeitsfähigkeit, besonders im Team zu verbessern. In einem Team treffen verschiedene Menschen aufeinander, die sich meist nicht persönlich kennen. Oft führen falsch verstandene Verhaltensweisen zu Konflikten. In einem offenen Feedback können Gefühle und Beweggründe von beiden Seiten beleuchtet werden. Also: Wie war die eigene Absicht und wie wurde diese von den KollegInnen tatsächlich wahrgenommen? Es ist ratsam, derartige Gespräche durch eine Moderation mit einer dritten Person anzugehen. Nach einem Feedback im Berufsleben oder auch im Privatleben herrscht (meist) Klarheit und führt zu einer besseren Zusammenarbeit. Wie wir nun mittlerweile schon mehrfach in diesem Text gelesen haben, ist es uns möglich, unser Selbstbild und somit unser Selbstwertgefühl zu verändern. Eigentlich liegt es auf der Hand: Wer gelernt hat, schlecht von sich zu denken, der kann ebenso lernen gut von sich zu denken. Wir können lernen, uns ein neues Bild, ein aktuelles Bild unserer Persönlichkeit zu machen. Wir können uns unserer Fähigkeiten und Ressourcen bewusst werden und diese an jedem Tag auszuleben. Wir können lernen, uns mit völlig anderen Augen und aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Unser negatives Selbstbild kann erst dann in ein positives, gesundes Selbstbild verwandelt werden, wenn wir aktiv am Aufbau einer liebevollen Selbstachtung arbeiten. Es ist unsere lebenslange Aufgabe und zugleich Herausforderung, an unseren eigenen Wert als Mensch zu glauben. Wir dürfen unsere menschlichen Eigenschaften als Schatz ansehen, zu dem nur wir einen Zugang haben. Dieser Schatz lässt uns strahlen! Wenn wir im Einklang mit uns leben und so unser Selbstbild für uns stimmig ist, so können negative Bemerkungen unserer Mitmenschen uns weniger verletzen. Wir sind in unserer Person gefestigt. Wir wissen, wer wir sind. Wir wissen, was wir wert sind. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 36 2.8 Ein positives Selbstbild verändert unser Leben In dem Maße, in dem wir unser Selbstbild positiv verändern, wird sich auch unser Leben positiv verändern! Es ist nicht leicht, zu sich selbst zu finden und damit sein Selbstbild zu erkennen. Auf dem Weg dorthin gibt es viele Abzweigungen und Irrlichter. Oftmals verlaufen wir uns und irren umher. Anstatt daran zu verzweifeln dürfen wir uns immer wieder uns Gedächtnis rufen, dass das Leben in einem steten Wandel ist und wir uns auch ändern, indem wir Umwege gehen. Das Schwierige daran ist, diese Umwege anzunehmen und folglich daran zu wachsen. Machen Sie sich klar, dass Sie nie so weit gekommen wären, also an den jetzigen Punkt Ihres Lebens, wenn Sie nicht so manchen „falschen“ Pfad gewählt hätten! Lebensfreude, Zufriedenheit und Erfolg hängt nicht von Äußerlichkeiten wie einer körperlichen Behinderung oder einem unversehrten und intaktem Körper ab. Wir haben in jeder Situation die Wahl zwischen Verzweiflung und Herausforderung, zwischen Selbstmitleid und Kampf, zwischen Verbitterung und Liebe, zwischen Aufgeben und Weitermachen. Wir haben immer die Möglichkeit, unsere Einstellung zu wählen. Wir können entscheiden, ob wir die auferlegten Erwartungen erfüllen wollen und uns dabei selbst entfremden oder ob wir unserem Wesen treu bleiben. Sein Selbstbild erkannt zu haben, ist eine der wichtigsten Bereicherungen in unserem Leben. Mit dem Wissen um unser Selbst haben wir die Freiheit, ein selbstbestimmtes, zufriedenes und erfülltes Leben zu führen. Diese Erkenntnis und Fähigkeit kann uns keiner nehmen! Die größte Freiheit im Leben ist doch, die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst zu besitzen und die Möglichkeit, zu entdecken, welcher Teil unseres Charakters wirklich zutreffend ist und welchen ich mir von außen habe vorschreiben lassen. Hören Sie also nicht auf zu fragen: Wer bin ich? In jeder Minute Ihres Lebens lohnt sich diese Frage. Besonders in den Zeiten, in denen es Ihnen gut geht, sollten Sie sich diese Frage umso öfter stellen, denn in schweren Lebensphasen drängt sich diese Frage automatisch auf. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 37 2.9 Das ist Klaus Sonnenklar Zu Anfang haben wir von Klaus Unklar, seinem negativen Selbstbild und dessen Folgen auf sein Leben gelesen. Zum Abschied möchte ich Ihnen Klaus Sonnenklar vorstellen. Er hat ein sehr klares Bild von seiner Person und dies wirkt sich positiv auf sein Leben aus. Doch lesen Sie selbst. Bei Klaus Sonnenklar bewirbt sich aktuell eine junge Frau als Assistentin. Er begrüßt die Bewerberin freundlich und bietet ihr einen Kaffee an. Da die junge Frau keine rechte Vorstellung von Assistenz hat, berichtet er ihr, welche Tätigkeitsbereiche genau bei ihm anfallen. Während des Gespräches blickt Klaus Sonnenklar der jungen Frau offen ins Gesicht. Die beiden werden sich immer sympathischer und die Bewerberin verliert dank seiner reflektierten Äußerungen ihre anfängliche Scheu. Nach einer halben Stunde beschließen die beiden, einen Termin zum Probearbeiten zu vereinbaren. Am nachfolgenden Nachmittag hat Klaus Sonnenklar ein Vorstellungsgespräch in einem Büro und bewirbt sich dort als Verwaltungsfachangestellter. Seine Zeugnisse sind hervorragend, die Bewerbungsunterlagen perfekt zusammengestellt und er hat auch eine optimale Beurteilung seiner vorherigen Arbeitsstelle erhalten. Klaus Sonnenklar rollt zielstrebig in den Büroraum und begrüßt mit kräftiger Stimme den Büroleiter. Auf die Frage nach seiner Motivation findet er sofort eine Antwort, er arbeite gerne am Computer und die Ausbildung habe ihm aufgezeigt, dass er geeignet für diese Tätigkeit sei. Sein eventueller Arbeitgeber möchte wissen, welche Ansprüche er behinderungsbedingt an seinen Arbeitsplatz hat. Klaus Sonnenklar hat sich bereits darüber Gedanken gemacht: Außer einer barrierefreien Toilette benötigt er eine spezielle Tastatur und Maus für seinen Computer. Die Nachfrage nach seinen Stärken beantwortet er mit seiner Teamfähigkeit, psychischer Belastbarkeit und seinem strukturierten Denken. Aufgrund seiner differenzierten Selbstdarstellung erhält Klaus Sonnenklar eine Zusage für diese Arbeitsstelle. Er begegnet auf dem Weg nach Hause einem guten Freund, der gemeinsam mit einigen anderen Männern unterwegs ist. Sein Freund schlägt einen Besuch in einen nahegelegenen Biergarten vor. Klaus Sonnenklar nimmt freudig dieses verlockende Angebot an, bittet jedoch die anderen Männer, ob sie ihn mit dem Rollstuhl schieben ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 38 könnten, da er heute schon etwas kaputt sei. Gut gelaunt macht sich die Truppe junger Männer auf in den Biergarten. Was für ein schöner Tag! 2.10 Übungen Nennen Sie je fünf positive Eigenschaften über Ihre eigene Person zu den folgenden Lebensbereichen: Freizeit: Beziehungen: Arbeit: Auseinandersetzung mit eigener Behinderung Benennen und beschreiben Sie bitte Ihre Behinderung möglichst genau. Diese Fragen können hilfreich sein: Wie nennt sich meine Behinderung? Ist meine Behinderung angeboren oder erworben? Welche Erfahrungen während der Schulzeit/Ausbildung/Studium/Berufstätigkeit haben Sie bereits gesammelt? Was kann ich gut? Was fällt mir schwer? Wo benötige ich Hilfe? Wie muss diese Hilfe aussehen? Betrachtung meines negativen Selbstbildes Finden Sie Ihren inneren Kritiker, der Ihr negatives Selbstbild bestimmt. Welche Aussagen könnte Ihr innerer Kritiker über Sie sagen? Als Gedankenhilfe hier drei Beispiele: „Du bist wertlos“, „Du bist eine Last“, „Das schaffst Du sowieso nicht“. Überprüfen Sie, wenn Sie möchten, mit einem Menschen, der Sie gut kennt, die Aussagen Ihres inneren Kritikers und finden Sie eine dementsprechende Gegenthese. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 39 Mein Selbstbild Stellen Sie sich vor, auf Ihrem Tisch steht eine Kristallkugel. Blicken Sie in diese Kristallkugel, so können Sie sich erkennen. Was sehen Sie? Wie sehen Sie aus? Welche Fähigkeiten haben Sie? Wer oder was umgibt Sie? Wohin führt Ihr Weg? Versuchen Sie, sich ein möglichst genaues Bild über Ihre Person zu machen. Sie können dies schriftlich und/oder malerisch zu Papier bringen. Nehmen Sie sich dafür bitte genügend Zeit und Ruhe! Fremdbild und Selbstbild Bewerten Sie schriftlich die nachfolgenden Eigenschaften von 1 (sehr zutreffend) bis 5 (nicht zutreffend) für Ihre Persönlichkeit. Gleichzeitig werden Sie von einer Person Ihrer Wahl ebenso bewertet. Bitte tauschen Sie erst, wenn Sie beide fertig sind Ihre Ergebnisse untereinander aus. So können Sie Ihr Selbstbild mit dem Fremdbild vergleichen. Ihre Eigenschaften: belastbar, kreativ, kritikfähig, zielstrebig, lernbereit, egoistisch, selbstbeherrscht, teamfähig, freundlich, zuverlässig, sensibel, kontaktfreudig, selbstbewusst, tolerant, motiviert. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 40 2.11 Aufgaben Nennen Sie die Dimensionen, aus welchen sich das Selbstbild zusammensetzt! Wie lautet das Synonym zum Begriff „Selbstbild“? Beschreiben Sie, welche Faktoren eine Rolle bei der Entstehung des Selbstbildes spielen! Welche Auswirkungen kann ein negatives Selbstbild haben? Nennen Sie hierfür drei Beispiele! Erklären Sie in eigenen Worten den Begriff „Fremdbild“! In welchem Bezug steht das Wunschbild zum Selbstbild? Was verstehen Sie unter der „sich-selbsterfüllenden-Prophezeiung“? Nennen Sie hierfür ein Beispiel! Was bedeutet es ein gesundes Selbstbild zu haben? In welchem Zusammenhang steht das „Selbstwertgefühl“ und das „Selbstvertrauen“ zum Selbstbild? Welche Funktion hat das Feedback? Erstellen Sie ein mögliches Beispiel aus dem Berufsleben! ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 41 2.12 Literatur und Fremdwörterverzeichnis Literatur Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Eine philosophische Reise. Goldmann Verlag, München 2007. 398 Seiten, 14,95 Euro (auch als Hörbuch erhältlich). Carol Dweck und Jürgen Neubauer: Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt. Piper Verlag, 2009, 294 Seiten, 9,95 Euro. Lisa Krelhaus und Annette Gillich: Wer bin ich - wer will ich sein? Ein Arbeitsbuch zur Selbstanalyse und Zukunftsgestaltung. Moderne Verlagsges. Mvg , 2006, 217 Seiten, 9,95 Euro. Internet: www.patenmodell.de/fileadmin/user_upload/inhalte/dokumente/Buch_Jobpaten_schrei ben_fuer_Jobpaten/Langversion/1a_02_Klaus_Kohler.pdf Fremdwörterverzeichnis essentiell grundlegend, lebensnotwendig Krise Zuspitzung Konsequenz Folge undefiniert unklar, uneindeutig Melange Mischung Idol Vorbild Kognitiv erkennend, erfahrend Emotional gefühlsmäßig Affektiv schnelle, heftige Gemütsregung konstruktive Kritik Kritik; die auf Verbesserung abzielt ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 42 Kapitel 3: Fähigkeiten und Unterstützungsbedürfnisse Fähigkeiten und Unterstützungsbedürfnisse realistisch einschätzen – was heißt das für behinderte Menschen? von Stefanie Ingiulla 3.1 Einführung: Wege und Möglichkeiten zur Unterstützung In der heutigen Arbeitswelt stellen sich viele Anforderungen, denen mit immer höherer Flexibilität und Mobilität begegnet werden muss. Zwischen einer Beschäftigung und der eigenen Identität besteht ein wichtiger Zusammenhang. Nicht nur die sogenannte Erwerbsarbeit, auch das Engagement auf dem Freiwilligensektor kann wichtig für die Identität sein. Bei behinderten Menschen zeigen sich Barrieren generell stärker, angefangen mit baulichen Bedingungen, die einen barrierefreien Zugang schwierig bis unmöglich machen. Darüber hinaus bestehen genauso „Barrieren im Kopf“, gerade wenn es um Wirtschaftlichkeit und Behinderung geht. Fähigkeiten und Unterstützungsbedürfnisse zu erkennen und realistisch einzuschätzen, soll Thema in diesem Kapitel sein. Basierend auf der Bedeutung des Einflusses von Beschäftigung - die nicht nur in der Erwerbsarbeit angesiedelt werden muss - auf Identität und der Wahrnehmung eigener Stärken werden anhand eines Beispiels Wege und Möglichkeiten aufgezeigt, Unterstützung zu erhalten und erkannte Fähigkeiten zu nutzen. Lernziele sind das Erschließen des Umfeldes im Hinblick auf der Beschäftigungsmöglichkeiten, Erkennen beziehungsweise Aktivieren der persönlichen Ressourcen und eine Sensibilisierung für die Differenzierung vorhandener Beschäftigungsmöglichkeiten. 3.2 Carina hat Stress im Praktikum Carina, eine körperbehinderte junge Frau, hat ihr Abitur an einer Regelschule bestanden und das anschließende Studium abgeschlossen. Mit der Hilfe einer Studienfreundin, die selbst körperbehindert und Beraterin ist, wohnt Carina in einer eigenen Wohnung und hat ein Assistenzteam. Dieses wird über einen ambulanten Pflegedienst gestellt, sodass Carina ihr Leben selbstbestimmt leben kann. Allerdings musste sie sich erst an Persönliche AssistentInnen und die Organisation des eigenen ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 43 Haushaltes gewöhnen. Die verschiedenen Persönlichkeiten der AssistentInnen und die eigenen Ansprüche und Bedürfnisse zusammenzubringen, war keine leichte Aufgabe, aber im Laufe der Zeit hat sie einige Erfahrungen gemacht und gelernt, wie man mit bestimmten Situationen umgeht und worauf man achten sollte. Nun stellt sich die Frage, wie ihr Leben beruflich weitergeht. Carina möchte gerne im PR-Bereich Fuß fassen und beispielsweise Veranstaltungen organisieren. Sie hat sich in einer kleinen Agentur im Wohnort um ein Praktikum beworben und wurde zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Dabei stellte sich heraus, dass die Räumlichkeiten nicht barrierefrei zu erreichen waren. Carina hat das Praktikum trotzdem machen können, indem sie Rampen für den Rollstuhl organisiert hat. Während des Praktikums hat sich allerdings herausgestellt, dass sie den Anforderungen beziehungsweise den Erwartungen des Chefs bezüglich Außenterminen und flexiblen Einsätzen nicht gerecht wird. - Bei einem zweiten Praktikum in diesem Bereich, das mit Hilfe des Integrationsamtes ermöglicht wurde, gab der Vorgesetzte bei einem Gespräch offen zu, dass er an der Leistungsfähigkeit behinderter Menschen zweifelt. Er glaubt, dass die Krankheitsrate deutlich höher liegt als bei nichtbehinderten. Carina hat Angst vor dem Versagen und setzt sich sehr unter Stress. Sie löst aber jede gestellte Aufgabe ohne Verzögerung, trotzdem kommt es zu keinem Beschäftigungsverhältnis. 3.3 Von Identität und individuellen Ressourcen Identität lässt sich schwer eindeutig definieren, deshalb werden hier einige unterschiedliche Beschreibungen dargestellt. Zum einen beschreibt Identität die Einstellung zu mir selbst und den Vergleich meiner Person zu anderen Menschen aus meinem Umfeld. Dabei gibt es sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede. Identität und die Weiterentwicklung der Persönlichkeit bedeutet also, mit diesen Unterschieden und Gemeinsamkeiten umzugehen. Das ist nicht immer einfach, deshalb wird dieser Prozess auch als „krisenhaft“ bezeichnet. Unter Identität werden auch Erfahrungen verstanden, die in Bezug auf das eigene Selbst gemacht und von Fragen, wie „Wer bin ich aktuell?“ und „Woher komme ich?“, geleitet werden. Es handelt sich dabei um die Aufgabe, herauszufinden, wie man in verschiedenen Situationen reagiert und wie andere meine Reaktionen beurteilen. Die Erfahrungen, die man dabei macht, beeinflussen die weiteren Entscheidungen und Handlungen. Um mit Anforderungen und Erwartungen umgehen zu können, braucht ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 44 man bestimmte Fähigkeiten und Voraussetzungen, die bei jedem unterschiedlich sind. Man spricht dabei von Ressourcen beziehungsweise Kapitalien, über die man verfügt. Diese nimmt man in Anspruch, um die gesellschaftliche und individuelle Position zu finden, zu verändern oder zu festigen. Die Positionierung, also die Entfaltung der Identität, hängt aber nicht allein von verfügbaren Ressourcen ab sondern auch von den Möglichkeiten und Gelegenheiten, diese einsetzen zu können. Individuelle Ressourcen Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, benötigt man bestimmte Ressourcen, um mit Erwartungen und Anforderungen umzugehen. Der Soziologe Pierre Bourdieu, der sich mit Gesellschaft und der Stellung des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft beschäftigte, beschreibt drei Arten von Ressourcen (Kapital): Das ökonomische Kapital beinhaltet materielle Ressourcen, also Besitz im weitesten Sinne. Das Wissen über bestimmte Künste, wie zum Beispiel das Wertschätzen eines Gemäldes, und auch Abschlüsse bzw. Titel stellen das kulturelle Kapital dar. Hierbei geht es also um Fähigkeiten und Qualifikationen. Das soziale Kapital beschreibt die Zugehörigkeit zu anderen Personen und den Besitz eines dauerhaften Netzes, das heißt, wie stark, eng oder dauerhaft der Kontakt zu anderen Menschen aus dem engeren und weiteren Umfeld ist. Aus der Summe der Erfahrungen entwickelt sich zum einen ein Gefühl zu sich selbst, also das Wissen, wie man in bestimmten Situationen reagiert. Zum anderen lernt man einzuschätzen, ob und wie man durch die eigenen Reaktionen Anerkennung von Anderen erreichen kann. Im Laufe der Zeit entstehen dann ganz unterschiedliche Erfahrungen, die positiv (Bestätigung) und negativ (Nicht-Bestätigung) sein können. Durch Bestätigung beziehungsweise Nicht-Bestätigung vergangener Erfahrungen ergeben sich Einstellungen, wie „Das habe ich immer geschafft, also werde ich das auch schaffen“ oder „Oje, schon wieder so eine Situation“. Dabei spricht man vom „Selbstgefühl“. Es enthält sowohl Bewertungen über die Qualität und Art der Beziehung zu sich selbst als auch Bewertungen darüber, wie eine Person die Anforderungen des Alltags bewältigen kann. Das Selbstgefühl besteht somit aus Bewertungen, in denen die Beurteilung darüber entsteht, wie gut, wie stimmig, wie nützlich etc. man sich allgemein fühlt. Dieses hängt ab von Standards, an denen man sich orientiert. Diese werden dann als positive oder negative Selbsteinschätzung abgespeichert und ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 45 beeinflussen das Gefühl darüber, wie man mit bestimmten Situationen umgeht und wie man Möglichkeiten beurteilt, zu handeln und die eigenen Lebensbedingungen zu gestalten (Souveränität). 3.4 Entwicklung von Identität und Standards der Selbstwahrnehmung Der Identitätsprozess hängt wesentlich von sozialer Anerkennung ab. Zum einen bedeutet dies, in welchem Maße eigene Entscheidungen und Handlungen von anderen akzeptiert beziehungsweise beurteilt werden, das bedeutet zum Beispiel, welche Meinung Andere über mich haben. Soziale Anerkennung ist ebenso eng verknüpft mit Erwerbsarbeit. Durch die auf dem Arbeitsmarkt gestellten Anforderungen werden Erfahrungsmöglichkeiten eröffnet. In Arbeitssituationen erlernt man neue Verhaltensweisen und kann vorhandene Fähigkeiten fördern, die für die Identität wichtig sind. Erledigt man beispielsweise einen Arbeitsauftrag zur Zufriedenheit des/der Vorgesetzten, fasst man Selbstvertrauen und fühlt sich beim nächsten Auftrag sicherer. Soziale Anerkennung bedeutet also zum einen die Anerkennung durch Andere (etwa dem/der Vorgesetzten), zum anderen genauso die Anerkennung der eigenen Fähigkeiten. In Netzwerken, das heißt, in Beziehungen zu Anderen, wird die individuelle persönliche Identität anerkannt und bestätigt oder in Frage gestellt. Die in den eigenen Netzwerken versammelten Personen können mögliche Identitätsentwürfe und – projekte (so möchte ich sein, ist ähnlich wie ich, so möchte ich nicht werden, ist ganz anders...) darstellen. Dies bedeutet, dass ich mich mit Anderen vergleiche und entscheide, ob ich zum Beispiel bestimmte Meinungen teile oder ablehne. Genauso kann man sich bei Freunden Rat holen, wenn es um schwierige Entscheidungen geht. In solchen Krisenmomenten kann man Unterstützung und Entscheidungshilfen erhalten. Standards für Selbstwahrnehmung Zur Identität und ihren Prozessen gehört die Wahrnehmung der eigenen Person, das heißt etwa, eigene Fähigkeiten kennen und einschätzen. Dabei orientiert man sich an bestimmten Standards, die man sich selbst gibt oder von anderen bekommt. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 46 Zum Thema Arbeit/Beschäftigung und Identität werden nun die verschiedenen Standards der Selbstwahrnehmung kurz beschrieben. Kognitive Standards: Die Auseinandersetzung mit den eigenen beruflichen Schwächen und Stärken. Soziale Standards: Die Wahrnehmung der Einschätzung anderer zu eigenen beruflichen Fähigkeiten und Kompetenzen. Emotionale Standards: Die Sicherheit des beruflichen Handelns auf der Basis des erfahrenen Selbstwertgefühls. Körperorientierte Standards: Die Wahrnehmung der körperlichen Fähigkeiten für die jeweilige berufliche Beschäftigung. Produktorientierte Standards: Die Beurteilung der eigenen Potentiale, die man durch seine berufliche Tätigkeit glaubt, ausschöpfen zu können. Zusammenhänge der Standards Individuen nehmen sich im Laufe ihres Lebens unterschiedlich wahr aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen. Wie ich mich in einer Situation fühle, hängt beispielsweise davon ab, was ich glaube, wie die anderen mich in dieser Situation wertbeziehungsweise eingeschätzt haben. Dieser Gesamteindruck oder dieses Gefühl bleibt in Erinnerung. Bin ich der Meinung, mein Gegenüber schätzt mich positiv ein, fühle ich mich bestärkt. Genauso kann ich unsicherer werden, wenn ich zum Beispiel denke, mein Gegenüber traut mir eine bestimmte Aufgabe nicht zu. Diese Einschätzung kann natürlich auch falsch sein. Es bestehen also immer wieder Unterschiede zwischen der Wahrnehmung der Außeneinschätzung (soziale Standards) und der des eigenen Selbstwertgefühls (emotionale Standards). Die Selbstwahrnehmung kann sich durch unterschiedliche Erfahrungen verändern. Bei behinderten Menschen kann man immer wieder beobachten, dass die Möglichkeiten für Erfahrungen geringer sind. Es gibt weniger Bereiche, um sich auszuprobieren, da immer wieder Barrieren bestehen. Die unsichere Selbstwahrnehmung beeinflusst auch die eigene Einschätzung zur Meinung der anderen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 47 Grenzen Der Identitätsentwicklung ist also abhängig von den Fähigkeiten und Erfahrungen, die einem Individuum zur Verfügung stehen. Diese Ressourcen bieten eine wichtige Grundlage, um das eigene Leben zu gestalten. Dabei kommt es darauf an, ob und wie man die eigenen Fähigkeiten und Stärken nutzen kann. Dies hängt ab von gesellschaftlichen Entwicklungen und steht in direktem Zusammenhang mit den Standards, nach denen man sich selbst und die Meinung der anderen misst. Auch die Möglichkeiten Netzwerke zu bilden, um dort Orientierung und Unterstützung in Krisenmomenten zu finden, hängt von den vorhandenen und nutzbaren Ressourcen ab. 3.5 Auswirkungen von Behinderung auf Identität Identitätsperspektiven sind für behinderte Menschen oft einseitig. Die Erfahrungen werden hauptsächlich in der Rolle als „behinderter Mensch“ gemacht. Die Unterscheidung zwischen Mann und Frau findet meist nicht statt: oft gibt es nur eine Behindertentoilette für Männer und Frauen. Rollen, die für die Identitätsbildung wichtig sind, werden von der Gesellschaft angeboten und durch diese im Umfang ihrer Freiheitsgrade definiert, das heißt, Vorstellungen und Bedingungen werden vorgegeben. Das Angebot für behinderte Menschen ist allein aufgrund baulicher Barrieren eingeschränkt. Im Hinblick auf berufliche Perspektiven herrschen gesellschaftliche Vorstellungen darüber, wie man erfolgreich im Beruf sein kann. Es werden Eigenschaften vorausgesetzt, die behinderten Menschen nicht zugetraut werden, zum Beispiel Aufgaben in bestimmten Zeiträumen erledigen, mit Stresssituationen umgehen etc. Das Bild des nicht belastbaren Behinderten, der den größten Teil seines Berufslebens krank ist oder behindertenspezifische Probleme mit sich bringt, herrscht gerade auf dem Ersten Arbeitsmarkt vor. Die Anforderungen werden als unlösbar für Behinderte angesehen. Wobei hier vor allem die gar nicht erst gestellten Erwartungen als schwierig einzuschätzen sind. Betroffene werden auf ihre Behinderung reduziert und somit ihrer individuellen Identität beraubt. Diese Tatsache zeigt sich in den Vorstellungen zur eigenen Identität. Zieht man beispielsweise das kulturelle Kapital als eine Ressource zur Identitätsbildung heran, lässt sich festhalten, dass gerade Abschlüsse und Titel weniger häufig von behinderten Menschen erlangt werden. Die ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 48 Möglichkeiten des (Schul-)Bildungssystems sind für Menschen mit Einschränkungen deutlich schlechter an ihre spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst. Aufgrund der hohen Bedeutung von Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt werden behinderten Menschen viele Freiheiten in der Entwicklung von Identität verwehrt. Gerade für die Wahrnehmung des Selbst und den Prozess der Identität spielt diese Tatsache eine bedeutende Rolle, denn soziale Anerkennung stärkt das Selbstwertgefühl und die Zufriedenheit mit der eigenen Identität. Der Wert von Ressourcen ist also stark von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig. Es geht nicht nur um das Vorhandensein von Ressourcen, sondern auch um die Wahrnehmung, wie sie einzusetzen und zu nutzen sein können. Für behinderte Menschen bedeutet das ein Hin- und Hergerissen Sein zwischen dem Gefühl zur eigenen Person beziehungsweise den eigenen Fähigkeiten und dem Bild, das sich in den äußeren Umständen widerspiegelt. Erwartungen oder NichtErwartungen können das Selbstbild negativ beeinflussen. Das Identitätsgefühl beziehungsweise das Selbstgefühl enthält zum einen Bewertungen über Qualität und Art der Beziehung zu sich selbst, zum anderen Bewertungen darüber, wie man die Anforderungen des Alltags bewältigen kann. Durch bestimmte körperliche oder geistige Einschränkungen ist es schwieriger, seinen Alltag zu organisieren und sich Freiräume zu schaffen. Die Erfahrungen von Abhängigkeit, die unterschiedlich sein können, machen es für behinderte Menschen schwer, ein unabhängiges Selbstgefühl zu entwickeln. Die Perspektive, die eingenommen wird, ist hauptsächlich die des behinderten Menschen. Es bedeutet ein hohes Maß an Stärke, unterschiedliche Rollen, die man im Laufe seines Lebens normalerweise einnimmt, gegenüber der Außenwelt zu verteidigen. Die Erfahrungen, die man in unterschiedlichen Zusammenhängen macht, zeigen große Unterschiede zwischen Außenwahrnehmung und Selbstgefühl. Dieser Unterschied führt gerade im Bereich der Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt dazu, dass sich die „Nicht-Erwartungen“ im Identitätsprozess verankern und angenommen werden. Erwerbsarbeit ist ein Indiz für den Beitrag, den man der Gemeinschaft zugute kommen lässt. Je höher dieser Beitrag angesehen wird, desto wirtschaftlicher gilt man. Bei behinderten Menschen bleiben Fähigkeiten und Stärken oft unentdeckt, da ein ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 49 defizitorientierter Blick weiterhin gesellschaftlich vorherrscht. Dies bedeutet, dass behinderten Menschen häufig vor Augen geführt wird, was sie nicht können, anstatt ihre Fähigkeiten zu erkennen. Wahrgenommen und hervorgehoben werden dabei hauptsächlich die körperlichen und geistigen Einschränkungen. An dieser Stelle ist es wichtig, der Gesellschaft vorhandene Ressourcen zu zeigen, die oft ungenutzt bleiben, und den Blick auf vorhandene Fähigkeiten und Stärken zu lenken. Dieses Vorhaben beginnt an der Basis und ist am effektivsten, wenn die Betroffenen es selbst umsetzen. Behinderte Menschen sind Expertinnen und Experten in eigener Sache und können am besten gesellschaftliche Bilder widerlegen. Natürlich ist dies keine leichte Aufgabe aufgrund eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten und Vorurteilen, denen behinderte Menschen begegnen. Identität und Selbstwahr-nehmung werden von Perspektiven, die gesellschaftlich angeboten werden, mit beeinflusst. Behinderte Menschen haben ein eingeschränktes Maß an Freiheits-graden, mit diesen Perspektiven umzugehen. 3.6 Carina sieht sich in anderen Bereichen um Carina hat mehrere erfolglose Bewerbungen hinter sich. Bei Rückfragen nach Barrierefreiheit waren die Ansprechpartner sehr oft an ihren Grenzen angekommen. Viele wussten mit dem Begriff nichts anzufangen oder wiegelten Carinas Vorschläge, mit Rampen oder anderen Hilfsmitteln den Zugang mit Rollstuhl zu überwinden, ab: „Das geht nicht“ oder „das ist zu kompliziert und diesen Umstand wollen wir Ihnen nicht zumuten“. Carina beschließt also, sich in anderen Bereichen umzusehen und versucht, im Freiwilligenbereich eine sinnvolle Tätigkeit zu finden. Schon immer haben Menschen in ihrem Umfeld Carina von ihren Sorgen erzählt und sie um Rat gefragt. Bei der Recherche nach möglichen Beschäftigungen stößt Carina auf die Telefonseelsorge für Kinder und Erwachsene. Nebenbei engagiert sie sich zusammen mit einer ebenfalls behinderten Freundin als Interessenvertreterin für die Kundschaft des Pflegedienstes, bei dem beide auch selbst Kundinnen sind. Dort organisieren sie zum Beispiel Schulungen zum Thema Assistenz und unterstützen außerdem ehrenamtlich KundInnen bei Konfliktgesprächen. Zusätzlich hat Carina der Freiwilligenagentur den Vorschlag eines Projektes gemacht. Hierbei sollen behinderte ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 50 Menschen unterstützt und beraten werden, um Gebiete zu finden, in denen sie sich engagieren können. Carina arbeitet mit der Agentur zusammen und leitet als „Expertin“ dieses Projekt im Rahmen eines Honorarvertrages. Nach einigen Monaten erfährt Carina von der Suche nach einer behinderten Beraterin für die Beratungsstelle des Pflegedienstes. Da ihre Arbeit als Kundschaftsvertretung bekannt und geschätzt wird, bekommt sie nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch die Stelle und verdient nun ihren eigenen Unterhalt. Um ihre körperlichen Einschränkungen auszugleichen, erhält Carina Arbeitsassistenz und Hilfsmittel. Sie hat sich außerdem für eine halbe Stelle entschieden, um neben ihrem Job auch für die Organisation ihres Alltags mit Assistenz genügend Freiraum zu haben. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 51 3.7 Übungen Analyse des Personenbeispiels: Über welche Ressourcen verfügt Carina? Wann hat sie soziale Anerkennung erfahren / wann nicht? Beschreiben Sie Carinas Selbstwahrnehmung anhand der erläuterten Standards unter Punkt 3.4. Welche Möglichkeiten hat Carina, um ihre Ressourcen für die berufliche Entwicklung zu nutzen? Welche Grenzen ergeben sich für Carina bei ihrer Arbeitssuche? Kann sie einige überwinden? Eigene Fähigkeiten einschätzen: Biografie / Netzwerke Wie ist mein Leben bis jetzt verlaufen? Bin ich zufrieden mit meiner Wohnsituation, meiner Alltagsorganisation, meinen Freiräumen? Mit welchen Menschen hatte ich Kontakte, die mich gestärkt haben? In welchen Situationen habe ich mich gut gefühlt / sicher gefühlt? Gibt es Peergroups, mit denen ich Erfahrungen austauschen kann? Interessen / Wünsche Was kann ich gut? Was macht mir Spaß? Könnten andere etwas von mir lernen / könnte ich anderen etwas beibringen? Könnte ich mit anderen etwas aufbauen / erreichen? Bisherige Erfahrungen Was habe ich bisher beruflich / freiwillig gemacht? Habe ich bisher Gelegenheiten gehabt, mich auszuprobieren? Gibt es Situationen, in denen es schwierig war, meine Vorhaben umzusetzen? Gab oder gibt es Möglichkeiten der Veränderung? Habe ich Vertrauen in meine Fähigkeiten? Bin ich mit meinem Engagement zufrieden? ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 52 3.8 Aufgaben 1. Verfassen Sie Ihre Autobiographie bezogen auf Ihren beruflichen Werdegang in acht Sätzen. 2. Nennen Sie Arbeitsbereiche, für die Sie sich interessieren. 3. Nennen Sie Arbeitsbereiche, in denen Sie schon tätig waren. 4. Beschreiben Sie Ressourcen, über die Sie verfügen. 5. Welche Auswirkungen hat die Nutzung Ihrer Stärken? Wo haben Sie das schon erlebt? Schreiben Sie einen kurzen Bericht. 6. Beschreiben Sie kurz Ihre Eigenschaften, die Sie als Schwäche ansehen. 7. Welche Auswirkungen haben Ihre Schwächen? Wo haben Sie das schon erlebt? Schreiben Sie einen kurzen Bericht. 8. Überlegen Sie, welches Anliegen Sie haben (Praktikum, Erster Arbeitsmarkt, Freiwilligenarbeit,..). 9. Stellen Sie sich eine Bewerbungssituation vor, in der Ihr potentieller Arbeitgeber folgende Argumente gegen Ihre Einstellung aufgrund Ihrer Behinderung anführt: „Es gibt keine behindertengerechte Toilette.“ „Wir haben schlechte Erfahrungen mit Behinderten gemacht.“ „Behinderte fehlen zu häufig, das können wir uns nicht leisten.“ „Wir fordern von unseren Mitarbeitern ein hohes Maß an Mobilität und Flexibilität, das Sie durch Ihre Einschränkung nicht erfüllen können.“ „Wir glauben nicht, dass Sie als behinderter Mensch unseren Anforderungen im Betrieb gewachsen sind.“ Finden Sie für jedes Argument mindestens zwei Gegenargumente. 10. Wie schätzen Sie Ihre körperliche Verfassung bezüglich einer Beschäftigungsausübung ein? ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 53 3.9 Literatur und Fremdwörterverzeichnis Literatur Hermes, Gisela / Brigitte Faber (Hg.): Mit Stock, Tick und Prothese. Das Grundlagenbuch zur Beratung behinderter Frauen. Bifos Schriftenreihe. Kassel, 2001. Hermes, Gisela: Mit Stock, Tick und Prothese. Das Arbeitsbuch zur Weiterbildung behinderter Beraterinnen. Band II. Bifos Schriftenreihe. Kassel, 2002. Keupp, Heiner u.a.: Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. Hamburg: Rowohlt. 1999. Keupp, Heiner und Renate Höfer (Hrsg.): Identitätsarbeit heute. Klassische und aktuelle Perspektiven der Identitätsforschung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.1997. Bourdieu, Pierre: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. 1985. In: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt, Sonderband 2, Göttingen: Schwartz 1985 Kraus, Wolfgang: Das erzählte Selbst. Die narrative Konstruktion von Identität in der Spätmoderne. Pfaffenweiler: Centaurus. 1996. Straus, Florian und Renate Höfer: Entwicklungslinien alltäglicher Identitätsarbeit. 1997. In: Keupp/Höfer (Hrsg.), 1997. Internet www.kobinet-nachrichten.org www.socialnet.de/index.html services.langenscheidt.de/fremdwb/fremdwb.html www.integrationsaemter.de/webcom/show_article.php/_c-527/i.html ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 54 Fremdwörterverzeichnis Flexibilität Fähigkeit, sich schnell an veränderte Bedingungen anpassen zu können, auf sie reagieren zu können Mobilität Beweglichkeit, Bereitschaft, den Wohnort und die Arbeitsstätte zu wechseln Erwerbsarbeit Beschäftigung, die entlohnt wird Ressourcen Quellen, Fähigkeiten Sensibilisierung aufmerksam machen Differenzierung Hervorheben der Unterschiede PR „Public Relations“ (engl.), Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit Integrationsamt Behörde, die behinderte Menschen im Arbeitsleben unterstützt und auch bei der Suche nach Arbeitsstellen behilflich sein kann Soziologie Wissenschaft von Struktur und Entwicklung der Gesellschaft Ökonomisch wirtschaftlich Souveränität Überlegenheit, Sicherheit, Lebensqualität Netzwerk Beziehungen, über die man verfügt oder Kreise, in denen man sich aufhält(soziologische Definition) Standards Richtwert Kognitiv erkennend, wahrnehmend Perspektive Standpunkt, Blickwinkel Erster Arbeitsmarkt regulärer Arbeitsmarkt Defizit Mangel ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 55 Kapitel 4: Persönliche Zukunftsplanung „Für mich sorge ich, wenn ich träume, mir Ziele setze und plane.“ - Wie die Ideen der Persönlichen Zukunftsplanung beim Setzen und Erreichen von Zielen helfen können. Von Susanne Göbel 4.1 Einführung: Was ist Persönliche Zukunftsplanung? Dieses Kapitel gibt Ihnen einen knappen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Persönlichen Zukunftsplanung und beschreibt anschließend deren Kernelemente. So entsteht ein Leitfaden, der Sie ganz praktisch dabei unterstützen kann, Träume zu entwickeln, sich eigene Ziele zu setzen und diesen Schritt für Schritt näher zu kommen. Durch das Bearbeiten der Aufgaben dieses Kapitels bietet sich Ihnen die Chance, ganz persönlich(e) Erfahrungen mit den Prinzipen einer Zukunftsplanung zu machen 1, um diese dann in einem weiteren Schritt auf Ihre Arbeitssituation zu übertragen und dort als Denkanstöße weiter anzuwenden. Persönliche Zukunftsplanung 2 bezeichnet ein konsequent personen-zentriertes Denken in Verbindung mit einer Vielfalt von Methoden, die Menschen dabei unterstützen, Lebensträume zu erkunden, daraus machbare und positive Ziele zu entwickeln und sich dann Schritt für Schritt auf den Weg zu machen. Auf diesem Weg wird die planende Person von einem selbst gewählten Unterstützungskreis vertrauter Personen begleitet. Der eigentliche Planungsprozess findet in aller Regel in Form eines oder mehrere Planungstreffen statt, die von einer erfahrenen Moderationsperson der Persönlichen Zukunftsplanung moderiert werden. 1 Das Bearbeiten der Aufgaben ersetzt keinen moderierten Zukunftsplanungsprozess im Sinne einer Persönlichen Zukunftsplanung. Informationen über moderierte Persönliche Zukunftsplanungen finden Sie unter www.persoenliche-zukunftsplanung.de. 2 Die im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung für die Familie personen-zentrierter Planungsmethoden ist Persönliche Zukunftsplanung, nicht zu verwechseln mit der u.a. von Beth Mount entwickelten Einzelmethode Personal Futures Planning. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 56 4.2 Die Geschichte von Ute und Martin K. „Mama, das musst Du machen. Das ist für Dich!“ verkündet Martin K. gut hörbar in die Runde und knufft seine Mutter mit dem Ellbogen. Wir alle, allen voran seine Mutter, sind einen Moment sprachlos erstaunt, dann müssen wir lachen und uns ist klar: Martin K. hat auf seine Art verstanden, worum es bei Persönlicher Zukunftsplanung geht. Sich in Zeiten gewollter oder notwendiger Veränderungen gezielt Gedanken über die eigenen Zukunft zu machen und den Weg zu beginnen. Die Ironie der Situation: Die Zielgruppe meiner Veranstaltung sind eigentlich Martin K. und einige andere Jugendlichen mit Behinderung, die sich auf den Übergang vom Schul- ins Berufsleben vorbereiten. Während ich ihnen die Idee der Persönlichen Zukunftsplanung zu erklären versuche, und die Eltern scheinbar ‚nur’ als Unterstützungspersonen dabei sind, hat Martin K. für sich entschieden, dass eine Persönliche Zukunftsplanung auch etwas für seine Mutter sein könnte. Diese hat vor einigen Jahren aufgrund eines Unfalls ihren Beruf als Lehrerin aufgeben müssen und befindet sich in einer Zeit der beruflichen Neuorientierung. Was denken Sie? Denken Sie vielleicht wie die Mutter von Martin K.: „Was soll ich mir denn wünschen?“, „Das wird ja doch nichts!“ oder „Mein größter Wunsch ist so weit weg. Das schaffe ich nie!“? Lassen Sie mich mit einem Zitat von Martin Buber erwidern: „Es geht nicht an, das als utopisch zu bezeichnen, woran wir unsere Kraft noch nicht erprobt haben.“ Martin K. würde Sie vielleicht knuffen und sagen: „Das ist auch was für Sie!“ In diesem Sinne: Seien Sie mutig und legen Sie los! „Wann passen die Ideen der Persönliche Zukunftsplanung für mich?!“ Ute K., Martins Mutter, hatte vor einigen Jahren einen Unfall, der es ihr unmöglich macht, ihren Beruf als Lehrerin weiter auszuüben. Nach einer längeren Rehabilitationszeit und zwei Jahren Zuhause ist sie an einem Punkt angelangt, sich beruflich neu orientieren zu wollen und zu können. Aber wohin? Vieles scheint nicht mehr machbar, sei es aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen, ihres Alters (inzwischen ist Ute K. Mitte 50) oder auch weil sie nicht weiß, was sie beruflich noch machen will und kann. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 57 Als sie vor über 30 Jahren Lehrerin wurde, war ihr klar: Das ist ihr Traumberuf. Der Unfall war ein plötzlicher Lebenseinschnitt, der auch eine berufliche Veränderung notwendig macht. Martin K.s scheinbar einfacher Satz, „Das ist für Dich!“, bringt es auf den Punkt: Ute K. befindet sich in einer typischen Lebenssituation, in der die Ideen der Persönlichen Zukunftsplanung angewandt werden können: • Sie befindet sich in einer Zeit der Veränderungen. • Sie muss sich von ihrem Traumberuf verabschieden, hat aber den Willen, Neues zu entdecken. Dabei will sie ihre berufliche Neuorientierung aktiv angehen und die Richtung selbst bestimmen. • Sie will neue berufliche Ziele und Möglichkeiten entwickeln, die für sie sowohl machbar als auch positiv waren. • Sie muss ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten anders oder neu entdecken. • Sie hat in ihrer Familien und dem Freundeskreis ein unterstützendes Umfeld, das sie auf ihrem Weg der Neuorientierung begleiten will und kann. • Trotz ihres Veränderungswillens sieht sie sich auch einem großen Berg von Fragen und Herausforderungen gegenüber, von dem sie nicht weiß, wie sie ihn angehen geschweige denn bewältigen kann. Bitte überlegen Sie: Wie viele dieser Punkte treffen auf Sie zu? Gibt es auch in Ihrem Leben gerade Themen, für die Sie eine Veränderung anstreben? Oder stehen von außen vorgegebene Veränderungen an, Sie wissen aber nicht so richtig, wie Sie diese angehen können? Oder gibt es einen Wunsch, den Sie sich gerne einmal erfüllen möchten? Dem ist so?! Dann könnten die Ideen der Persönlichen Zukunftsplanung eine Möglichkeit für Sie sein, diesen Veränderungsprozess aktiv zu gestalten, unabhängig davon, wie groß oder klein die Veränderung, Ihr Wunsch oder Ihr Ziel ist. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 58 Wichtig ist: • Sie müssen die Veränderung selbst wollen. • Sie müssen bereit sein, sich auf den Weg zu machen. • Sie müssen etwas dafür tun wollen, damit die Veränderung Wirklichkeit wird. • Also: Sie müssen bereit sein, ihre Zukunft aktiv gestalten zu wollen. • Aber Sie müssen das nicht alleine tun! 4.3 So entstand Persönliche Zukunftsplanung Bevor Sie sich selbst auf den Weg machen, ist es hilfreich, einen Blick auf die Wurzeln der Persönlichen Zukunftsplanung zu werfen. Die Ideen und Methoden der Persönlichen Zukunftsplanung stammen aus Nordamerika und wurden dort in den 1980er Jahren aus unterschiedlichen Beweggründen und durch eine Vielzahl engagierter Fachleute, Eltern und Menschen mit Behinderungen entwickelt. Seit 1985 wird für diese „Familie“ personen-zentrierter Planungsmethoden die übergeordnete Bezeichnung person-centered planning benutzt; im Deutschen wird allgemein von Persönlicher Zukunftsplanung gesprochen 3. Es ist unmöglich, die komplette Entstehungsgeschichte der Persönlichen Zukunftsplanung in aller Kürze zu erzählen. Ein kurzer Blick auf die wichtigsten Veränderungen im System der Behindertenhilfe und in der Politik für und von Menschen mit Behinderungen aber macht deutlich: Die Jahre zwischen 1960 und 1980 waren in Nordamerika Aufbruchsjahre und der Beginn des viel zitierten Paradigmenwechsels, der immer mehr von Menschen mit Behinderungen selbst eingefordert wurde. Dieses Klima der Veränderungen sowie der dringende Bedarf an handhabbaren, praxisnahen neuen Ideen und Methoden zum Planen zukunftsorientierter und selbstbestimmter Lebensentwürfe von Menschen mit Behinderungen ebneten den Ideen der Persönlichen Zukunftsplanung den Weg. 3 siehe Fußnote 1 ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 59 Hier die wichtigsten Stützpfeiler dieses Wegs: Da ist das Normalisierungsprinzip nach Wolf Wolfensberger, das zum Ziel hatte, es Menschen mit Lernschwierigkeiten 4 zu ermöglichen, so normal wie möglich zu leben. Wichtig war hierbei die Frage, was sowohl Einrichtungen und Dienste für behinderte Menschen als auch die Gesellschaft machen müssen, um Normalisierung zu ermöglichen. Das Recht auf Selbstbestimmung wurde Anfang der 1960er Jahre zunächst von Menschen mit Körper- oder Sinnesbehinderungen eingefordert. Sie wollten nicht weiter bevormundet, betreut, diskriminiert und in Sondereinrichtungen der Behindertenhilfe abgeschoben werden. Sie wurden in ihrem Kampf nach Veränderungen unter anderem durch die Bürgerrechtsbewegungen der Afroamerikaner und Studentinnen und Studenten inspiriert und unterstützt. Die Forderung nach Selbstvertretung war eine Folge des Kampfes nach Selbstbestimmung und spiegelte sich unter anderem Anfang der 1970er Jahre in der Gründung der ersten Selbstbestimmt Leben Zentren (Centers for Independent Living) wider. Die Zentren entwickelten zum Beispiel das Angebot der Beratung behinderter Menschen durch behinderte Menschen (Peer Counseling) oder boten Schulungen zur Stärkung von Menschen mit Behinderungen an. Fast gleichzeitig begannen Menschen mit Lernschwierigkeiten sich in eigenen Gruppen zu organisieren, bekannt unter dem Namen „People First“. Beide Formen der Interessenvertretung führten dazu, dass Menschen mit Behinderungen sich vermehrt in die Politik einmischten und so ihr Recht nach Selbstvertretung nicht nur einforderten, sondern auch wahrnahmen. Ein weiterer Stützpfeiler war der Beginn der Dezentralisierung und Auflösung von Sondereinrichtungen, gekoppelt mit dem Bestreben, die Menschenrechte behinderter Menschen zu wahren und ihr Wunsch- und Wahlrecht zu beachten. 4 Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V., die deutsche Selbstvertretungsbewegung von Menschen mit so genannter geistiger Behinderung, lehnt die Bezeichnung ‚geistig behindert’ ab. Die Mitglieder bezeichnen sich selbst als Menschen mit Lernschwierigkeiten. www.people1.de/was_mensch.html ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 60 Es kamen immer mehr Fälle vor Gericht, in denen es etwa um Menschenrechtsverstöße in Sondereinrichtungen oder das Wahlrecht zwischen Sonder- und Regelschule ging. Mehr und mehr Menschen mit Behinderungen und Eltern wollten sich nicht mehr damit zufrieden geben, dass sie selbst beziehungsweise ihre behinderten Töchter und Söhne in Sondereinrichtungen lernen, leben und arbeiten mussten und so forderten sie ihre Integration in die Gemeinde, vor allem aber das Recht auf selbstbestimmte und menschenwürdige Unterstützungsformen. In diesem Zusammenhang entstanden immer mehr gemeindenahe Dienste für Menschen mit Behinderungen, die ein Leben außerhalb von Einrichtungen ermöglichten. Als Folge entwickelte sich das System der Behindertenhilfe in den 1970er und 80er Jahren weiter, was sich auch in ersten Gesetzen zu den Themen „Recht auf schulische Integration“ und „Antidiskriminierung“ widerspiegelte. All diese Veränderungen sorgten mit dafür, dass Menschen mit Behinderungen nicht mehr als ‚Objekte’ einer Behindertenhilfe und Behindertenpolitik gesehen werden konnten, für die entschieden werden musste und konnte. Bis dahin hatten sich die meisten Entscheidungen selten an den Bedürfnissen, Stärken und Fähigkeiten oder gar Träumen der Menschen mit Behinderungen orientiert - Fremdbestimmung und Defizitorientierung waren an der Tagesordnung. Behindertenpolitisch wie auch fachlich rückten jedoch die Prinzipen Integration, Zugänglichkeit, gemeindenahe Unterstützung und Selbstbestimmung immer mehr in den Blickpunkt. Was jedoch oft fehlte, war das Handwerkszeug: Wie sollte man gut und möglichst passgenau herausfinden, was eine Person für sich will und was für sie Lebensqualität ausmacht? Wie konnte man Menschen, die unter Umständen jahrzehntelang isoliert in Institutionen gelebt hatten, eine Chance geben, sich über ihre eigene Zukunft Gedanken zu machen und dabei das Gefühl vermitteln, ernst genommen zu werden? Und wie konnte man junge, aber auch ältere Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit ganz unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen auf ihren persönlichen Veränderungsprozessen gut begleiten? Das war die Geburtsstunde der Persönlichen Zukunftsplanung: Die ersten unterschiedlichen Methoden und Materialien der Persönlichen Zukunftsplanung ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 61 entstanden ab 1979 und boten erstmals die Chance, sich mit Menschen strukturiert Gedanken über eine positive und erstrebenswerte Zukunft zu machen, und dabei den Weg dorthin zu planen und zu begleiten. Laut Connie Lyle O’Brien und John O’Brien gibt es zwölf eigenständige Herangehensweisen 5 für Persönliche Zukunftsplanung, die zwar unter unterschiedlichen Namen bekannt sind, sich jedoch alle an folgenden Grundüberzeugungen orientieren: 1. Menschen können selbst über ihr Leben bestimmen, unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. 2. Die planende Person steht bei der Gestaltung ihrer Zukunft immer im Mittelpunkt und wird dabei oft von einem Unterstützungskreis begleitet. Daran hat sich auch nach 30 Jahren Persönlicher Zukunftsplanung nichts geändert! Was sich jedoch gezeigt hat ist, dass Persönliche Zukunftsplanung nicht nur eine gewinnbringende Methode für Menschen mit Behinderungen sein kann, sondern für alle, die sich aktiv mit ihren Träumen und Zielen auseinandersetzen sowie Veränderung gestalten wollen. Im Folgenden werden die Kernelemente Persönlicher Zukunftsplanung beschrieben. Jeder Abschnitt gibt Ihnen dabei Fragen und Aufgaben an die Hand, und bietet Ihnen somit einen Leitfaden, der Sie ganz praktisch dabei unterstützen kann, sich eigene Ziele zu setzen und diesen Schritt für Schritt näher zu kommen. 4.4 „Wer bin ich?“ – Die Stärken in den Mittelpunkt! Besonders Menschen mit Behinderungen erleben oft, dass sie fast ausschließlich anhand ihrer Defizite und ihrer Behinderung beschrieben werden, dabei aber ihre Persönlichkeit und ihr Menschsein außer Acht gelassen werden. So entsteht oft ein negatives Bild von Menschen mit Behinderungen, und nicht selten prägt dieses negative Bild anderer auch das eigene Selbstbild: Je weniger Menschen mit Behinderungen zugetraut wird, umso weniger trauen sie sich selbst zu. 5 Connie Lyle O’Brien und John O’Brien, The Origins of Person-Centered Planning: A Community of Practice Perspective. S. 3. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 62 Anders bei Persönlicher Zukunftsplanung: Hier werden der Mensch, seine ganz eigene Persönlichkeit und positiven Eigenschaften in den Mittelpunkt gestellt. Gerade am Beginn einer Zukunftsplanung ist es sehr hilfreich, ein individuelles Bild der planenden Person entstehen zu lassen, das sich an ihren Stärken, Fähigkeiten, Vorlieben und Unterstützungsbedarfen orientiert, und das versucht, all ihre Facetten abzubilden. Alles Wissen darüber, wer man selbst ist, ist eine wichtige Grundlage für den Blick in die Zukunft, denn nicht selten tauchen hier bereits Anknüpfungspunkte für die Planung auf. Oft ist es spannend und manchmal sogar notwendig, auch zu überlegen, unter welchen Bedingungen und in welchem Zusammenhang ein scheinbares Defizit als Bereicherung gesehen werden kann. Dazu ein Beispiel: Linus H. zerreißt schon als Kind gerne Papier; alle Versuche, ihm das abzugewöhnen, blieben erfolglos. Inzwischen ist Linus H. ein junger Mann und sucht nach Arbeit. Dabei fällt der Blick auch wieder auf sein scheinbares Defizit und es stellt sich heraus, dass dieses auch eine Fähigkeit ist, für die nur der richtige Platz gefunden werden muss. Er findet schließlich eine Stelle auf dem 1. Arbeitsmarkt und wird in einem Bürogebäude u.a. fürs Schreddern und Entsorgen des Altpapiers zuständig. Es geht an diesem Punkt also nicht darum, Beeinträchtigungen und Unterstützungsbedarfe zu ignorieren, sondern den Fokus auf einen positiven Blickwinkel zu legen. Folgende Fragen regen Sie dazu an, sich näher mit dem Thema „Wer bin ich?“ zu beschäftigen: • Was können Sie gut? • Was machen Sie gerne? • Was mögen Sie? • Was schätzen andere Menschen an Ihnen? Fragen Sie die Menschen, die Ihnen vertraut sind. Lassen Sie sich die Dinge aufschreiben oder erzählen. Anfangs ist es vielleicht ungewohnt, Lob auszuhalten – aber dann tut es gut! ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 63 • Was ist Ihnen im Leben wichtig? Hier sind Dinge gemeint, die für Sie persönlich einen Wert haben, zum Beispiel eine bestimmte Person, ein geliebtes Buch, ein bestimmtes Hobby, usw. • Was ist für Ihr Leben wichtig? Hier sind Dinge gemeint, die für Ihr Leben wichtig sind, zum Beispiel Bewegung, um gesund zu bleiben, oder eine bestimmte Umgebung, in der Sie zurecht kommen. • Was macht für Sie Lebensqualität aus? • Wie ist an Ihrem jetzigen Leben gut? • Was ist nicht gut? Vielleicht wollen Sie über diese Fragen alleine nachdenken – das ist völlig in Ordnung. Aber es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Persönliche Zukunftsplanung setzt darauf, dass es für die planende Person eine Bereicherung und Entlastung sein kann, sich einen Unterstützungskreis zu suchen. Verschiedene Menschen erleben Sie in unterschiedlichen Situationen und Rollen, haben einen anderen Blick auf Sie und ergänzen Ihr eigenes Bild. Ein Unterstützungskreis hilft Ihnen also dabei, sich in Ihrer Vielfältigkeit zu beschreiben. Zusätzlich können Ihnen die einzelnen Personen Ihres Unterstützungskreises den Rücken stärken, sie bringen ihre eigenen Kontakt mit ein, können Ihnen Ideen geben und mit Ihnen mit Spaß den neu eingeschlagenen Weg gehen. Auch können sie Sie bei anstehenden Aufgaben und Arbeiten sowie Herausforderungen während Ihres Veränderungsprozesses unterstützen. Ihr Unterstützungskreis sollte aus Menschen bestehen, denen Sie vertrauen und auf die Sie sich verlassen können. Denken Sie bei der Auswahl der Personen daran, eine bunte und vielfältige Gruppe mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Rollen sowie aus unterschiedlichen Lebensbereichen zusammen zu stellen. Hier ist Vielfalt ein Gewinn, wobei die Größe der Gruppe nicht entscheidend ist! ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 64 Bitte überlegen Sie: • Welche Menschen sind Ihnen wichtig? • Wer kann Sie gut unterstützen? • Wen wollen Sie in Ihren Unterstützungskreis einladen? 4.5 „Davon träume ich!“ – Von Träumen und Zielen Einerseits leben wir in Deutschland in einer Individualgesellschaft, in der es für manche ganz selbstverständlich scheint, sich Träume und Wünsche zu erfüllen. Andererseits haben viele Menschen Hemmungen, offen über ihre Träume zu sprechen. Je nach Lebenssituation gesteht man sich selbst oder das Umfeld einem keine (großen) Träume zu; man gewährt ihnen keinen Platz und sieht keine Spielräume und Möglichkeiten für sie. Auch unsere Sprache geht mit dem Bild der Träume häufig negativ um: Träume sind Schäume, Traumtänzerin, Tagträumer. Wie muss es erst den Menschen gehen, die aufgrund ihrer Lebensumstände das Träumen und Wünschen eingestellt oder scheinbar verlernt haben: arbeitslose Menschen, Menschen, die in Armut leben, oder Menschen, die einfach nie nach ihren Träumen gefragt werden, vielleicht aus Angst, unrealistische Hoffnungen zu schüren. Indem man die eigenen Träume weg schiebt oder nicht nach Träumen gefragt wird, wiegt man sich in der trügerischen Hoffnung, die Träume würden dann schon verschwinden. Dem ist nicht so: Jeder Mensch hat Träume, manche davon gehen in Erfüllung, andere nur zum Teil und wieder andere nie. Das ist nicht immer leicht, aber diese Erfahrungen gehören zum Leben jedes Menschen. Wirklich weh tun die Träume, die unausgesprochen bleiben oder nicht beachteten werden. Persönliche Zukunftsplanung will Zeit und Raum dafür schaffen, vielleicht verloren geglaubte Träume wieder auszugraben oder neue Träume zu erkunden und nachzuspüren ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 65 Es gibt einige Grundvoraussetzungen für gutes Träumen: • Der Ort, die Zeit und die Atmosphäre müssen stimmen. • Es gibt keine „doofen“ oder „dummen“ Träume. Es gibt nur Träume, und haben ihre Berechtigung so, wie sie sind • Träume dürfen alles sein: grenzenlos, groß und klein, „verrückt“ unrealistisch oder realistisch, nah und fern. • Träume müssen ernst genommen werden; sie sind Orientierungspunkte fürs eigene Leben. • Es hilft, anderen die eigenen Träume zu erzählen, oft entstehen so neue Perspektiven. • Aber: Niemand hat das Recht, die Träume anderer Menschen zu bewerten oder abzuwerten. • Träume und Ziele sind unterschiedliche Dinge. Dazu gleich mehr. Manchmal lohnt es sich, Träume genauer zu erkunden: Was versteckt sich hinter einem bestimmten Traum? Was ist wirklich gemeint? Was ist der Kern des Traums? Auch dazu ein Beispiel: Mandy S. will unbedingt LKW-Fahrerin werden. Alle sagen ihr: Das geht nicht, du bist doch Rollstuhlfahrerin. Wie bei so vielen unrealistisch erscheinenden Träume ist es wichtig, genau herauszufinden, warum Mandy S. diesen Wunsch hat: Mag sie LKWs? Hat sie gerne den Überblick und sitzt oben? Ist sie gerne unterwegs? Erst anhand ihrer Antworten wird klarer, warum sie genau diesen Berufswunsch hat: Sie reist gerne und sie will Menschen Dinge bringen. Und in ihrer Vorstellung vereint sich beides in ihrem Berufswunsch LKW-Fahrerin. Jetzt sind Sie dran: Suchen Sie sich einen Ort zum Träumen; schaffen Sie sich eine Atmosphäre, in der Sie sich wohl fühlen und Ihren Träumen freien Lauf lassen können. Nehmen Sie sich ausreichend ungestörte Zeit. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 66 Träumen Sie! Sie können alleine oder im Kreis vertrauter Menschen träumen. Halten Sie Ihre Träume fest, schreiben oder malen Sie diese auf. „Sammeln“ Sie Ihre Träume, zum Beispiel in einer schön gestalteten Mappe oder einer traumhaften Schachtel. Manchmal braucht es den Umweg über die Frage: Was sind Ihre Alpträume? Aus den Alpträumen lässt sich unter Umständen schließen, was Ihnen gut tut und was Sie sich im Positiven wünschen. „Aus Träumen werden Ziele!“ Träume werden sehr oft mit Zielen verwechselt, denn beide haben mit einem erstrebenswerten Zustand in der Zukunft zu tun. Aber während Träume völlig grenzenlos, verrückt und unrealistisch sein können, stehen Ziele per Definition als überprüfbare Schlusspunkte am Ende von Veränderungsprozessen. Persönliche Zukunftsplanung beschreibt Ziele als die Punkte, die eine planende Person erreichen will, und die sich dabei gut anfühlen und auch tatsächlich realisiert werden können. Träume dienen dabei gleichermaßen als Grundlage und als Orientierungspunkte für eine positive Zukunft, wobei sich aus den Träumen Ziele entwickeln lassen. Für das Formulieren von Zielen gilt: • Ziele müssen realistisch und tatsächlich erreichbar sein. • Ziele sollten in einem überschaubaren Zeitraum erreichbar sein. • Ziele müssen sich für die planende Person gut anfühlen und positiv formuliert werden. • Die planende Person muss die Ziele auch tatsächlich erreichen wollen und bereit sein, etwas dafür zu tun. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 67 Das ist jetzt Ihre Aufgabe: • Betrachten Sie sich noch einmal Ihre Träume. Lassen Sie Ihre Träume auf sich wirken. • Suchen Sie sich Ihren wichtigsten Wunsch aus. • Formulieren Sie daraus ein Ziel, indem Sie sich jeweils fragen: Was ist der Kern meines Traums? Was davon ist machbar? Legen Sie einen Zeitpunkt fest, bis zu dem Sie Ihr Ziel erreichen wollen und auch können. Orientieren Sie sich dabei an einem für Sie überschaubaren Zeitraum. Wichtig: Seien Sie realistisch, fordern Sie sich durch Ihr Ziel selbst heraus, aber überfordern Sie sich nicht. 4.6 „Der Weg beginnt: Schritt für Schritt dem Ziel entgegen!“ Ein Ziel erscheint zu Beginn oft wie das Vorhaben, einen schönen Berg besteigen zu wollen: Man wünscht sich, schnell anzukommen, um die Aussicht genießen zu können und zu wissen: Ich habe es geschafft! Dabei gibt es aber auch Momente, in denen man zweifelt, ob und wie man den langen, vielleicht auch mühsamen Weg zum Gipfel nur schaffen soll. Oder man erkennt erst jetzt, wie hoch der Berg tatsächlich ist. So, wie eine erfolgreiche Bergbesteigung Ausdauer, Training, eine gute Ausrüstung und eine verlässliche Seilschaft braucht, gibt es auch für das Erreichen persönlicher Ziele gewisse Voraussetzungen und typische Merkmale:  Ein Ziel zu erreichen, ist ein Prozess. Zwischen Anfang und Ende liegen viele einzelne Schritte. Der Weg muss in machbare Schritte aufgeteilt werden.  Ein Ziel zu erreichen, braucht langen Atem und Stärke, denn manchmal kommt es zum Stillstand oder zu Rückschritten. Hier hilft es, genau zu wissen, wie man Kraft tanken kann, um durchzuhalten. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 68  Der Weg zum Ziel wird einen herausfordern und aus gewohnten Abläufen herausholen, er soll aber auch nicht überfordern. Hier hilft es, sich selbst gut zu kennen und gute, nach vorne gerichtete Herausforderungen anzunehmen, und schlechte, weil bremsende Überforderung zu vermeiden.  Man muss den Weg nicht alleine gehen: Ein Unterstützungskreis ist das Team, das einen auf diesem Weg begleitet. Hier Ihre vorletzte Aufgabe: • Teilen Sie Ihr (großes) Ziel in überschaubare, kleinere Zwischenschritte auf. Je nach dem, wie weit Ihr Ziel zeitlich entfernt ist, bietet es sich an, mindestens 3 bis 5 Zwischenschritte festzulegen. Schreiben Sie sich Stichtage auf, wobei die zeitlichen Abstände zwischen wenigen Wochen und längstens sechs Monaten lang sein können. Manchmal ist es hilfreich, diese Zeitschiene sozusagen ‚rückwärts’ zu entwickeln und die Stichtage vom Ziel aus betrachtet in Richtung Anfang fest zu legen. Zum Beispiel: Das Ziel soll im Sommer 2012 erreicht werden. Die Stichtage könnten sein: * Ende März 2012 * Ende Oktober 2011 * Ende April 2011 * Ende 2010 * Ende Oktober 2010 * Ende Juli 2010 * 1. Schritt: im Juni 2010 ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 69 • Legen Sie fest, was Sie bis zu jedem der festgelegten Stichtage machen wollen oder müssen. * Was tun Sie genau? * Mit wem müssen Sie gegebenenfalls sprechen? * Wer kann Sie gegebenenfalls unterstützen? • Überlegen Sie sich auch: * Wie merken Sie, dass ein Schritt erfolgreich für Sie war? * Wie und mit wem feiern Sie erfolgreiche Schritte und (Zwischen-)Ziele, die Sie erreicht haben? „Los geht’s!“ Der beste Plan hilft aber nichts, wenn man sich nicht in Bewegung setzt und etwas für seine Träume und Ziele tun will. Man muss sich also mutig auf den Weg machen und das Ziel erreichen wollen. Deshalb hier jetzt Ihre wichtigste Aufgabe! Seien Sie mutig und legen Sie los! 4.7 Sie wollen wissen, was aus Ute K. geworden ist? Ihr Weg hängt eng mit den Veränderungen in Martin K.s Leben zusammen. Er hat damals im Rahmen einiger moderierter Zukunftsplanungstreffen eine Persönliche Zukunftsplanung für sich gemacht. Sein Unterstützungskreis bestand aus sehr unterschiedlichen Menschen, was Martin K. sehr stolz machte: „Die kommen alle nur zu mir!“ Seine Zukunftsplanung drehte sich anfangs um den Übergang Schule - Beruf, das änderte sich aber, als das Thema Wohnen wichtiger wurde. Mit Hilfe seines Unterstützungskreises konnte er dann seinen Auszug von Zuhause für sich gut mitgestalten. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 70 Ute K. hat die Planung ihres Sohnes aktiv begleitet, selbst aber nie einen moderierten Zukunftsplanungsprozess genutzt. Trotzdem hat sie durch Martin viele Elemente der Persönlichen Zukunftsplanung kennen gelernt und für sich privat angewandt, sozusagen im stillen Kämmerlein. Sie hat sich inzwischen beruflich neu orientiert und eine Teilzeitstelle als Nachhilfelehrerin gefunden; das wäre vor Martins Auszug nicht möglich gewesen. Gleichzeitig hat sie eine alte Leidenschaft neu für sich entdeckt: Kunstgeschichte. Sie belegt jetzt Kurse an der Universität und nimmt jährlich an einer einwöchigen, geführten Kunst-Studienreise teil. Die Leben von Ute und Martin K. haben sich verändert und verändern sich weiter. Beide haben auf ihre Art und Weise die Ideen der Persönlichen Zukunftsplanung für sich genutzt, um Ziele zu erreichen. Natürlich ist Persönliche Zukunftsplanung keine Zaubermethode für alle anstehenden Veränderungen im Leben von Personen. Für die beiden hat sich dadurch aber die Chance geboten, ihre neuen Lebenswege so weit wie möglich selbst zu bestimmen und sich jeweils in die für sie richtigen Richtungen auf den Weg zu machen. Vielleicht sind die Ideen und methodischen Anregungen der Persönlichen Zukunftsplanung etwas für Sie – jetzt oder später. Und möglicherweise können Sie die Anregungen auch für Ihre Arbeitssituation nutzen. Nicht alle LeserInnen oder alle Menschen, mit denen Sie arbeiten, müssen nun in eine neue Zukunft aufbrechen. Aber so, wie Ute und Martin K. jetzt sagen können „Das war für uns richtig!“, können auch Sie sich auf den Weg machen, wenn Sie möchten. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 71 4.8 Übung: „Wie weiß ich, ob ich auf dem richtigen Weg bin?“ Stellen Sie sich als Erstes die Frage: Wie geht es mir mit meinem Ziel und den Veränderungen? Es empfiehlt sich, auf Ihrem Weg Richtung Ziel immer wieder inne zu halten und zu überprüfen, ob das Ziel, der Weg und die Schritte noch stimmen. Hierfür sind die folgenden Fragen gedacht, die sich an die Methode 4 + 1 Fragen anlehnen 6: • Was habe ich versucht? • Was habe ich gelernt? • Worüber bin ich erfreut? • Worüber bin ich besorgt? • Ausgehend vom dem, was ich weiß: Was ist der nächste Schritt? 4.9 Literatur www.persoenliche-zukunftsplanung.de Hier finden Sie Aufsätze, Materialien & Arbeitsblätter, Links zu deutsch- und englischsprachigen Internetseiten sowie Informationen über ModeratorInnen der Persönlichen Zukunftsplanung. Stefan Doose: “I want my dream!” Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven und Methoden einer individuellen Hilfeplanung mit Menschen mit Behinderungen. (2004) ISBN 3-937945-01-6 Der Theorieteil dieses Buches ist auch online in einer 2007 überarbeiteten Fassung verfügbar: bidok.uibk.ac.at/library/doose-zukunftsplanung.html 6 Die Methode „4 + 1 Fragen“ wurde von M.W. Smull und H. Sanderson entwickelt. Quelle: siehe Literatur. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 72 Stefan Doose, Carolin Emrich und Susanne Göbel: Käpt'n Life und seine Crew. Ein Arbeitsbuch zur Persönlichen Zukunftsplanung. (2004) ISBN 978-3-937945-07-1 Beide Bücher können über die Internetseite www.persoenliche-zukunftsplanung.de oder bei Mensch zuerst, Kölnische Str. 99, 34119 Kassel, 0561 – 7 28 85 55 bestellt werden. Weitere Quellen Connie Lyle O’Brien und John O’Brien: The Origins of Person-Centered Planning. A Community of Practice Perspective. In: S. Holburn und P.M. Vietze (Eds.): PersonCentered Planning. Research, Practice, and Future Directions. Paul H. Brookes: Baltimore, 2002. Seite 3 – 27. Michael W. Smull, Helen Sanderson et al.: Essential Lifestyle Planning for Everyone. The Learning Community – Essential Lifestyle Planning, Annapolis (USA) & Stockport (GB), 2009. Seite 49f. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 73 Autorinnen Susanne Göbel, M.A. & M.S.W., Sozialarbeiterin (FH), arbeitet als freiberufliche Referentin und Beraterin von Mainz aus. Ihre Schwerpunktthemen sind: Leichte Sprache, Persönliche Zukunftsplanung und der "Blick von außen". Stefanie Ingiulla, Studium der Soziologie an der Philipps-Universität Marburg, seit 2007 Beraterin und Mitarbeiterin des Unterstützten Wohnens des bei fib e.V. Marburg (Verein zur Förderung der Integration Behinderter). Tina Jahns, Diplom- Sozialpädagogin und Peer Counselorin, arbeitet seit Mai 2009 im Zentrum für selbstbestimmtes Leben e.V. in Erlangen. Zu ihren Tätigkeitsbereichen zählt das Persönliche Budget, Beatmungsthemen und schwerpunktmäßig die Arbeit mit behinderten Frauen. Petra Stephan, Diplompsychologin, arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Psychologie der Charité/Berlin. Sie ist Gründungsmitglied des ‚Berliner Zentrums für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V.’ und eine der Vorstandsprecherinnen. Sie ist Vorstandsmitglied der ISL e.V. und Ausbilderin für Peer Counselor/innen. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 74 Rückmeldebogen: Ihre Meinung ist uns wichtig! Wir hoffen, dass unser Studienhandbuch „Empowerment – Selbstbild Zukunftsplanung“ hilfreich für Sie war. Um unsere Arbeit zu verbessern, bitten wir Sie um Ihre Meinung zu den einzelnen Kapiteln. Sie können Ihre generelle Bewertung durch eine Zahl auf einer Skala von 1 – 10 (1 = schlecht oder unwichtig, 10 = sehr gut oder sehr wichtig) vornehmen und/oder zusätzliche Kommentare hinzufügen. Herzlichen Dank für Ihre Mühe! Allgemeine Bewertung Wie hilfreich fanden Sie das Studienhandbuch? (....) ..................................................................................................... Wie beurteilen Sie den Umfang des Studienhandbuches? (....) ............................................................................................................. Wie beurteilen Sie die Verständlichkeit des Studienhandbuches? (....) ............................................................................................................. Wie beurteilen Sie ganz allgemein die Übungen und Arbeitsblätter des Studienhandbuches? (....) ............................................................................................................. ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 75 Wie beurteilen Sie die Kapitel des Studienhandbuches im einzelnen? Kapitel 1: (....) ............................................................................................................... Kapitel 2: (....) ................................................................................................................. Kapitel 3: (....) ................................................................................................................. Kapitel 4: (....) .................................................................................................................. Ergänzungen Welche noch nicht behandelten Themen sind für Sie von Interesse? ................................................................................................................. ................................................................................................................. ................................................................................................................. Bitte schicken Sie den ausgefüllten Fragebogen an: ISL e.V., Krantorweg 1, D - 13503 Berlin, Fax: +49 -(0)30/4057 3685, E-Mail: info@isl-ev.de ISL e.V. Empowerment - Selbstbild - Zukunftsplanung Juli 2010 76 Interessenvertretung “Selbstbestimmt Leben“ in Deutschland e.V. - ISL Selbstbestimmt Leben – Das Original! Das sind wir Die "Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. - ISL" ist die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen und wurde 1990 von behinderten Frauen und Männern gegründet. Wir definieren „Behinderung“ nicht als Defizit aus einer medizinischen Perspektive. Vielmehr verstehen wir Behinderung als Menschenrechtsthema. Unsere Leitideen sind „Selbstbestimmung – Selbstvertretung – Inklusion – Empowerment“! Die ISL e.V. ist der deutsche Zweig der 1980 gegründeten internationalen Selbstvertretungsbewegung behinderter Menschen "Disabled Peoples´ International - DPI". Das wollen wir Die ISL e.V. setzt sich ein • für die Realisierung aller Menschenrechte behinderter Frauen und Männer 77 • für ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen mit Behinderungen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen in allen Bereichen des Lebens und der Gesellschaft • für die Realisierung des Grundsatzes „Nichts über uns ohne uns!“ • für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen Das tun wir Mit den Methoden des „Peer Support“ und „Peer Counseling“ stärken wir einzelne Menschen mit Behinderungen im Sinne des Empowerments, damit sie Zugang zu ihren eigenen Stärken und Ressourcen bekommen und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Durch politische Interessenvertretung, Gremien- und Lobbyarbeit versuchen wir einerseits, die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass behinderte Frauen und Männer gleichberechtigt teilhaben können. Andererseits dienen diese Aktivitäten auch der Bewusstseinsbildung, damit Menschen mit Behinderungen immer häufiger und immer selbstverständlicher als Bereicherung der Gesellschaft betrachtet werden. Wir tragen dazu bei, die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland mit Leben zu erfüllen und engagieren uns für Inklusion in allen Lebensbereichen. Die persönliche Assistenz, die inklusive Bildung und die berufliche Teilhabe bilden dabei unsere derzeitigen thematischen Schwerpunkte. 78 Das unterscheidet uns von anderen – wir sind das Original! Wo „Selbstbestimmung“ drauf steht, muss auch „Selbstbestimmung“ drin sein! „Selbstbestimmung“ darf nicht zu einem zwar fortschrittlichen, aber inhaltsleeren Etikett verkommen. Für „Selbstbestimmung“ gibt es klare, international gültige Kriterien, nach denen wir arbeiten und mit denen wir uns von anderen Organisationen unterscheiden: • Alle Entscheidungskompetenzen liegen in den Händen von Menschen mit Behinderungen, da sie die Expertinnen und Experten in eigener Sache sind. • Mindestens 3/4 der bezahlten oder ehrenamtlichen Tätigkeit liegt in der Verantwortung behinderter Menschen. • Im Sinne des Selbstvertretungsprinzips werden Versammlungen, Verhandlungen und öffentliche Auftritte ausschließlich von behinderten Frauen und Männern wahrgenommen. Wir arbeiten in Deutschland und international behinderungs- und themenübergreifend. Wir achten auf Geschlechtergerechtigkeit und wollen behinderte Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt sichtbar machen. Informationen: www.isl-ev.de www.dpi-europe.org www.dpi.org © ISL e.V. 2010 79 Impressum Herausgeber: Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL). Redaktion: Eileen Moritz (v.i.S.d.P.), H.- Günter Heiden (ISL e.V.) Titelfoto: Expertise Centre Independent Living (Belgien). Das Foto zeigt hinteren Teil eines Busses der ULOBA-Cooperative on Personal Assistance (Norwegen) www.uloba.no Autorinnen: Susanne Göbel, Stefanie Ingiulla, Tina Jahns, Petra Stephan Redaktionsschluss: Juli 2010. Barrierefreie Gestaltung: Rolf Barthel Bezug: ISL e.V., Krantorweg 1, D - 13503 Berlin Tel.: 030/4057 1409 o. 4317716, Fax: 030/4057 3685 E-Mail: info@isl-ev.de URL: www.isl-ev.de  Copyright: ISL e.V. Wir bedanken uns für die Interessenvertretung finanzielle Unterstützung durch die “Selbstbestimmt Leben“ in Deutsche Rentenversicherung Deutschland e.V. - ISL Bund.

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