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den Konfidenztafeln gegenuͤber der Bittschriftenlinde im Potsdamer Stadt—
schloß zugezogen, und bei den Hofmaskenbaͤllen trank der Koͤnig mit ihr den
Tee in ihrem verschlossenen Kabinett. Daß sie ihren Ruhm nicht nur ihren be—
deutenden kuͤnstlerischen Qualitaͤten, sondern auch ihrer Erscheinung zu ver—
danken hatte, beweisen die zahlreichen Gemaͤlde, die Pesne von ihr fuͤr den
Koͤnig malen mußte — bald als Venus, bald als Diana, als Nymphe, Pomona,
als Bacchantin und in vielen andern Entkleidungen, die soweit gingen, daß sie
schließlich nur mit einem Siegelring bedeckt war.
Aber nicht nur der Koͤnig, sondern viele andere verehrten sie wegen ihrer
Schoͤnheit. Sie puderte sich nicht ihr schwarzes Haar, wie es die Sitte der
Zeit erforderte, sondern streute sich nur manchmal „Brillantstaub“ auf die
Locken. Sproͤde soll sie nicht gewesen sein. Allerdings soll sie schoͤne Offiziere
vorgezogen haben — wenn sie bemittelt waren. Vom Bankier Ephraim
Potsdamer aber nahm sie ein Kollier im Werte von 2000 Laubtalern an,
ohne ihm mit mehr als einem Laͤcheln zu danken. Zu ihren erklaͤrten Ver—
ehrern gehoͤrte, neben den Grafen Rothenburg und Algarotti, dem Ritter
Chazot und vielen anderen Franzosen, Englaͤndern, Italienern und Russen
auch der Sohn des Großkanzlers Cocceji, der die schoͤne Italienerin trotz
mancher Hindernisse heiratete. Nach vierzigjaͤhriger Ehe ließ sie sich noch von
ihm scheiden und vermachte ihre schlesischen Guͤter einem Fraͤuleinstift. Wie
so viele gefeierte Schoͤnheiten endete sie als fromme Wohltaͤterin. ...
Einer deutschen Buͤhnenkuͤnstlerin waͤren wohl kaum solche Aufmerksam—⸗
keiten erzeigt worden, wie der launenhaften italienischen Taͤnzerin. War
doch Friedrich II. selbst der spaͤter so beruͤhmten Opernsaͤngerin Mara, ge—
borenen Schmeling, mit dem groͤßten Widerwillen entgegen gekommen.
Des Koͤnigs Abneigung gegen deutsche Kunst war so groß, daß er seinem
Intendanten, auf den Vorschlag, die junge Deutsche zu engagieren, ant—
wortete: „Das sollte mir fehlen! Lieber moͤchte ich mir ja von einem Pferde
eine Arie vorwiehern lassen, als eine Deutsche in meiner Oper zur Prima—
donna haben!““ Die Schmeling wußte ihn aber durch ihre Unbefangenheit,
freies Auftreten und durch ihre Kunst gaͤnzlich umzustimmen. Ihr Gesang
entzuͤckte die Berliner bis zur UÜUbertreibung. In einer Zeitung erschien das
folgende Gedicht:
Aus der Semiramis gekommen
Und ganz vom seligsten Entzuͤcken eingenommen
Sank Lottchen an der Schwester Brust.
Ach, Schwester, rief sie aus, laß mich zu Grabe bringen,
Wenn Salems dort wie unsere Schmeling singen,
O, dann ist Sterben eine Lust!
Nach Louis Schneiders „Geschichte der Berliner Oper“.