Nur ganz „vornehme Frauenzimmer“ trugen
—A
den weitabstehenden Reifroͤcken nicht frieren
wollte, der zog einen engen, mit Pelz ge—
fuͤtterten Unterrock uͤber das Hemd.
Selbst lange Kniestruͤmpfe waren nicht
bei allen Frauen zu finden. Viele banden
ihre Struͤmpfe unterm Knie oder gar mitten
auf der Wade — alles aus Koketterie. Denn
die weiten Reifroͤcke waren meist „fußfrei“
und ließen es zu, daß mit den zierlichen
Fuͤßen ebenso eifrig der Maͤnnerfang betrieben
wurde wie mit der engen Taille. . ..
Daß unter solchen Umstaͤnden auch
die Haͤndler mit Kosmetika und allerlei
Schoͤnheitsmitteln ihren Vorteil fanden, ist
nicht zum verwundern. Wasser gegen Finnen
und Sommersprossen, gegen Warzen und
haͤßliche Male wurde ebenso eifrig und mit
lautem Halloh ausgeboten wie heute. Ja,
auch damals beherrschten schon gewisse
Menschen die Kunst, aus alten runzligen
Schachteln wieder „zarte und schoͤne Weibchen“ zu machen. Sonderbarer⸗
weise betaͤtigten sich in dieser vielbeschaͤftigten Kunst meist Leute, die sich
auch als Zahnaͤrzte und Zahntechniker ankuͤndeten. Sie verschoͤnten nicht
nur den Mund, sondern hatten auch „Augenwasser und kuͤnstliches Wasser,
das eine schoͤne zarte und weiße Haut machet und sie frisch erhaͤlt — Teig, so
schoͤne weiße Haͤnde machet“ und viel aͤhnliches Zeug mehr, das doch sehr
begehrt sein mußte. Denn in der Stadt von noch nicht 100 000 Einwohnern
hielten sich eine ganze Menge solcher Zahnaͤrzte und Schoͤnheitsdoktoren auf,
deren Einnahme es vertrug, daß sie eine Reklame machten wie heute manche
Warenhaͤuser.
Viele, viele mußten der Schoͤnheit beduͤrfen. ....
Nachdem solange die Lust am aͤußeren Schmuck des Leibes hatte Be—
scheidenheit uͤben muͤssen, konnte sie sich endlich so recht nach Herzenslust aus⸗
toben. Was der junge Koͤnig seinem Hof vormachte: die Einkleidung aller
Hofbeamten und Domestiken in praͤchtige Gewaͤnder nach franzoͤsischer Art,
war fuͤr die Damenwelt eine Aufforderung zum eifrigen Nachahmen. Das
Pariser Modejournal wurde mit gruͤndlicher Gewissenhaftigkeit studiert, und
Schminke, Schoͤnpflaͤsterchen, Reifroͤcke, vor allem aber die theatralischen