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volk in die Augen stechen
mußten. Schon die Kinder
wurden mit dem Marterzeug
zusammengepreßt. Und damit
der Leib dann nicht zu sehr
hervortrete, wurde ein Blank—
scheit, ein Holzbrettchen unter—
geschoben, das den Bauch
zuruͤckhalten und wieder in
„Gerade Front“ bringen mußte.
Wer solch Quaͤlholz, das „von
der Brust bis uͤber den Nabel,
auf den Unterleib gegen die
Schaam hinunterreichte“ nicht
an seinen Koͤrper dulden wollte,
mochte er auch schwanger sein
— der durfte sich nicht zu den
liebenswuͤrdigen Frauenzim—
mern zaͤhlen und mußte wohl
verzichten, den „Kram am
besten auszulegen“ und die
„allergroͤßte Gloire“ zu erwer—⸗
ben. Eine solche Dame durfte
nicht an großen Gesellschaften
teilnehmen, ja, sie konnte kaum
in der Contusche, einen langen, weiten Mantel, zu einem Kaffeestuͤndchen
gehen — wo uͤbrigens von den Damen ebenso reichlich geschnupft wurde, wie
in den Weinstuben von den Herren. Ja, es war geradezu ein Modesache, eine
Koketterie, mit zierlich spitzen Fingern aus der Tabatiere eine Prise zu nehmen.
Uberhaupt, was tat man nicht alles aus Koketterie! Die Schuhe konnten
so eng sein, daß alles Blut aus den Fuͤßen wich und den Damen vor Schmerz
fast die Ohnmacht ankam; die Absaͤtze konnten nicht hoch genug sein — wenn
auch der Gang dadurch alles Sichere, Natuͤrliche und wirklich Grazioͤse verlor
und in ein Trippeln und Dahinstelzen entartete; die Farben der Stoffe mußten
alle licht und bunt sein, so daß jeder Fleck darauf zu sehen war; die Stoffe
selbst mußten so teuer wie moͤglich sein und wurden auf den weiten Reif—
roͤcken so verschwenderisch wie nur irgend denkbar aufgebauscht. Spitzen,
Stickereien, Besaͤtze — alles wurde in Massen auf den Koͤrper gehangen.
Aber ein Kleidungsstuͤck, das heute nur die Alleraͤrmsten — und auch nur in
der waͤrmeren Jahreszeit entbehren — ein Beinkleid kannten nur die wenigsten.