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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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volk in die Augen stechen 
mußten. Schon die Kinder 
wurden mit dem Marterzeug 
zusammengepreßt. Und damit 
der Leib dann nicht zu sehr 
hervortrete, wurde ein Blank— 
scheit, ein Holzbrettchen unter— 
geschoben, das den Bauch 
zuruͤckhalten und wieder in 
„Gerade Front“ bringen mußte. 
Wer solch Quaͤlholz, das „von 
der Brust bis uͤber den Nabel, 
auf den Unterleib gegen die 
Schaam hinunterreichte“ nicht 
an seinen Koͤrper dulden wollte, 
mochte er auch schwanger sein 
— der durfte sich nicht zu den 
liebenswuͤrdigen Frauenzim— 
mern zaͤhlen und mußte wohl 
verzichten, den „Kram am 
besten auszulegen“ und die 
„allergroͤßte Gloire“ zu erwer—⸗ 
ben. Eine solche Dame durfte 
nicht an großen Gesellschaften 
teilnehmen, ja, sie konnte kaum 
in der Contusche, einen langen, weiten Mantel, zu einem Kaffeestuͤndchen 
gehen — wo uͤbrigens von den Damen ebenso reichlich geschnupft wurde, wie 
in den Weinstuben von den Herren. Ja, es war geradezu ein Modesache, eine 
Koketterie, mit zierlich spitzen Fingern aus der Tabatiere eine Prise zu nehmen. 
Uberhaupt, was tat man nicht alles aus Koketterie! Die Schuhe konnten 
so eng sein, daß alles Blut aus den Fuͤßen wich und den Damen vor Schmerz 
fast die Ohnmacht ankam; die Absaͤtze konnten nicht hoch genug sein — wenn 
auch der Gang dadurch alles Sichere, Natuͤrliche und wirklich Grazioͤse verlor 
und in ein Trippeln und Dahinstelzen entartete; die Farben der Stoffe mußten 
alle licht und bunt sein, so daß jeder Fleck darauf zu sehen war; die Stoffe 
selbst mußten so teuer wie moͤglich sein und wurden auf den weiten Reif— 
roͤcken so verschwenderisch wie nur irgend denkbar aufgebauscht. Spitzen, 
Stickereien, Besaͤtze — alles wurde in Massen auf den Koͤrper gehangen. 
Aber ein Kleidungsstuͤck, das heute nur die Alleraͤrmsten — und auch nur in 
der waͤrmeren Jahreszeit entbehren — ein Beinkleid kannten nur die wenigsten.
	        
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