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Von Bürgern und Kindern

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Gerade nuͤchterne Straßen. Eine, wie die andere. Selten unterbrochen 
oon einem kleinen Schmuckplatz oder einer breiteren Straße, deren Baͤume 
ebenso am Sauerstoffhunger leiden wie die Weltstadtkinder. Und die Be— 
wohner dieser Straßen? Außer den kleinen Geschaͤftsinhabern fast alle 
Lebensgenossen jener Familie. Auf gleichem Flur mit ihr wohnt ein ehe— 
maliger Bauarbeiter, der jetzt den ganzen Tag mit einer Schnapsbruͤder⸗ 
kolonne an der Ecke bei einer Destillation steht, abends betrunken nach Hause 
ommt und seine Frau und Kinder schlaͤgt. Die Frau ernaͤhrt die ganze 
Familie — sie geht waschen. 
Die Kinder aber sind sich den ganzen Tag selbst uͤberlassen. Wenn die 
Weihnachtszeit naht, ziehen sie nach der Friedrichstraße, nach dem Leipziger 
Platz und anderen westlichen Laufgegenden und schreien mit klaͤglicher 
Stimme: „'n Sechser de laufende Maus!“ „Een' Iroschen der Hampelmann!“ 
Mit aufgeweichten Schuhen stehen sie bis in die Nacht auf dem naßkalten 
Pflaster. 
Ein anderer Nachbar jener 
Familie ist die Frau, deren 
Mieterinnen bis in den Nach— 
mittag hinein schlafen, dann 
halbangekleidet in derWohnung 
herumlaufen, in den Fenstern 
liegen und abends aufge— 
donnert auf die naͤchtliche 
Straße gehen. Manchmal wer—⸗ 
den sie wohl auch von Schutz— 
leuten fortgefuͤhrt. Und der 
Hallo, der dann entsteht! Die 
Redensarten und Schimpf— 
worte! Das ist dann ein 
Hauptvergnuͤgen fuͤr die joh— 
lende Kinderschar, die bis zum 
Polizeibureau hinschwaͤrmt und 
wartet, bis die „Gruͤne Minna“ 
— der Polizeiwagen — die 
Haͤftlinge nach dem Alexander⸗ 
platz schafft. 
Wahrlich, ein weltstaͤdtischer 
Eindruck. 
Was bleiben den Kindern 
dieser Arbeiterstraßen noch fuͤr
	        
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