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recht zur Wirkung. Von 1850 bis 1860 stieg die Zahl der Besucherinnen
der hoͤheren Toͤchterschulen fast auf die doppelte Zahl. Die Maͤdchen
sollten doch alle ein bißchen franzoͤsisch koͤnnen und feinere Art an—
nehmen. Aber so entstand auch die unleidliche hoͤhere Tochter. Ohne
wirkliches Wissen, ohne vornehmere Charaktererziehung, ausgestattet
mit dem Hang zur Kritik, der gerade in gewissen Jahren so stark und so un—
berechtigt ist, wurde die hoͤhere Tochter in den achtziger Jahren schließlich zu
einer Plage. Leixner aͤußerte sich damals recht herb uͤber sie. Er aͤußerte
auch uͤber die Toͤchter aus Handwerker- und Arbeiterfamilien, daß sie huͤbsch
und richtig schreiben, gut lesen, und sicher rechnen koͤnnten und daß sie das
in der Volksschule gelernte sicher anwenden konnten. Von den „hoͤheren
Toͤchtern“ war Leixner nicht so begeistert; ihm wurden sie in der hoͤheren
Maͤdchenschule zu sehr mit Dingen vollgestopft, die es geradezu unmoͤglich
machten, daß sie gute Haus—
frauen, Gattinnen und Muͤtter
oder erwerbsfaͤhige Maͤdchen
werden konnten. Einige konnten
sich wohl ein wirkliches Wissen
auf einem bestimmten Gebiet
aneignen. Aber viele von ihnen
bezahlten das mit ihrer Gesund—
heit. Eine Menge von Maͤdchen
litt an Blutleere und trugen dann
die Keime der Hysterie in die Ehe.
Neben der Überbuͤrdung durch die
Schule kommt noch die durch
unvernuͤnftige Kunstspielerei.
Jede hoͤhere Tochter soll perfekt
Klavierspielen, malen und wer
weiß was noch. Die wenigsten
hatten es noͤtig. Und in den
Ateliers der bekannten Maler
quaͤlen sich 3060 meist talent—
lose Maͤdchen — um schließlich
aur aͤsthetisch aufgeputztemMuͤßig⸗
gang nachzugehen und die so kost—
bare Gesundheit zu verlieren.
Nur in den hoͤchsten Kreisen und
reichsten Familien gab man auch
fruͤher schon auf Koͤrperpflege;