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Von Bürgern und Kindern

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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gehalten. Aber das Praktische des Lebens wurde nur in seltenen Faͤllen miß— 
achtet. Viele Generalstoͤchter und Geheimratskinder mußten bei Zeiten in 
der Kuͤche helfen und den Staublappen in die Hand nehmen. Große Uppig— 
keit im Halten von Dienstpersonal konnten sich nur wenige leisten. Und in 
den Familien, die es konnten, war es nicht immer Sitte, die jungen Damen 
ganz dem praktischen Leben zu entfremden. Wohl wurden auch manche 
Maͤdchen in Pensionen gegeben. Und eine ernste Frau, Helene Unger, 
urteilte uͤber die Pensionen von anno dazumal sehr schroff. Ihre Leiterinnen 
haͤtten die Pension nur unternommen, um ein Brot zu finden. Sie seien 
Kinderfreundinnen, die den Maͤdchen keine ernsten Kenntnisse, sondern nur 
Geziertheit und Koketterie, Putzmachen und Tanzen beibraͤchten. 
Fruͤher aber war es wohl natuͤrlicher und vernuͤnftiger, wenn die Muͤtter 
ihre Toͤchter bei sich behielten. Die wurden denn auch daheim in allen weib— 
lichen Arbeiten gut unterrichtet. Und 
es fanden sich wieder weibliche Seelen, 
die den Kindern Geschichten vorlasen, 
wie es Hosemann 1839 schilderte. 
Um jene Zeit begann uͤberhaupt 
das Kind eine wichtige Rolle zuspielen. 
In Berlin mieteten die Muͤtter, die 
nicht selbst einen Garten besaßen, in 
Gaͤrtnereien oder bei Sommerwirten 
in den Vorstaͤdten fuͤr die Sommerzeit 
ein Plaͤtzchen, um ihren Kindern eine 
Ecke zum Spielen in frischer Luft zu 
sichern, da wurden Schaukeln an den 
Baͤumen angebracht, Ringelreihen 
gespielt und Reifen geschlagen. Die 
haͤuslichen Spiele der Kinder jener Zeit 
waren außerordentlich reich. Die 
kleinenMaͤdchen zeigten sich als kuͤnftige 
Muͤtter, ermahnten ihre Puppen und 
kochten fuͤr sie, als waͤren es menschliche 
Wesen. Auch trugen sie ihr „Julchen“ 
so sorgsam spazieren, wie wenn es ein 
Geschoͤpf von Fleisch und Blut sei. Und 
die Bruͤder mußten sich als kleine Pasto— 
ren verkleiden und ihnen die Staats— 
puppen taufen. S. 476. Da offenbarte 
—DD 
J. W. Meil: Gemeinschaftliche Schule Ende des 
18. Jahrhunderts
	        
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