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in einem Hause. In manchen solchen
Anstalten war auch der Unterricht in
einzelnen Faͤchern gemeinschaftlich. Was
heute also angestrebt wird, bestand einst
schon als natuͤrliches Ergebnis der Ver—
haͤltnisse.
Bei einem aber immer doch sehr
mangelhaften Schulwesen war das
Wesen der Erzieher und Erzieherinnen
sehr verbreitet. Besonders waren viel
franzoͤsische Erzieherinnen in deutschen
Haͤusern zu finden. In den „Be—
merkungen eines Reisenden durch die
koͤniglich preußischen Staaten vom Jahre
1779“ finden sich folgende Außerungen:
„Viele franzoͤsische Erzieherinnen sind
dieses Namens in jeder Beziehung un—
wuͤrdig . . . Und wenn sie nur wenigstens
wuͤßten, was es mit der Ausbildung des
Charakters fuͤr eine Bewandtnis hat!
Eine Verbeugung à la mode française,
einige franzoͤsische Komplimente ohne
Saft und Kraft, enge Kleider, ein Schnuͤrleib oder Korsett, eine Frisur,
wie sie in Paris getragen wird, Auflegen von Puder nach dem feinsten
Geschmack, Kleider, Bandschleifen und aͤhnliches — das nennen sie
monde und lehren es die ihnen anvertrauten jungen Maͤdchen.“ Sie
verduͤrben die gediegenen Dinge, die die Kinder von den Hofmeistern
lernten. Nun waren aber die Hofmeister auch nicht immer die Vernuͤnftigsten.
Auch unter ihnen fanden sich Charlatane und hohle Gesellen, die beim Unter—
richt mehr schauspielerten, als Wissen mitteilten. Sie paßten ganz gut in
die Haͤuser protzenhafter Adliger und Lieferanten, die ihre Kinder zum Unter—
richt wie zu einer Masken-Redoute aufdonnern ließen. Das Beachtenswerte
in jener Zeit aber war, daß die Kinder beim Unterricht meist stehen mußten.
Oft standen auch die lehrenden Personen. Aber nicht immer. Die Kinder
mußten jedoch stets stehen und so die Ehrfurcht vor dem Alteren ausdruͤcken. S. 473.
In der letzten Haͤlfte des 18. Jahrhunderts war viel von Reisenden und
Beobachtern geklagt worden, daß die Muͤtter in buͤrgerlichen und vornehmen
Kreisen ihre Kinder nicht mehr selbst stillen wollten. Sie uͤbergaben sie gleich
nach der Geburt einer Amme. Und wo der Mann darauf hielt, daß eine
Mutter ihr Kind an die eigene Brust legte, taten es die Muͤtter nur in der
Lhodowieckt: Weihnachtsbescherung