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genommen zu haben. Kossak spricht von Visitenaffen und von der unleidlichen
Manier, bei den geringfuͤgigsten Gelegenheiten Antritts-, Beileids-, Gratu—
lations- und wer weiß was noch fuͤr Visiten zu machen. Und da die Frauen
sich damals noch in keinen oͤffentlichen Lokalen allein treffen und aussprechen
konnten, so besuchten sie einander, und in gewissen Haͤusern hing die Klingel
oon 12 Uhr Vormittags an nicht mehr ruhig; kein Hausmitglied konnte sich
fuͤnf Minuten ungestoͤrt der Arbeit hingeben.
Diese große Geschaͤftigkeit siimmte noch nicht zu dem ganzen Stadtbilde.
Die Laͤden waren vor 1870 noch alle schlicht. Die Posamentiergeschaͤfte mit
den simplen Beduͤrfnissen der Naͤherinnen und Hausmuͤtter kokettierten in
ihren niedrigen Schaufenstern mit einzelnen Glaces und einer Schwimmhose.
An den billigen Kleiderlaͤden hingen Plakate „Feuer, Mord!“ In zahllosen
Kellergeschaͤften gab es
Stiefel, Geschirr, Obst,
Gemuͤse, Holz, Torf,
Kohlen, Milchbuͤros
hatten Drehrollen. Nur
wenige Geschaͤfte fuͤhr—
ten Italienerwaren
(Delikatessen). Das
Geschaͤftszentrum be—
fand sich noch in der
Naͤhe vom Schloß, wo
die Juweliere wohn—
ten und der bewunderte
Bazar von Gerson auf
die spaͤteren Waren—
haͤuser hinwies; das
dreistoͤckige Gebaͤude
hatte schon seinen Ober—⸗
lichtsaal. Zeitgenossen
schrieben entzuͤckt:
„Welch ein bewegtes,
schillerndes Leben in
diesen Raͤumen voll
Seidenglanz, zwischen
diesen mit strahlenden
Teppichen behangenen
Waͤnden, auf den mit
weichen Decken beleg—