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Von Bürgern und Kindern

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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genommen zu haben. Kossak spricht von Visitenaffen und von der unleidlichen 
Manier, bei den geringfuͤgigsten Gelegenheiten Antritts-, Beileids-, Gratu— 
lations- und wer weiß was noch fuͤr Visiten zu machen. Und da die Frauen 
sich damals noch in keinen oͤffentlichen Lokalen allein treffen und aussprechen 
konnten, so besuchten sie einander, und in gewissen Haͤusern hing die Klingel 
oon 12 Uhr Vormittags an nicht mehr ruhig; kein Hausmitglied konnte sich 
fuͤnf Minuten ungestoͤrt der Arbeit hingeben. 
Diese große Geschaͤftigkeit siimmte noch nicht zu dem ganzen Stadtbilde. 
Die Laͤden waren vor 1870 noch alle schlicht. Die Posamentiergeschaͤfte mit 
den simplen Beduͤrfnissen der Naͤherinnen und Hausmuͤtter kokettierten in 
ihren niedrigen Schaufenstern mit einzelnen Glaces und einer Schwimmhose. 
An den billigen Kleiderlaͤden hingen Plakate „Feuer, Mord!“ In zahllosen 
Kellergeschaͤften gab es 
Stiefel, Geschirr, Obst, 
Gemuͤse, Holz, Torf, 
Kohlen, Milchbuͤros 
hatten Drehrollen. Nur 
wenige Geschaͤfte fuͤhr— 
ten Italienerwaren 
(Delikatessen). Das 
Geschaͤftszentrum be— 
fand sich noch in der 
Naͤhe vom Schloß, wo 
die Juweliere wohn— 
ten und der bewunderte 
Bazar von Gerson auf 
die spaͤteren Waren— 
haͤuser hinwies; das 
dreistoͤckige Gebaͤude 
hatte schon seinen Ober—⸗ 
lichtsaal. Zeitgenossen 
schrieben entzuͤckt: 
„Welch ein bewegtes, 
schillerndes Leben in 
diesen Raͤumen voll 
Seidenglanz, zwischen 
diesen mit strahlenden 
Teppichen behangenen 
Waͤnden, auf den mit 
weichen Decken beleg—
	        
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