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spielig, daß sie von den Hausfrauen in den Pfeilerschraͤnkchen des Wohnzimmers
aufbewahrt wurden. Nur wenige Familien hatten den Schneiderschen Bade—
schrank, in dem sich der Badende mit einigen Litern Wasser bespritzte. Bade—
stuben kannte kein Mensch. Die erste Badeanstalt war in den zwanziger
Jahren eroͤffnet, aber fuͤr die Frauen gab es im Jahre 1837 noch keine Frei—
badeanstalt. Zuͤndhoͤlzer und Zylinderlampen, die mit raffiniertem Ol
gespeist werden mußten, verdraͤngten im Jahre 1827 Kerzen und Lichte und
die offenen „Funzeln“. (Mila.) Damenputz wurde von mehreren Geschaͤften
„geschmackvoll verfertigt“; aber einige Frauen hatten schon Putzateliers, so
Madame Lowe in der Friedrichstraße und Madame Bartz, Unter den Linden.
Die Schneiderei war nicht minder weit als die Putzmacherei vorgeschritten.
Und wenn auch in der einen oder der andern nur nach Mode-Journalen oder
Mustern aus London und Paris gearbeitet wurde, so zeichneten sich doch durch
Eleganz ihrer Arbeiten manche Schneider aus. Luxuswaren aller Art gab
es bei den Gebruͤdern Arnous. Sie fuͤhrten bronzene, marmorne und
alabasterne Kunstsachen, englische und franzoͤsische Kleider-, Kopf-, Zahn—⸗
und Nagelbuͤrsten, Glaͤser aller Arten, Kaͤstchen mit Jagdinstrumenten,
Arbeitskaͤstchen, Likoͤre, englische Saucen, eingemachte Fruͤchte, Lorgnetten,
Brillen, Parfuͤmerien, Schminke, Pomaden, Riechwasser, wohlriechende
Seifen und Venusmilch fuͤr den Teint. Fuͤr die elegante Welt gab es also
schon Warenhaͤuser — trotz der nicht vorhandenen Gewerbefreiheit. Allzu
großen Umsatz koͤnnen die Luxusgeschaͤfte nicht gehabt haben. Die Ber—
linerin war aͤußerst arm an Schmuck. Hatten die franzoͤsischen Kontributionen
schon manchen Familienschatz aufgezehrt, so gaben die Berlinerinnen 1813
noch das wichtigste Schmuckstuͤck hin: ihre Trauringe. Der Unternehmer
einer Zeitungslesehalle hatte sie aufgefordert, ihre Ringe auf den Altar des
Vaterlandes zu legen und dafuͤr solche aus Eisen anzunehmen mit der In—
schrift: „Gold gab ich fuͤr Eisen“. Schon am ersten Tage wurden 150 goldene
Ringe gebracht. Aber es blieb nicht bei den Ringen. An 150 000 Schmuck—
stuͤckke wurden hingegeben. So mußten in den bescheidenen Zeiten auch die
Frauen recht bescheiden mit dem Schmuck sein. Perlen und Brillanten
trugen sie selten. Aber ihr einfacher Schmuck war kuͤnstlerisch gedacht. Selbst
die Medaillons und Kreuze, die von den jungen Maͤdchen an Samt- oder
Seidenbaͤndern getragen wurden, trugen einen kuͤnstlerischen Stil. Auch die
Juͤdinnen, die sonst gern mit Schmuck prunken, trugen im Vormaͤrz die vor—
nehmen Schmucksachen, die mit farbigen Halbedelsteinen besetzt waren. Die
Juden waren uͤbrigens im Vormaͤrz in eine sonderbare Lage geraten. Im
Fruͤhjahr 1813 erhielten die Juden groͤßere buͤrgerliche Freiheiten; sie dankten,
indem viele von ihnen mit ganzer Begeisterung in den Krieg gegen Napoleon