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— das war es, was die Raͤume schmuͤckte und sie zur großen Welt machte —
auch wenn die Raͤume nur klein und beschraͤnkt und nur mit bescheidenen
Mitteln ausgestattet waren.
Die Buͤrger fanden ihre Welt auch noch im harmlosen Theaterspiel.
Ja, den Berlinern war das Theater jahrzehntelang die beste Bildungsschule.
Offentliches Leben fehlte ihnen. So ergaben sie sich denn dem Theaterspiel.
Es gab kaum begeistertere Zuschauer und Betrachter, als in Berlin — wo
zahllose Theatervereine in allen Kreisen gegruͤndet wurden und zur Ver—
feinerung der aͤußeren Sitte redlich beitrugen und auch geistig anregend
wirkten. Das Hoftheater genuͤgte den Anspruͤchen durchaus nicht. Unter
Iffland herrschte ein ziemlich philistroͤses Repertoire. Die Klassiker kamen
wohl auch zu Wort. Aber Kleists „Kaͤtchen von Heilbronn“ kam z. B. nicht zur
Auffuͤhrung. UÜber Ludwig Deorients genialischen Wirkungsjahren, die auf
Ifflands Tod folgten, lag ein anderer, gluͤhenderer Schein — den dann die
klassische Periode des Ehepaares Wolff wieder abkuͤhlte. Von dem Volks—
theater, das der Kommissionsrat Cerf gruͤndete, versprach man sich damals
alles. Aber es kamen keine neuen Dichter. Raupach kuͤmmerte sich nicht um
Volkstuͤmliches und Angely reichte nicht aus. So schufen sich denn die Ber—
liner, die sich gern zusammenschlossen, um recht viel Plaͤsier fuͤr recht wenig
Geld zu haben, ihre Theatervereine. Nicht etwa, um revolutionaͤre Stuͤcke
im heutigen Sinne aufzufuͤhren. Aber Schiller wurde doch bevorzugt. Selbst
auf dem Dachboden wurde die Buͤhne aufgeschlagen. Rodenberg schilderte
diese Vereinssucht der Berliner sehr huͤbsch:
„Jeglicher guter Hausoater des Vormaͤrz, der einen Anspruch auf
Bildung, Wohlanstaͤndigkeit und leidliche Existenz machte, schloß sich einem
dieser Vereine an. Sie waren verschiedener Art, verschiedenen Charakters,
je nach den Elementen, die sie bildeten. Die einen huldigten lediglich dem
philistroͤͤen Genuß des Tabakrauchens aus langen Stammpfeifen, wobei
Weißbier getrunken, „warm Abendbrot“ gegessen und entweder gekannegießert,
oder ein Boston, ein Whist, ein Pollack, wenn nicht gar ein Schafskopf gespielt
wurde. Diese nannten sich meist Ressourcen.
Andere wieder waren dem Tanz gewidmet, den „Kraͤnzchen“, abgeloͤst
alle vier Wochen durch einen „Ball“. Solche Gesellschaften bildeten sich meist
aus juͤngeren Maͤnnern, die ihre Frauen, Schwestern oder Braͤute springen
lassen wollten und selbst noch leidenschaftlich mitsprangen. Die meisten
Vereine und zugleich die beliebtesten waren aber jene, die alles verbanden:
ein oder zwei Zimmer fuͤr die Spießbuͤrger zum Tabakrauchen, einen Saal
zum Tanzen, ein Billard fuͤr die jetzt gleichfalls abgeschaffte Attaque auf die
gelbe Caroline, und ein Theater, wo Liebhaber, Dilettanten und Anfaͤnger
ihre Kunst, natuͤrlich gratis, probierten. Der gebildetste Teil der Bourgeoisie