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Von Bürgern und Kindern

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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und den Freunden des Koͤnigs Tribute fuͤr ihren Aufenthalt in Preußen 
zahlen. Und als sich herausstellte, daß 120 juͤdische Familien in Berlin 
250 Dienstboten hielten, verbot er ihnen, mehr als 200 zu halten. Bis zum 
Ende des 18. Jahrhunderts durften Juden keine oͤffentlichen Amter bekleiden 
und keinen Landbesitz erwerben. Auf dem Theater wurden sie nur als 
mauschelnde Wucherer dargestellt. In der Literatur wurden sie schon eher 
gewuͤrdigt. Im Jahre 1779 meldeten die Bemerkungen eines Reisenden 
durch die koͤniglich preußischen Staaten: „Das schoͤne Geschlecht der 
Israeliten spielt in Berlin eine große Rolle. Es gibt wirklich Schoͤnheiten 
im eigentlichen Sinne unter ihnen. Huͤbsche Kleidung und leichter Anstand 
erhoͤhen ihre Reize. Sie sind aͤußerst empfindsam und treiben ihre ohnedies 
schon hohe Reizbarkeit oft zu weit.“ 
Im 18. Jahrhundert hatten sich die Voͤlker und Klassen noch nicht so 
recht gemischt. Zwar hatte sich von Sanssouci und seinem literarisch-mili— 
taͤrischen Kreis aus eine scharf pointierte, schlagfertige Redeweise verbreitet, 
die zwar nur die Sprache der hoͤheren Ge— 
sellschaftsschichten war, die aber doch An— 
chluß an die breite Mittelschicht fand. Und 
zwar meint Fontane, daß es vor allem 
Lessings „Nathan“ mit seinem Evangelium 
der Aufklaͤrung war, der auf die gebildete 
berlinische Mittelklasse wirkte. Der berlinisch— 
uͤdische Geist sprach sich in ihm aus. Doch 
„Nathan“ war nicht nur Ursache, er war auch 
Wirkung. Laͤngst schon waren die gebildeten 
Schichten von einem spitzfindigen und natio— 
aalistischen Geist durchsetzt. „Nathan“ war 
doch schließlich nur ein Erzeugnis seiner 
Epoche. Und das zugespitzte berlinische 
Raͤsonnement mit seiner Schaͤrfe und Herb— 
heit entstand schon damals. Aber ein ein— 
heitliches Fuͤhlen und Denken, eine gewisse 
Familiaritaͤt, wie sie zu jedem ausgesproche— 
nen Volkswesen noͤtig ist, entwickelte sich 
erst mit den Befreiungskriegen, die fast alle 
gesellschaftlichen Schranken beseitigten. Nun 
wurde in allen Familien berlinisch gesprochen. 
Und der Witz, dieser aus Kritizismus, 
Selbstironie und Gutmuͤtigkeit geborene 
berlinische Witz glaͤnzte auch in jenen Buͤrger— 
Fhodowiecki: Prunkmoden.
	        
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