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Familienunterhaltung
Wegweiser durch die preußischen Staaten: Besonders behaupten die Berliner
jungen Maͤdchen noch immer den alten Ruf, daß sie sich durchgaͤngig einfach
und bescheiden kleiden, und edle Eleganz von eitlem Schimmer zu unter—
scheiden wissen. Dagegen sieht man an aͤltlichen Damen weit haͤufiger
modische und reiche Kleider, und es macht einen seltsamen Gegensatz, eine
solche mit einem ganzen Putzladen behangene Dame oder Antike in Orange
Batavia“* neben einer jungen Grazie in einfachem Anzuge zu sehen.“
Oft wurde den Juͤdinnen der Vorwurf gemacht, daß sie sich zu sehr
mit Schmuck und Mode bruͤsteten. Das machte sie ein wenig verhaßt. Wo
sie schon eine untergeordnete Stellung einnahmen. Der große Kurfuͤrst
hatte sie und ihren Reichtum einst willkommen geheißen, als sie, die aus
Wien vertrieben worden waren, ein Asyl in Berlin suchten. Und selbst der
einseitige Koͤnig Friedrich Wilhelm J. war ihnen wohl gesonnen. (Siehe
Wilcken 1823.) Als ein unbesonnener Mensch 1715 mit entbloͤßtem Degen
in die Synagoge eingedrungen war und die Juden, besonders aber deren
Frauen, erschreckt hatte, erklaͤrte der Koͤnig seinen ernsten Willen, die Juden
gegen jede Taͤtlichkeit, Beeintraͤchtigung und Beleidigung zu beschirmen.
Spaͤter aber, als er sich bei Bankerotten uͤbervorteilt glaubte, ließ er die
Juden in ihre mit einer Wache umstellte Synagoge rufen und sie foͤrmlich
mit einem Bann belegen. Juͤdische Verbrecher wurden besonders hart be—
straft und grausam hingerichtet. Er mochte an die Hofjuͤdin Liebmann
denken, die unangemeldet in seines Vaters Gemach hatte treten duͤrfen und
dies Vertrauen in den letzten Wochen vor dessen Tode mißbraucht hatte, um
ihn im Verkauf von Juwelen zu uͤbervorteilen. Die Juden mußten nach
den Hofjagden eine große Anzahl der erlegten wilden Schweine kaufen
Eine weitlaͤufig gewebter einfadiger Stoff aus Flachs.
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