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Chodowiecki: Bürgerliches
Schlafzimmer um 1780
fast nichts als Sekt. Die Luft geschwaͤngert mit Zigarettenqualm, Parfuͤm,
Alkoholdunst — und dem Duft der Frauen. ...
Noch spaͤter im Lindenkasino. Einige Haͤuser weiter. Hinten singen
die Wiener Schrammeln. Alle Tische voll Sekt und Mokka. Die Maͤdchen,
die hindurchgehen, haben schon was Taumelndes an sich. Die Augen aller
sind geroͤtet — von Sekt, von der Nacht, vom Rauch, vom Verlangen. ...
An allen Tischen laute Unterhaltung.
Derber ists im Apollo-Kasino. Dort verkehrt der mittlere Stand.
Auf dem Sofa links legt ein kleiner, sauber gekleideter Bureaubeamter seine
Hand um die Huͤfte seines bruͤnetten Maͤdchens. Am hellen Tisch sitzt eine
Weißblonde einem alten schwarzen Herrn auf dem Schoß. Nebenan faͤllt
eine Rotweinflasche um auf dem Tisch, an dem mehrere Kaufleute ihre
Maͤdchen bezecht machen. Ab und zu gibts eine Rauferei, weil irgendein
Handlungsgehilfe oder angeheiterter Student sich nicht zu einem Juden
setzen wollte.
Ahnliche Lokale gibts eine ganze Menge. Vor allem die Kaffeehaͤuser.
Der große wirtschaftliche Aufschwung, die jaͤhe Bevoͤlkerungszunahme
nach den Kriegen machte eine neue Art von Lokalen moͤglich, die denn auch
schnell aufbluͤhten. Vor 1866 gab es kein eigentliches Kaffeehaus in Berlin.
Die ersten wurden in den siebziger Jahren eroͤffnet. Und zwar nicht ein
einzelnes. Sondern gleich mehrere. Wie Bauer, National, Kaiserhof. So
konnte denn ein Franzose seinen Landsleuten die folgende boshafte Schil—
derung senden: