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Die Halbwelt

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

aufzusuchen und der Wunsch der Wirte, Attraktionen zu haben, fuͤllte die 
Bars, die fast alle in der Friedrichstadt zwischen Dorotheenstraße und Leipziger 
Straße liegen, mit Kokotten. Die Bars haben alle eine glaͤnzende Ausstattung 
mit teppichbelegtem Fußboden, Hockern, prunkvollen Buͤffetts, Spiegeln und 
Bildern. Aber nur im vorderen Raum ist das amerikanische Muster fest— 
gehalten. In hinteren Raͤumen aͤhnelt die Ausstattung den Berliner Wein— 
lokalen und Separés. Kleine Kabinen. Viel Polstermoͤbel. Gedeckte Tische. 
Auch die Getraͤnke sind halb verdeutscht. Fast von allen Besuchern wird 
Punsch oder Sekt getrunken. Nur die Preise sind nicht deutsch. Ungefaͤhr 
doppelt so hoch als in anderen Lokalen. Und sonst? Irgend eine leise schlechte 
italienische Zupf-Musik. Zwei — drei Instrumente. Dafuͤr aber im hellen 
elektrischen Licht reich gekleidete Frauen und Maͤdchen. Meist Frauen. In 
großer Gesellschaftstoilette. Sie werden wie Damen behandelt und unter— 
halten wie Damen. Parfuͤm und Puderduft, Zigarettendunst liegt um ihre 
veißen Schultern. Ihre unterschminkten Augen leuchten. Die behand— 
schuhten Haͤnde greifen nach den mit giftigen Farben gefuͤllten Glaͤsern. 
Auch die Maͤnner, die in den Bars verkehren, kommen meist in Gesellschafts⸗ 
toilette. Schwarz, mit Zylinder. Reiche Kaufleute, Offiziere in Zivil, 
Bankbeamte, Prinzen, Kuͤnstler — alles, was nicht zu den niederen Klassen 
gehoͤrt. 
Das gleiche Beduͤrfnis hat noch eine andere Art von Luxus-Lokalen 
hervorgebracht: die Kasinos. Auch sie sind nicht alle gleich. Das Tauben— 
kasino in der Taubenstraße, das sich in den Raͤumen eines ehemaligen besseren 
Tingeltangels befindet, ist ein Zwischending 
zwischen Bar, Weinlokal und Kaffeehaus. 
In den großen mit vielen Teppichen und 
Stoff geschmuͤckten Raͤumen stehen weiß— 
gedeckte Tische und weiße Stuͤhle. Eine 
Zigeunerkapelle spielt. 
An einem Tisch ein junger, großge— 
wachsener Mann in Smoking und weißer 
Weste. Sehr distinguiert. Ihm zur Seite 
eine ebensolche Dame in dunkler, duftiger 
Spitzenrobe. Jung, blond, schlank, vornehm, 
sttolz. Er behandelt sie wie seine junge Frau. 
Und haͤtte sie den glatten Reif auf dem Ring— 
finger, auf dem bunte Steine glitzern — man 
muͤßte sie fuͤr eine Dame der hoͤchsten Gesell— 
schaft nehmen. Das sind oft jene Theater— 
oder Konfektionsschoͤnheiten, die aus ein— 
Chodowiecki: Auf der 
Promenade um 1770
	        
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