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vollen Zeit der Franzosenherr—
schaft und ihrer deutschtuͤmeln—
den Tendenz die Prostitution
in Berlin. Allerdings konnte sie
nicht mehr den Schaden stiften,
den sie fruͤher angerichtet. Aber
das lag nicht an ihr. Das lag
einzig und allein an der in—
zwischen wesentlich vertieften
Lebensauffassung und Regene—
ration der allgemeinen Sitten
und Begriffe — und der wesent—
lichen Anderung der Verhaͤlt—
nisse, der Regierenden und Maß—
gebenden. Das Ungluͤck hatte
doch ein staͤrkeres Verantwort—
lichkeitsgefuͤhl erzeugt. Neue
Ideale tauchten auf. Nicht das
Genießen allein war Trumpf.
Man wollte stark werden. Und
kluͤger. Und faͤhig, mitzureden.
Nach den Feldzuͤgen von
1813 -1815 ward die Regierung
toleranter gegen die Bordelle.
Maßgebende Persoͤnlichkeiten
hatten gewiß im Ausland sich
uͤberzeugen lassen, daß die Bor—⸗
delle, wie uͤberhaupt die Pro—
stitution, nicht zu entbehren sei.
Duldete man doch von nun ab
wieder sogar „Einspaͤnnerinnen“. — Bald aber traten andere Interessen
gegen die Institution der Bordelle auf: die Privatinteressen der den Bor—
dellen benachbarten Eigentuͤmer.
Nach jahrelangem Hin und Her wurden sie nach einer abgelegenen Gasse,
nach der Koͤnigsmauer verlegt. Aber auch die Anwohner der Koͤnigsmauer
kaͤmpften gegen die Bordelle. Am meisten legte sich ein Geistlicher ins Zeug.
Er wies auch nach, daß Polizeibeamte und ein Hofkupferschmied Besitzer der
Haͤuser waren und erreichte zum 1. Januar 1846 die Schließung der Bordelle.
Der Polizeirat Stieber, der eine genaue Schilderung der vormaͤrzlichen
Prostitution gegeben hat, meinte, daß die feinere Halbwelt sich auch in die