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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

der Berliner, die damit dokumentierten, daß der preußische Drill, die gerade 
Front und der Paradeschritt ihrer eigenen Veranlagung entsprachen — 
sonst haͤtten sie sich wohl nicht so gruͤndlich und so rasch einleben koͤnnen. 
Trotzdem hatte man die feste Hand des Koͤnigs schwer auf dem Leben 
ruhen gefuͤhlt. Durch die erzwungene Bautaͤtigkeit, die weit uͤber die Be— 
duͤrfnisse Berlins hinausging, waren die Grundstuͤckpreise ganz außerordent— 
lich gefallen. Das wirkte natuͤrlich auf das Leben ein. Viele sonst recht Wohl— 
habende mußten sich einschraͤnken — wenn sie nicht solche weitreichenden 
Mittel zur Verfuͤgung hatten, wie jener Baron von Vernezobre, der in der 
Wilhelmstraße hatte bauen muͤssen, um seiner Tochter einen Mann nach 
ihrem Gefallen verschaffen zu koͤnnen. 
Da stand nun das Palais mitten zwischen den armseligen Weber— 
wohnungen der Wilhelmstraße. Denn Friedrich Wilhelm J. hatte vornehmlich 
einfache Buͤrgerhaͤuser bauen lassen; erst Friedrich II. errichtete Palais und 
Prunkbauten (das Opernhaus und die Kirchen auf dem Gendarmenmarkt). 
Der groͤßte Reichtum stieß mit der Duͤrftigkeit zusammen. Das war oft in 
Berlin der Fall. In der Altstadt gab es viele schmale mehrstoͤckige Gebaͤude, 
die ihren Besitzern einen ansehnlichen Zins trugen. Auch große, breit aus— 
ladende Herrschaftshaͤuser machten sich gewichtig breit. Aber zwischen diesen 
Gebaͤuden kauerten sich kleine Huͤtten, schmal und aͤrmlich. Und uͤberall 
standen hoͤlzerne Krambuden, die gerade nicht den Eindruck der Wohlhabenheit 
machten. Manches der kleinen Haͤuser prunkte zwar mit einer breiten Haus— 
tuͤr. Aber deren eine Haͤlfte oͤffnete sich fuͤr das Untergeschoß, waͤhrend die 
andere Haͤlfte den Eintritt zu einer huͤhnerstiegartigen, steilen und engen 
Treppe erlaubte. Im heutigen alten Berlin in der Schornsteinfegergasse 
sind noch solche Haͤuser zu finden, in denen auch heute noch aͤrmliche Klein— 
buͤrgerinnen mit ihren Familien hausen. Nicht weit davon ist aber auch das 
Gegenstuͤck zu sehen: an der Ecke der Poststraße erhebt sich stattlich und behaͤbig 
am Molkenmarkt das Haus des Kaufmanns Ephraim. Eine Reihe von 
wuchtigen Saͤulen steht vor dem breiten Tor und traͤgt einen langen Balkon; 
ein breiter Flur, groß genug zur Einfahrt, fuͤhrt zu einem maͤchtigen Treppen⸗ 
haus, in dem sich die Treppen langsam mit kleinen Stufen hinaufwinden 
nach den oberen Stockwerken mit ihren vielen Reihen von Gemaͤchern und 
Zimmern. 
Auf solcher Treppe konnten wohl die Damen mit ihren Reifroͤcken und 
in Stoͤckelschuhen herabtrippeln und uͤber das feingeschmiedete Rokoko— 
gelaͤnder schauen und laͤcheln und winken. Solche Damen waren es wohl auch, 
die in den großen Gaͤrten, die noch innerhalb der Mauer in der Leipziger 
Straße und dicht vor den Toren, so unter anderen beim Schloß Monbijou 
lagen, sich der „Garten Lust bedienten“. Solch Garten sah nach Consentius
	        
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