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Die Halbwelt

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Bett mit Vorhaͤngen versehen. Diese Schlafzimmer befanden sich gewoͤhnlich 
in den Dachstuben des Hauses; das unterste Stockwerk nahm ein zum all—⸗ 
gemeinen Versammlungsort und Ankleidezimmer bestimmter Saal ein, und 
in der mittleren Etage befanden sich die Wohnzimmer der Familie des Kupplers. 
Seine Kinder und namentlich seine Toͤchter durfte der Kuppler nach mehrfach 
erlassenen Verordnungen nicht im Bordelle erziehen, sondern er mußte sie 
außerhalb desselben in Pension geben. 
Von ihrem Verdienst mußten die Bordelldirnen durchschnittlich den 
fuͤnften bis sechsten Teil und ein woͤchentliches Kostgeld abgeben. Nach 
Berichten von zuverlaͤssigen Polizeibeamten konnte von einer uͤppigen, 
schwelgerischen Lebensweise der Dirnen in Bordellen nicht die Rede sein. 
Trotzdem sind mit wenigen Ausnahmen die Dirnen bei ihren Wirten in tiefe 
Schulden versunken. Der Leichtsinn, die Putzsucht, die Naschhaftigkeit der 
Dirnen, die unaufhoͤrlich nach etwas Pikantem in Essen und Trinken luͤstern 
sind, die kindische Gutmuͤtigkeit der Maͤdchen bei einer gewissen tuͤckischen 
Bosheit und Hadersucht, — anderseits aber die Habsucht und der Eigennutz 
der Wirte — waren nach damaligen Außerungen die Ursachen dieser Ver— 
schuldung. 
Der Grad, in welchem ein Bordell be— 
sucht wurde, stellte sich sehr haͤufig verschie— 
den heraus, indem er von vielen aͤußeren 
Umstaͤnden, namentlich der Jahreszeit, dem 
Wetter, den Arbeitsverhaͤltnissen, der An— 
kunft neuer Maͤdchen, der Schiffahrt und 
ceinzelnen zufaͤlligen Ereignissen abhaͤngig 
war. Die meiste Ausbeute gewaͤhrten 
den Bordellwirten die Wollmaͤrkte, die 
Pferderennen und die Manoͤver. 
Die Maͤdchen selbst hatten von ihrem 
Aufenthalt in den Bordellen gewoͤhnlich 
gar keinen bleibenden Vorteil, vielmehr 
gingen die meisten noch mit Schulden be— 
laden davon. Schon mit dem Augenblick, 
in welchem ein Maͤdchen in eine derartige 
Wirtschaft eintrat, war sie, ohne nur irgend— 
einen Vorteil genossen zu haben, in eine be— 
deutende Schuldenlast verwickelt. Denn alle 
Kosten, welche sie dem Wirt an Reisegeld, 
an Kommissionsgebuͤhren fuͤr seine Agenten, 
an Einschreibegeldern bei der Polizei, durch 
Chodowiecki: Feinere Kupplerin.
	        
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