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verschuldet. So wurden sie mit ihren Schulden verkauft und stellten ein
Handelsobjekt dar. Im neuen Hause mußten sie fleißig arbeiten, um die
Schuld abzutragen. Mit der Zeit aber verloren sie die Lust — die Kunden
hatten sie satt — sie kamen in neue Schulden — und wurden weiter ver—
schachert.
Berlinerinnen selbst gingen verhaͤltnismaͤßig selten in die Bordelle.
Sie waren in ihrer Stadt bekannt. Sie konnten sich selbst durchbringen.
So gingen sie nur in Bordelle, um drohenden Strafen, etwa dem Arbeits—
hause, zu entgehen.
Wollte eine Dirne in ein Bordell treten, so wurde vor den zustaͤndigen
Polizeisekretaͤren ein foͤrmlicher Kontrakt zwischen ihr und dem Bordell—
nhaber abgeschlossen.
Die Dirne N. N., die in das Bordell des X. X. als Lohnhure eintreten
wollte, mußte naͤmlich unter Beibringung ihres Großjaͤhrigkeitsnachweises
und sonstiger Atteste uͤber ihr fruͤheres Leben bei der Polizei die Bewilligung
dazu nachsuchen und der X. X. mußte diesem Gesuch das seinige beifuͤgen.
Nach genauer Pruͤfung der Atteste und
nach Erwaͤgung des Verhaͤltnisses der
N. N. wurde ein richtiger Kontrakt ab—
geschlossen.
Fuͤr diesen Kontraktabschluß muß—
ten 10 Silbergroschen und fuͤr das
gedruckte Reglement 7 und ein halber
Silbergroschen bezahlt werden. Das
Reglement, das der Dirne jederzeit den
Austritt aus dem Bordell erlaubte,
wenn sie einen redlichen Broterwerb
ergreifen wollte, wurde ihr meist rasch
von der Bordellmutter fortgenommen,
ehe sie es lesen konnte.
War das Maͤdchen nun in das Bor—
dell eingefuͤhrt, so erhielt es von der
Kupplerin die erforderlichen Kleidungs—
stuͤcke, ein Bett, eine Kommode, ein
Waschgeraͤt und einen Stuhl ange—
wiesen. Ein eigenes Zimmer wurde nur
wenigen besonders bevorzugten Dirnen
bewilligt, in der Regel mußten deren
drei und vier und selbst sechs in einem
Zimmer sschlafen, doch war jedes einzelne
CThodowiecki: Im Wirtshaus.