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Die Halbwelt

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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wie moͤglich davon zu erfassen. — So gaben sich viele gute Preußinnen 
willig den franzoͤsischen Soldaten hin. Ja, namentlich viel zwoͤlf- und drei— 
zehnjaͤhrige Maͤdchen wurden aufgegriffen, als man auf die Klagen des 
franzoͤsischen Gouvernements endlich gegen die Prostituierten vorging. 
Auch das Verbot gegen die Verbindung von Bordellen mit Tanzwirt— 
schaften und Schanklaͤden ward vergessen und an 70 beruͤchtigte Tanzboͤden 
oder Kneipen gaben Gelegenheiten. Manche Bordelle waren zu Spielhoͤllen 
ausgeartet. 
Jetzt wollte man von oben herab die Bordelle aufheben oder ihnen 
zum mindesten den Stempel tiefster Verworfenheit und Schandbarkeit auf— 
druͤcken. Auf diese Weise gedachte man der Prostitution ein Ende zu machen. 
Die Polizei hatte inzwischen schon die Bordelle vermindert und zwar auf 
lerster Klasse mit 6 Dirnen 
20 zweiter 75 
und 22 dritter 4117 F 
Sie widersetzte sich der Aufhebung der Bordelle, weil bei der großen Garnison 
und den fortwaͤhrenden Truppendurchzuͤgen nur die Winkelhurerei zu— 
nehmen wuͤrde. 
Eine Order vom 8. Mai 1809 verordnete, daß Bordelle nur an ab— 
gelegenen Straßen geduldet werden sollten. Daher gab es bald nur noch 
Bordelle hinter der Koͤnigs- und Stralauer Mauer, in der Petristraße, auf 
der Friedrichsgracht, in der Krausenstraße und in ganz entlegenen kleinen 
Gassen: Steingasse, schmale Gasse. 
Die Staͤdteordnung erklaͤrte die Bordellwirte wegen des niedertraͤchtigen 
Charakters ihres Gewerbes des Buͤrgerrechts fuͤr verlustig. Doch blieben 
die Wirte Buͤrger und Eigentuͤmer, indem sie ihr Bordell nur auf den Namen 
eines anderen umschreiben ließen. Von 1810 ab aab man keine neuen Kon— 
zessionen. 
1839 bestanden nur noch 33 Bordelle, die jetzt alle nach der Koͤnigs— 
mauer verlegt wurden und sich bis 1840 auf 28, bis 1844 auf 26 ver⸗ 
ringerten. Die Bordelldirnen nahmen aber nicht ab. 1836 lebten durch— 
schnittlich 200, 1837 250, 1844 240 Dirnen in Bordellen; sie draͤngten sich 
mehr in einzelnen Bordells zusammen. 1810 hatten die meisten Bordelle 
nur 3 und 4 Maͤdchen. 1844 gab es 1 Bordell mit 26 Maͤdchen, 2 mit 24, 
4mit 12-146, 10 mit 6-10 Maͤdchen. 
Seit 1842 machten die Anwohner und Nachbarn der Koͤnigsmauer 
Eingaben um Verlegung der Bordelle in entlegenere Stadtteile. 
Im Jahre 1844 wurden denn auch die Bordelle aufgehoben. Die 
Polizei, die bisher geglaubt hatte, die kasernierte Prostitution besser uͤbersehen
	        
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