403
Monate im Jahre krank war, konnte
diese Kasse nicht bestehen. Daher
wurden am 22. Dezember 1795 alle
Dirnen nach ihrem ungefaͤhren Ein—
kommen in drei Teile geteilt: die 1. Klasse
bezahlte monatlich 1Tlhr., die 2. Klasse
16 Groschen, die 3. Klasse 8 Groschen.
Spaͤter kam eine Erhoͤhung auf monatl.
2 Thlr., 1 Tlr. und 20 Groschen. Auch
die Bordelle mußten jaͤhrlich zahlen: J.
Kl.: 20 Thr., 2. Kl.: 10 Tlr., 3. Kl.: 5Tlr.
Spaͤter die 3. Klasse auch 10 Tlr.
Bei dieser ersten Einteilung der
Bordelle im Jahre 1795 waren 6 mit
16 Dirnen in der 1. Klasse. In der 2.
Klasse waren 8 mit 33 Dirnen. In
der 3. Klasse 40 mit 141 Dirnen. Außer—
dem gab es viele fuͤr sich wohnende
Maͤdchen, namentlich in der Dorotheen—
straße (damaligen Letztenstraße) und
in der Friedrichstraße. Von diesen
waren 93 1. Klasse, 28 2. Klasse.
Im ganzen also waren im Jahre
1795 bei 173 000 Einwohnern 257 poli—
zeilich instribierte Dirnen vorhanden
und bei 6660 Haͤusern 54 Bordelle.
Nebenbei nach Zeugnis des Stadtphysikus eine Unzahl Winkeldirnen. Hier
ist daran zu denken, welches Beispiel der Hof Friedrich Wilhelms II. gab.
Der wolluͤstige Koͤnig lag in den angenehmen Netzen von Frauen, die ihn
mit ihrer Schoͤnheit und mit mystisierenden Gruseleien unterhielten. Wenn
heute in Berlin sich jemand amuͤsieren und viel Geld ausgeben will, sagt
mnan noch von ihm: er macht den Dicken Wilhelm.
Im Jahre 1800 gab es nur 50 Bordelle in Berlin. Der Hof war mit
dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelm III. wieder sittenstrenger geworden
und wollte die Prostitution durch Verdraͤngung der oͤffentlichen Haͤuser be—
seitigen. Der Krieg von 1806 / 1807 aber zerstoͤrte die Absichten des Hofes.
Mit den franzoͤsischen Truppen zog auch wieder eine staͤrkere Prostitution ein.
Die Kriegslage lockerte alle Verhaͤltnisse, machte manche Maͤdchen brotlos,
erhitzte die Triebe der Maͤnner — wenn der Tod jeden Tag draußen im Kampf
droht, stuͤrzt man sich voll Eifer auf die Genuͤsse dieser Welt, um noch so viel
96*
Auspeitschung unehelicher Mütter.