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und verfallen schon in ihrer Jugend. Und ihre Sproͤßlinge liegen bleich,
still und schauen mit matten, unlustigen Augen in die Welt, wie wenn das
Leben sie nur quaͤlte . . . Wie viele Kinder haben diese Frauen in die Welt
gesetzt! Wie viele von ihnen sind muͤhsam einige Monate oder einige Jahre
erhalten worden — um dann doch diese Welt zu verlassen, die ihnen nicht
gelacht und in der auch sie nie gelacht. — „Ach, fuͤr uns verheiratete
Muͤtter duhn se ja nischt!“ klagte eine Mutter verzweifelt. „Wir haben ja'n
Mann, der for uns sorgt! — Haͤ — wenn er't nu nich dhut — wenn er nu
sauft — oder wenn er nich for uns sorgen kann — wenn er keene Arbeet hat?
Oder zu wenig verdient?.. Ja — for de unehelichen Muͤtter, da sorgen
se jetzt alle. Die haben's besser als wir. Die wissen doch nich, wie det is,
wenn man die Kinder hungrig zu Bette schicken muß. .. Et is bloß jut,
det ick noch arbeeten kann und wenigstens ab und zu Essen ran schaffe!“ —
Nicht wenige dieser Frauen sind allerdings auch sehr untuͤchtige Muͤtter, die
von Kinderpflege keine Ahnung haben und die nicht daran denken, daß draußen
in freier Luft die Kinder besser gedeihen wuͤrden. Sie bleiben in den Miets—
kasernen stumpfsinnig hocken und hungern, anstatt in der Provinz oder auf
dem Lande Arbeit und fuͤr ihre Kinder frische Luft zu suchen. Haben sie ein
wenig Geld, dann werden Mondscheinfahrten unternommen, bei denen kein
Mensch nach dem Mondschein sieht, sondern alle sich um die Biertonnen draͤngen.
Die Kinder muͤssen die Nacht uͤber wachen oder im Tanzsaal herumliegen.
Es ist nur gut, daß solche Dinge nicht typisch sind in dieser Dreimillionenstadt,
daß die Berlinerin doch mehr die sonnigen Sonntagsausfluͤge liebt.
So finden sich im Proletariat Berlins Arbeitsamkeit, Nuͤchternheit,
Ruͤhrigkeit, Verschlagenheit, Drang zum geistigen Emporkommen, zum
Beharren und zum Niedergang in tausendfacher Art.