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Hans Baluschek: „Auf, an die Bußbank“
(Im Tingeltangel.)
sich zu besseren Menschen machen wollen, die nach Wissen, Erkenntnis und
Geschmack streben. Sie finden sich in den Volksbuͤhnen zusammen, die
eine Mitgliederschaft von mehr als 50 000 Personen haben und gute Vor—
stellungen, Leseabende, Konzerte und manche andere bildende Gelegenheit
bieten. An manchen Wochenabenden treffen sich auch kleinere Gruppen
solcher Art in irgendeiner Wohnung eines Bekannten. Da liest dann wohl
die Silberpoliererin irgendein Goethesches Gedicht vor, der Techniker erklaͤrt
Nietzsche, der Goldarbeiter spricht uͤber Kleist, die jungen Buchbinderinnen
kritisieren die letzte Vorstellung im Deutschen Theater, wo die Schauspieler
sehr eigenmaͤchtig mit den Shakespeareschen Versen umsprangen — und
das alles bei einem leichten Tee oder bei einem Glase Weißbier.
Die guten Traditionen des Buͤrgertums der klassischen Zeit haben sich
in diese Gruppen gefluͤchtet.
Und doch leben auch sie unter prolectarischen Bedingungen. Im selben
Raum, wo sie sich versammeln, arbeiten sie wohl auch und gehen nach der
Zusammenkunft auf den Betten zur Ruhe, die in den Ecken der Stube stehen.