gleichen Modetorheiten auszugeben? Sieht es nicht geradezu komisch aus,
wenn junge Maͤdchen mit wallenden Straußenfedern auf den Huͤten und
mit Lackschuhen durch die Berliner Waͤlder und um die maͤrkischen Seen
wandern, wo ein huͤbsches Huͤtchen und schicke Lederstiefel das Passende
sind? Aber, wie gesagt, was hier angedeutet wird, stellt sich ja doch nur
als seltene Ausnahme dar; in ihrem Kern ist die Berliner Arbeiterin gesund
und natuͤrlich. Und ist sie erst verheiratet, dann fallen alle kleinen Eitelkeiten
von ihr ab. Ihr Ideal wird dann eine schoͤn lackierte „Ehestandslokomotive
(Kinderwagen) mit prangender Wagendecke“ — und spaͤter wohl auch ein
Fleckchen gruͤnender und bluͤhender Erde in einer Laubenkolonie sein. Eine
stille Liebe fuͤr alles was Nat ur heißt, hat sie ja immer. Das liegt ihr
vielleicht noch im Blute — sie stammt ja von den norddeutschen arbeitsamen
Landbewohnern ab. Sie geht auch gern Sonntags in die Freibaͤder am
Wannsee, am Muͤggelsee und wo sonst noch die Ufer freigegeben sind.
Manchmal moͤgen sich wohl dort Elemente einfinden, die diese Gelegen—
heit, wo Maͤnnlein und Weiblein sich wenig voreinander genieren, zu
Allotria ausnutzen. Aber die Mehrzahl des Volkes freut sich am kuͤhlen
und erfrischenden Wasser, an dem Spiel der Wellen und genießt mit Be—
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Seit die Ankleidezelte bestehen, ist alles Unanstaͤndige beseitigt — das aber
auch vorher eine außerordentlich zuͤchtige Ungezwungenheit und harmonische,
zartfuͤhlende Geradheit nur ganz selten stoͤrte. Wenn Frauen sich um—
kleideten, belaͤstigte sie niemand.
Als junges Maͤdchen ist die Berlinerin allerdings selten haͤuslich. Um
ihren Bildungstrieb koͤnnte es mitunter auch ein wenig besser bestellt sein. Von
sechzehn Lesern der Volksbibliotheken sollen — wie die Statistiker behaupten
— fuͤnfzehn Berliner, aber nur eine Berlinerin sein. Doch das liegt
vielleicht zum Teil auch an der Organisation der Bibliotheken. Eine Berlinerin,
die in der Hochbahn, in der Elektrischen oder sonst in einem oͤffentlichen Be—
foͤrderungsmittel sitzt und nicht liest, gibt es ja gar nicht! Allerdings weiß
auch sie liebe Blicke uͤber ihr Unterhaltungsblaͤtt oder uͤber ihren Roman zu
senden. Und abends besucht sie nicht nur gern noch Vortraͤge. All die
vielen Vergnuͤgungsangelegenheiten rufen ihr zu: „Komm — genieße deine
Jugend!“
Die große Mehrzahl der Arbeiterinnen Berlins aber laͤßt sich nicht
locken und blenden. Sie stuͤtzen sich auf ihre innerliche Kuͤhle und Welt—
kenntnis und kommen ungefaͤhrdet aus manchmal recht gefaͤhrlichen Situa—
tionen heraus. Auch als Dienstmaͤdchen steigen sie eigentlich nie sozial her—
unter. Ihre Anstelligkeit, ihr froͤhliches und ruͤhriges Wesen macht sie zu
wichtigen Faktoren großer Haushalte und nicht selten erobert ihr frischer