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Kleinbürgertum und Proletariat

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Worten eintritt: „Ach, verzeihen Sie, hier kommt ein 
Ochse!“ Wer das Tier nicht sah, konnte wohl glauben, sie meine sich 
selbst. 
Redensarten solcher derben und doch harmlosen Natur zirkulierten 
damals zahllos. Die Dienstmaͤdchen gaben besonders viel Anlaß zu solchen 
Ausspruͤchen. Auf einem Blatt ist einer festgehalten. Ein Dienstmaͤdchen, 
das eine Torte traͤgt, ist von einer blinden Harfenspielerin angerannt worden. 
Sie ruft der Blinden zu: „Kann Sie nich sehn, Sie blinde Kammermusi— 
kussen?“ Auch Glaßbrenner hat einige solcher klassischen Ausspruͤche von 
Berliner Dienstmaͤdchen aufgezeichnet: 
Gluͤcklicher weise kein Malheur. 
Eine fuͤr alles, die von ihrer Herrschaft bei einer Lustfahrt uͤber Land 
mitgenommen worden und das Umgluͤck erlebt hatte, daß der Wagen umwarf, 
erzaͤhlte diesen Vorfall ihrer Hauskollegin und aͤußerte schließlich: „Ja, et 
is noch en wahres Jluͤck, det bei det Unjluͤck jluͤcklicherweise keen Maleer 
bassiert is.“ 
Guste: Wissen Sie, Herr Justiz, warum manche Damens 
dons Theater Künstlerinnen genannt werden? 
Richter: Nun, weil das Theater ein Kunstinstitut ist. 
Guste: Nee, Herr Justiz, bloß weil sie monatlich zwanzig 
Thaler Gage kriegen un vor hundert Thaler Staat machen — 
un des is eben die Kunst! 
Satire aus den 6Oer Jahren des 19. Zahrhunderts. 
Es gab aber auch 
unter denDienstmaͤdchen 
genug, die deutlich und 
mit aller berlinischen 
Pfiffigkeit antworten 
konnten. Ja, sie wußten 
sich auch damals schon 
im Leben zurechtzu⸗ 
finden. Und selbst die 
Armsten, die Bettel— 
weiber, verstanden ihren 
Vorteil zu suchen. Wein⸗ 
dauer, von dem wir 
leider nur wenige Ber—⸗ 
liner Blaͤtter besitzen, 
hat eine Bettler— 
gruppe von ausge— 
zeichneter kraͤftiger Echt⸗ 
heit gezeichnet. Dies 
berschlagene Weib, das 
sich einen Blinden als 
Aushaͤngeschild fuͤr seine 
Bettelei nimmt, koͤnnte
	        
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