Im Kroll'schen Tunnel um 1860
paar zu Bette gebracht wurde. Dabei wurde das Hemde der Braut von der
Mutter, dem Braͤutigam vom Brautvater uͤberreicht, worauf die Braut das
eine ihrer Strumpfbaͤnder ihrem Schwiegervater, das andere ihrem Vater
herehrte, die sie der Braut zu Ehren um ihre Degen wanden. ..
Aus eigenem Drang und Sehnsucht nach Hoͤherem hatte der Mann der
Sophie Charlotte wohl nicht ihrem Trieb nach der Bereicherung des Hofes
mit Gelehrten und Kuͤnstlern nachgegeben. Ihm war es wohl mehr um eine
moͤglichst getreue Nachahmung des blendenden und bewunderten Hofes von
Paris zu tun. Er glaubte auch verpflichtet zu sein, wenigstens eine Schein⸗
maͤtresse sich zu halten. Mehr soll ja nach dem Zeugnis des sonst nicht pruͤden
Herrn von Poellnitz die bekannte Graͤfin Wartenberg nicht gewesen sein.
Sie war die Tochter eines Weinhaͤndlers Rickers zu Cleve, dann Ehefrau des
Kurfuͤrstlichen Kammerdieners, hierauf Geliebte und nach dem Tode ihres
ersten Ehemannes Gemahlin des Oberkaͤmmerers und Ministers Grafen
von Kolbe-Wartenberg. Trotzdem niemals ein vertrautes Verhaͤltnis zwischen
ihr und dem Koͤnige bestanden haben soll, hatte sie doch einen gewissen Einfluß
auf ihn, wenigstens naͤhrte Friedrich durch große Nachgiebigkeit und Ge—
faͤlligkeit die laͤcherliche Rangsucht der hoffaͤrtigen Frau. Nicht nur wurde
die Herzogin von Holstein-Beck durch zehntausend Thaler, die der Koͤnig ihr
auszahlen ließ, bewogen, der Graͤfin den Vortritt zu lassen, sondern die
Wartenberg soll sogar den Rang vor der Schwester des Koͤnigs erhalten haben.
Waͤhrend Sophie Charlotte in Charlottenburg ihr heiteres Hoflager hielt
und nicht ohne Intelligenz manchen bedeutenden Kopf zu fesseln wußte, umgab
sich der Koͤnig mit selbstgefaͤlligem Gepraͤnge und beschaͤftigte sich, wahr—
scheinlich nur aus Repraͤsentationsgruͤnden, stundenlang mit einer ziemlich