Die Kurrende in der Biedermeierzeit.
sitzungen verloren. Und so war denn uͤberall ein buͤrgerlicher Zuschnitt des
Lebens vorhanden. Selbst am Hofe war er belicbt. Der einfache Friedrich
Wilhelm III. war durchaus nicht fuͤr große Staatsaktionen eingenommen
und haßte das steife Hofzeremoniell. Der Kronprinz aber lebte ganz wie die
Kuͤnstler und Wissenschaftler, die er verehrte, verkehrte in Teegesellschaften,
ging zu Liebhaberauffuͤhrungen und kannte auch in seiner Haͤuslichkeit keine
hoͤfischen Abendtafeln. Abends wurde nur Tee gereicht, kein Tischtuch
gedeckt, sondern nur Rohrteller unter die Porzellanteller gelegt und nur
nebenher waͤhrend der Unterhaltung gespeist.
Die Unterhaltung, das geistige Mitcinanderleben war das Ziel des
Lebens. Aber es war nicht mehr die aristokratische Form der Unterhaltung.
Das Buͤrgertum war herangewachsen und hatte alle Lebensformen durch—
drungen. Auch die Baufornien waren diesem einheitlichen Zuge unter—
worfen. Und so hat wohl Berlin kaum wieder einen solchen geschlossenen
kuͤnstlerischen Eindruck gemacht wie in den Biedermeierijahren — das aͤußere
Berlin wie auch das geistige.
Solche Zustaͤnde waren geeignet, auch einen bestimmten Charakter
der Bevoͤlkerung klar und dokumentarisch zum Vorschein kommen zu lassen.
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