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Kleinbürgertum und Proletariat

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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war das anders. Da bildete Berlins Bevoͤlkerung wirklich ein volkstuͤmlich 
Ganzes. Die Menschen der Biedermeierzeit waren durchaus nicht einseitig. 
Romantische Empfindsamkeit galt ebensoviel wie die bescheidene buͤrgerliche 
Idylle. Behaͤbigkeit fehlte der Biedermeierzeit auch nicht. Und an Scherz 
und Satire scheint sie erst recht keinen Mangel gelitten zu haben. In dem Berlin 
der Biedermeiertage ist jedenfalls der eigentliche berlinische Witz zum ersten— 
mal vollendet in die Erscheinung getreten. Die verschiedenen fremden Ele— 
mente, aus denen ja Berlins Bevoͤlkerung schon seit Jahrhunderten besteht, 
— D00 
staͤndig eingewurzelt. Die kuͤnstlerisch Regsamen gruppierten sich um den 
alten Schadow, um Rauch, Kruͤger — alles echte Berliner. Die politisch 
Regsamen verkehrten wohl bei Varnhagen und Rahel. Wissenschaftlich 
Interessierte traten mit den beiden Humboldts, mit Schelling und all den 
andern Groͤßen in Verbindung, die in der ersten Haͤlfte des neunzehnten 
Jahrhunderts die Berliner Universitaͤt schmuͤckten. Alle diese Kreise lebten 
nun wiederum nicht fuͤr sich 
ein abgeschlossenes Leben, son— 
dern beruͤhrten fortwaͤhrend 
einander und nahmen am 
Wohl und Wehe des andern 
nachbarlichen Anteil. 
Berlin war noch klein. Wer 
in der Leipziger Straße wohnte, 
wie Mendelssohns, der wohnte 
schon weit draußen. Das geistige 
Berlin lebte zwischen dem Schloß 
und der Mauerstraße. So konn— 
ten alle in kurzer Zeit zusammen— 
kommen und in persoͤnlichem 
Verkehr sich anregen, Ansichten 
und Absichten austauschen. 
Das Leben der ganzen 
Stadt hatte etwas Einheitliches, 
was ihm heute fehlt: es war 
buͤrgerlich. Das Buͤrgertum 
hatte durch seine fleißige Arbeit 
die Aristokratie ziemlich uͤber— 
wunden. Viele vornehme Fa— 
milien hatten auch in den Na— 
poleonischen Kriegen ihre Be— 
Hans Baluschek 1900: „Wie kannste voch bei 
die Hitze so ville saufen!“
	        
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