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Kleinbürgertum und Proletariat

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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und das Fliegenfest der Woll— 
weber in Pankow und andern 
Vororten. Die Gesellen der 
Innung zogen dann aufgeputzt 
mit vorausmarschierender Musik 
zum Tore hinaus. Und die 
jungen Handwerkstoͤchter folg— 
ten ihnen ebenso wie die 
Meister mit ihren Familien. 
Im uͤbrigen huldigte das Volk 
schon im achtzehnten Jahr— 
hundert dem System, das in 
den drastischen Berliner Worten 
verspottet wird: 
Und so jehn wir und so jehn wir 
Unser janzet Leben lang 
Aus det eene Restorang 
Mang det andre Restorang! 
Spaͤter fuhren Mittelstand 
und Kleinbuͤrgertum auf den Kremsern nach Charlottenburg hinaus, die am 
Brandenburger Tor hielten und von derben und verschlagenen Kutschern 
gelenkt wurden, Kutschern, die alle Voruͤbergehenden mit lauter Stimme 
und anzuͤglichen Redensarten zum Mitfahren noͤtigen wollten. Eine be— 
liebte Redensart von ihnen lautete: „Herr Baron, fahren Sie mit, es fehlt 
bloß noch eene lumpigte Person!“ 
Berlin hatte damals erst zwei- bis dreihunderttausend Einwohner. Und 
alle die Ortschaften, die heute nur noch Vororte oder Nachbarorte sind, waren 
damals idyllische Doͤrfer, wie Schoͤneberg und Friedrichsfelde. 
Moabit war uͤbrigens nicht nur ein Ausflugsort der feineren Gesellschaft. 
Jahrzehnte hindurch zogen Handwerksgesellen, Schreiber, Dienstmaͤdchen, 
Naͤherinnen und viel andres kleines Volk Sonntags hinaus, um auf den Wiesen 
Gesellschaftsspiele zu spielen — Blindekuh, Fangen, Topfschlagen und allerlei 
Pfaͤnderspiele — und dann abends in den Gartenwirtschaften zu tanzen. 
Groͤßere Faͤhrkaͤhne, auf denen ein Leierkasten bescheidene Musik bot, setzten 
die Ausfluͤgler von den Zelten nach den Moabiter Wiesen uͤber. Glaßbrenner 
schildert dies Leben sehr huͤbsch: 
„Mit dem Ende dieses Gesanges ist das Ufer erreicht, die Musikanten 
bekommen hier und da einen halben Silbergroschen, die Schiffer ihr kleines 
Honorar fuͤr die Überfahrt, alles, was sich heute „joͤttlich amuͤsieren“ will, 
L.Löffler 1850: Verregnete Landpartie.
	        
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