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Kleinbürgertum und Proletariat

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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nur einmal bei der Witwe des Herrn v. Kniephausen vorgekommen, welcher 
der Koͤnig, um die Sache, bei der der Graf Kurt v. Schwerin beteiligt war, 
im Stillen abzumachen, eine Strafe von 12000 Talern auflegte. Die muntere 
Witwe aͤußerte bei dieser Gelegenheit: „Der Koͤnig hat mich um ein außer— 
eheliches Kind um 12000 Taler gestraft: ich habe ihn aber um eben so viel 
defraudiert, denn ich habe deren zwei.“ Die aͤrmeren Frauen konnten allerdings 
ihre Strafen nicht mit Geld abmachen und nicht so muntere Scherze aͤußern. 
Wenigstens nicht bei solchen Gelegenheiten. Sonst aber zeigten auch sie eine 
Chodowiecki: Satire auf das falsche Christentum 
gesunde Vergnuͤgungslust. Schon im Mittelalter hatte sich das Kleinbuͤrger— 
tum Berlins gern schwankmaͤßig belustigt. Am Gruͤndonnerstag abends 
wurde in den Kirchen die Rumpelmesse abgehalten, bei der die Buͤrger sich 
schließlich in der Dunkelheit kuͤssend und herzend auf dem Boden fanden. Hatten 
auch solche heidnischen Braͤuche mit der Reformation aufgehoͤrt, die doch 
schließlich alles Kirchliche vertiefte, so hatten sich die Kleinbuͤrger ihre natur— 
freudigen Vergnuͤgen nicht nehmen lassen. Waren sie schon immer bei gewissen 
Handwerkerfesten und an bestimmten Feiertagen aufgeputzt auf die um— 
liegenden Doͤrfer gezogen — der Ausdruck „Aufgeputzt wie ein Pfingstochse“
	        
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