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in der Liebe nicht mit Unbefangenheit, sondern mit Luͤsternheit* und wuͤrzte
die Unterhaltung weniger durch munteren Scherz als durch Verspottung und
Verkleinerung anderer.
Von munteren Volksfesten im alten Sinne war nicht mehr die Rede,
und nur mit Muͤhe wurden nach dem westfaͤlischen Frieden die Schuͤtzengilde,
die waͤhrend des dreißigjaͤhrigen Krieges sich aufgeloͤst hatte, und das froͤhliche
Fest des Koͤnigschießens zur Pfingstzeit auf dem deutschen Schuͤtzenplatze
in der Lindenstraße wieder hergestellt. Dieses Fest erinnerte jedoch einiger—
maßen an die alte muntere Zeit. Dabei wurde um Zinn-Kruͤge und andere
Sachen gespielt und vielfaͤltiger anderer Zeitvertreib geuͤbt, auch war alsdann
nicht leicht in der Lindenstraße und den benachbarten Straßen ein Haus,
vorin nicht gruͤne Lauben, Musik und Trinkgelage waren; besonders aber
wimmelte die Marklingswiese, die also nach ihrem Besitzer genannt wurde,
oon froͤhlichem Volke. Auch die Zeit des Christmarkts, der damals noch auf
dem Coͤllnischen Fischmarkte und spaͤterhin in der Breitenstraße gehalten
vurde, war eine Zeit gemeinschaftlicher Freude.
Je mehr die Unterhaltung auf Gesellschaften in den Haͤusern und auf
Zusammenkuͤnfte in den Schenken sich zu beschraͤnken anfing, um so will—⸗
tommener waren die neuen Hilfsmittel, welche diese Zeit zur Abkuͤrzung der
Langenweile darbot:
das Tabakrauchen
und der Genuß des
von den Hollaͤndern
aus China eingefuͤhrten
Tees, und auch die Zei—
tungen, denen vor—
nehmlich Ludwig des
Vicerzehnten fast un—
unterbrochene Kriege,
sein Streben nach der
Herrschaft uͤber Europa,
der Franzosenhaß, wel—
cher dadurch im Volke
aufgeregt wurde, und
fuͤr die Berliner ins—
besondere die Teilnahme
des großen Kurfuͤrsten
an den Welthaͤndeln
Sommerfrische in Schöneberg 1860.
Wir sind blos neune — die andern kommen ileich nach!
*Viele Beispiele dieses damals herrschenden lüsternen und schwerfälligen Tons enthalten die
Hochzeitsgedichte des berlinischen Dichters Nikolaus Veukers.