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nehmlichkeiten oder Bequemlichkeiten. Der Raum war so beengt, daß den
beiden aͤltesten Toͤchtern des Koͤnigs nicht mehr als zwei kleine Gemaͤcher
eingeraͤumt werden konnten. Fuͤr die Damen war besonders das Speisen
in dem unter einer großen Linde ausgespannten tuͤrkischen Zelte, das nur
geringen Schutz gegen die Unfreundlichkeiten der Witterung gewaͤhrte,
uͤberaus laͤstig. Friedrich Wilhelm ließ sich aber weder durch Wind noch
durch Kaͤlte oder Regen vom Tafeln im Zelte abhalten.
Die Koͤnigin, die nach Zeugnissen von Zeitgenossen eine Frau von nicht
gewoͤhnlicher Schoͤnheit gewesen ist, wußte sich ganz gut in den Ton des
Hofes ihres Gemahls zu finden, ob wohl sie Geselligkeit und Munterkeit
liebte. Sie vertrieb sich die lange Weile mit Kartenspiel und Musik. Diese
Kunst war die einzige, die der Koͤnig gelten ließ — vermutlich, weil ihr das
eigentlich Geistige mangelt.
Und doch war einst dem Geist, der Wissenschaft und der Lebenskunst am
preußischen Hofe eine Heimstaͤtte bereitet gewesen. Der Vater des Soldaten—
koͤnigs, der erste Koͤnig von Preußen, hatte bei seinem großen Hange zum
Prunk doch soviel Verstaͤndnis und Liebe fuͤr seine koͤniglichen Aufgaben,
daß er die Wissenschaft nicht wie sein Nachfolger unterdruͤckte, sondern sie,
vielleicht auch aus koͤniglicher Eitelkeit, foͤrderte uud unterstuͤtzte. Die Vorliebe
seiner Gemahlin, der schoͤnen und geistreichen Sophie Charlotte fuͤr Gelehrte
kam ihm dabei zu Hilfe. Sie brachte nach Berlin dieselbe Bildung mit, die
sich am Berliner Hofe unter dem Einfluß der gebildeten, in Brandenburgische
Dienste aufgenommenen Franzosen entwickelt hatte. Auch in Hannover
hatten die Franzosen aus den hoͤheren Staͤnden, die vom absolutistischen
Regime und ihres protestantischen Glaubens wegen vertrieben worden waren,
gastliche Aufnahme gefunden. Auch hatte sich Sophie Charlotte waͤhrend
ihres Aufenthalts am Hofe Ludwig des XIV. in den Jahren 1679 und 1680
den feineren geselligen Ton der franzoͤsischen Gesellschaft angeeignet und
durch eine Reise in Italien ihren Sinn fuͤr die schoͤnen Kuͤnste gebildet**.
Die Koͤnigin blieb auch nach ihrer Ruͤckkehr und nach ihrer Heirat eine ernste
Literaturfreundin. Nichts liebte Sophie Charlotte mehr als die Unterhaltung
mit Gelehrten. Sie sah es gern, wenn gebildete Fremde sie besuchten und
ihr von den Merkwuͤrdigkeiten und Verfassungen ihrer Laͤnder berichteten
oder auch mit ihr uͤber die schwierigsten Aufgaben der Wissenschaften dis—
kutierten. Ihre nicht gewoͤhnlichen Kenntnisse entzuͤckten ebenso wie ihr
Verstand und ihre Liebenswuͤrdigkeit. Mit ihren Scherzen aber ließ sie sich
in schalkhafter Laune oft so weit hinreißen, daß ihre Briefe manchmal boͤs—
* Vgl. die Beschreibung der Markgraͤfin von Bayreuth von dem Aufenthalt zu Wuster⸗
hausen, Teil J, Seite 328.
** Nach Friedrich Wilkens Berliner Geschichte im Historisch-Genealog. Kalender 1822.