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Höker und Hausierer

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Die guten Leutchen, die mir miserables Briefpapier oder schlecht sitzendes 
Heftpflaster andrehen wollen, sind in der Regel bloß maskierte Bettler, die 
auf das Mitleid spekulieren. Genau so stehts mit den uͤberaus zahlreichen 
Kindern, die in allerneuester Zeit, seitdem ihnen die Polizei im Straßen— 
leben scharf auf die Finger sieht, an der Wohnungstuͤr Kleinhandel treiben. 
Man kauft nicht, aber schenkt ihnen etwas.“ 
Besonders zur Weihnachtszeit kommen viel Kinder in die westlichen 
Vororte, bieten Apfelsinen und Ansichtskarten an und werden von mancher 
mitleidigen Hausfrau gut bewirtet und reich beschenkt. Im Straßenleben aber 
spielen die Hoͤker nicht mehr die Rolle wie einst. Aus dem Tiergarten, wo bis 
gegen 1890 Kuchen- und Obstfrauen saßen, sind sie ganz verschwunden. An 
manchen Straßeneccken stehen heute wohl Obstwagen, die meist uͤberraschend 
billige Fruͤchte — fast stets nur eine Sorte — feilbieten. Aber sie nennen sich 
nicht mehr Hoͤker, sondern Straßenhaͤndler, und gehoͤren auch zu jenen, die 
uͤberall Zeitungen und Zeitschriften verkaufen oder Blumen anbieten: 
„Frische Veilchen! Zehn Fennje das Straͤußchen!“ — „Sechs Rosen for'n 
Iroschen! Sechs Stick!“ 
„Nelken, scheener Herr! 
Nelken!“ „Janz frischer 
Flieder, Italienischer 
Flieder!“ Diese Blumen— 
frauen bringen mit ihren 
Koͤrben, aus denen die 
Farbenpracht der Blumen 
quillt, schoͤne bunte Flecke 
in das steinerne Straßen— 
bild. Den Potsdamer 
Platz umrahmen sie mit 
ihrer Buntheit und bieten 
selbst einfacheren Frauen 
die Moͤglichkeit, ein Stuͤck⸗ 
chen Fruͤhlingsahnung 
oder eine Sommerlust 
mit nach Hause zu nehmen 
in das kahle Gartenhaus. 
Aber die eigentliche 
Hoͤkerin mit ihrer Courage 
und ihrem Witz ist aus 
dem Berliner Volksleben 
verschwunden. Aus der 
Hausreinigerin und Grünkramfrau.
	        
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