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Wachstuchpacket eine sehr brauchbare Ware mit sich fuͤhrte, und heute,
unter der Konkurrenz der großstaͤdtischen Warenhaͤuser und Spezialgeschaͤfte,
fast nur auf das platte Land und die Kleinstadt angewiesen ist. Selbst der
Kolporteur findet, obwohl ja die Hintertreppenliteratur heutzutage mehr
denn je bluͤht, merkwuͤrdigerweise nicht mehr so oft wie fruͤher den Weg zu
den Kleinwohnungen hinauf. Hunderte von Ladeninhabern, die dasselbe
lukrative Geschaͤft betreiben, haben ihm ins Handwerk gepfuscht. Von Ver—
sicherunggagenten und Naͤhmaschinenreisenden wurde man fruͤher uͤber—
laufen. Ihre Zahl ist ebenfalls bedeutend geringer geworden, weil dieses
Arbeitsfeld an der Spree nahezu abgegrast ist.
Vermehrt hat sich der moderne Typus der „Lumpenfrau“, die an Stelle
des durch die staubfreie Muͤllabfuhr vom Hofe vertriebenen Lumpensammlers
getreten ist. Überhaupt ist in neuerer Zeit das weibliche Element unter den
Hausierern staͤrker als bisher vertreten. Ich bewundere den Mut und die
Zaͤhigkeit der oft noch recht jugendlichen und huͤbschen Frauen und Maͤdchen,
die, um sich ehrlich und anstaͤndig durch die Welt zu schlagen, mir eine neue
Putzstein- und Seifenmarke offerieren oder einen ausgegangenen Haupt—
schmuck verkaufen oder auch gar zur Anschaffung kuͤnstlicher Beißerchen, auf
Abzahlung natuͤrlich, uͤberreden wollen. Mein Haus ist schon fuͤnfmal in einem
Jahre photographiert, aber ganz sicher klingelt mich in allernaͤchster Zeit der
sechste ungebetene Kame—
rakuͤnstler vom Schreib—
tisch weg. Um alle die
Portraͤtvergroͤßerungs—
institute, die neuerdings
eine ungemein starke
haͤusliche Reklame ent—
wickeln, zu befriedigen,
habe ich nicht Bilder und
Verwandtschaft genug.
Waͤhrend der naͤchsten
Monate werden mir auch
so viel duftende Kinder
Floras angeboten, daß
ich meine ganze Wohnung
in eine Gaͤrtnerei ver—
wandeln koͤnnte. Und
an Rettichen und Radies—
chen, „schoͤnen frischen“,
darf ich mich krank essen.