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Höker und Hausierer

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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allen anderen Richtungen mit dem weißen Sand, den alle Hausfrauen einst 
zum Bestreuen der weißgescheuerten Dielen brauchten. Eine besondere 
Spielart der Berliner Hoͤkerschaft waren die „Zirngibler“. Sie wurden so 
genannt nach dem Drucker Zirngibler, dessen Verlagsartikel sie verkauften. 
Hunderte von Knaben und Maͤdchen handelten mit „Fuͤnf schoͤne neue Lieder: 
Heinrich schlief bei seiner Neuvermaͤhlten — Ein Schlosser hat mal'n Ge— 
sellen — Leonore — Det beste Leben hab ick doch —“. Alle Koͤchinnen kauften 
diese kleinen Blaͤtter und Hefte. 
Sie alle: Buͤcklingshaͤndler, Sandfuhrleute, Apfelverkaͤufer, Stinte— 
haͤndler, zogen durch die Straßen und priesen ihre Ware an. Spaͤter, am 
Ende des 19. Jahrhunderts, kamen dann noch die Kohlenhaͤndler hinzu, die 
truͤbselig auf den engen Hoͤfen der volkreichen Mietskasernen sangen: „Preß— 
kohlen! Preßkohlen! det Hundert sechzig Fennje!“ 
Diese Art von Hokern rechnet schon mehr zu den Hausierern. Über sie 
schrieb das Berliner Tageblatt: „Vielleicht in keiner anderen Weltstadt hat 
das Hausiergewerbe solchen Umfang erreicht, wie in Berlin. Beguͤnstigt wird 
diese soziale Erscheinung durch den ungehinderten Zutritt zu neun Zehnteln 
aller Treppenflure. Mit den letzten Jahren sind viele ehemalige Typen des 
Berliner Hausierers vollstaͤndig verschwunden, freilich noch mehr neue auf den 
Plan getreten. Ich entsinne mich, daß noch 
vor drei Jahrzehnten die gruͤnroͤckigen Stadt— 
musikanten, nachdem sie ihre schauerliche 
Blechtuterei verzapft hatten, vor jeder 
Wohnungstuͤr mit dem Notenblatt ansprachen. 
Das waͤre im heutigen Berlin eine Un— 
moͤglichkeit. Auch die Maͤusefallenhaͤndler, 
die vor noch gar nicht so langer Zeit massen— 
haft die Haͤuser abklapperten, sind dezimiert 
worden, seitdem die Behoͤrde den Erwerbs— 
und Lebensverhaͤltnissen dieser von ruͤck— 
sichtslosen Unternehmern ausgebeuteten 
jugendlichen Auslaͤnder energisch nachgespuͤrt 
hat. Ebenso fehlen im modernen Berliner 
Straßenbilde fast gaͤnzlich die mit hochbe— 
packten Ruͤckentragen voll Korbwaren oder 
rdener Topfgeschirre von außerhalb kommen— 
den Frauen, die fruͤher in Berlin ein sehr 
gutes Geschaͤft machten. Selten begegnet man 
ferner dem aus Weberdistrikten stammenden 
Hausierer mit Leinwand, der im typischen 
Berliner Kostüme um 1780 —90
	        
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