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Höker und Hausierer

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Diese konservativen Buͤrgerinnen rechneten naͤmlich immer noch nach 
Silbergroschen, und am liebsten nach Dreiern. 
Nicht weit von der Spargelfrau stand eine andere Dame, von unter⸗ 
setzter Statur und Zutrauen erweckendem Außern, die mit Besen handelte. 
An Besen hatte mein Herz nicht gedacht, als ich den Markt des Wedding— 
platzes betrat. Aber diese Hausfrauen! Alles koͤnnen sie gebrauchen. Madame 
naͤhert sich dem Tisch, findet bei genauerem Zusehen, daß große und kleine 
durcheinander liegen, und bemerkt: „Aber die Besen sind ja gemischt!“ 
Worauf die Dame mit den Besen: „Ja, liebe Frau, det is nu eenmal so. Die 
Menschen sind ooch jemischt — wir beede sind kleen und die andren sind jroß, 
und wir muͤssen es uns ooch jefallen lassen“. 
Das war schlimm, aber das Schlimmste sollte noch kommen bei einer 
Gefluͤgelfrau, welche dicker war und gemuͤtlicher aussah als alle ihre Schwestern. 
Sie hatte ihre Ware, Wild und Gefluͤgel, an einer Leine haͤngen und stand, 
beide Arme in die Seiten gestemmt, vergnuͤglich dazwischen. Es war ein 
fesselnder Anblick und wir blieben stehen — worauf sie, die sicher nicht ahnte, 
daß sie selber uns weit mehr interessierte, als ihre Huͤhner, uns sofort eines 
derselben mit der groͤßten Zuvorkommenheit zum Kauf anbot. Aber Madame, 
die uͤberhaupt nicht leicht zufriedenzustellen 
ist, fand den geforderten Preis exorbitant. 
Drei Mark!“ rief sie aus — „zwei Mark 
ist das Allerhoͤchste.“ Nun aber haͤtte man 
die Marktfrau sehen sollen. Sie alterierte 
sich nicht weiter und wurde nicht grob, 
aber mit einer unbeschreiblichen Miene von 
Hoheit und Verachtung nahm sie der Dame 
das Huͤhnchen aus der Hand, schwang es 
wieder uͤber den Strick, machte einen Knix 
und sagte: „Freut mich recht sehr, Mam— 
sellken“. Dies „Mamssellken“, scharf betont, 
war eine ausgesuchte Bosheit in Anbe— 
tracht des Umstandes, daß neben und mit 
Madame ein Mann in gesetzten Jahren 
ging, der ihre Einkaͤufe nicht nur trug, 
sondern sie auch bezahlte! ... 
Rodenberg hat mit wenigen Strichen 
das Bild der Berliner Hoͤkerin trefflich ge— 
zeichnet. Milde und liebenswuͤrdig war ihr 
Witz nicht. Sie wehrte sich auf eigene und 
nicht sehr waͤhlerische Weise ihrer Haut 
Blumenverkäuferin im 18. Jahrhundert.
	        
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