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Die Dienstboten

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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ordentlich wie selten ein Mensch war, und 
an die unsere Kinder heute noch mit Liebe 
denken — die kluge Lene aus Lichterfelde, 
die mit ihren sechzehn Jahren soviel leistete 
wie eine fuͤnfundzwanzigjaͤhrige, die aber 
auch schon mit dem Monteur im Neubau 
sich herumdruͤckte — die andere Lene aus 
der Altmark, die einen Schatz zu Hause 
und einen Unteroffizier in Potsdam hatte: 
„Man muß doch versuchen, wer zu einem 
paßt!“ — Frieda, die zu einer „feinen“ 
Herrschaft wollte, wo sie dann mit mehre— 
ren anderen Maͤdchen zusammen war 
und sich in der Domestikenstube so ge— 
druͤckt fuͤhlte, daß sie stets zuruͤck wollte 
zu uns — die boͤhmische Rosa, die auch 
weggelaufen war und eines Abends an— 
kam und nicht wieder fort wollte — das 
ostpreußische Fraͤulein, das fast den ganzen 
Lohn an die Familie schickte — ihr einst 
reich gewesener Vater lag krank — das 
Fraͤulein aus Oberbayern, die Verwandte 
eines bekannten Literaturprofessors, die 
sich vor keiner Arbeit scheute, die unzaͤhlig viel Schnurren im Kopf hatte 
und so schoͤn mit den Kindern spielte, ihr Gemuͤt mit all den suͤddeut— 
schen kleinen Innigkeiten und Aufmerksamkeiten erwaͤrmte, die aber dann 
ploͤtzlich nach Hause mußte, weil ihre Mutter schwer erkrankt war — sie 
alle weinten beim Abschied von den Kindern. 
An Gemuͤt und gutem Willen fehlte es kaum einer. Aber nur zu oft 
an Gewandheit und jener Intelligenz, wie sie feinere Damen brauchen. 
Die Damen im Westen, die besseres Personal verwenden, muͤssen das oft 
erst viele Monate exerzieren, bis es brauchbar ist. In den Haushaltungs— 
Schulen, die jetzt unterhalten werden, lernt das Personal gegen hohes Geld 
zwar allerlei. 
Viele dieser Schulen locken junge Lehrmaͤdchen an, indem sie ihnen 
gute Stellen nach den Lehrmonaten versprechen. Da stehen dann zehn bis 
zwoͤlf Maͤdchen herum und sehen einmal zu, wie ein Braten gemacht wird. 
Einmal duͤrfen sie auch selbst braten oder backen. In der uͤbrigen Zeit aber 
muͤssen die Maͤdchen Kartoffeln und Gemuͤse putzen fuͤr irgendeinen Mittags— 
tisch, den die Inbaberin der Schule unterhaͤlt. Ab und zu gibt es dann noch
	        
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