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Chodowiecki: Bettelndes Soldatenweib.
der Herrschaft teil, essen gut und reichlich, kennen nicht die soziale Unsicherheit
der anderen Berufe, bekommen oft die nur wenig getragenen Garderoben—
stuͤcke der Gnaͤdigen geschenkt, erhalten von den Gaͤsten viel Trinkgelder —
dafuͤr sind sie dann schon Dienstboten. Solche Maͤdchen in den groͤßeren Haus—
haltungen von Berlin W. und in den Villen der westlichen Vororte haben
dann wohl ein Einkommen von 2000 bis 3000 M. — wenn ihre saͤmtlichen
Bezuͤge in Geld umgerechnet werden. Stehen sich doch selbst die Maͤdchen
in den Mittelstandsfamilien auf mehr als 1000 AM. An Barlohn erhalten sie
ungefaͤhr 300 Mark. Unter 600 bis 700 A aber ist kein Mensch heute in
der Familie zu unterhalten. Wenn Wohnung, Beleuchtung, Waͤsche und
Geschenke gerechnet werden, kommt ein Gehalt heraus, wie es nur wenige
Geschaͤftsmaͤdchen beziehen. Vor allem: die Maͤdchen in den mittleren Klassen
erhalten fast ohne Ausnahme das gleiche Essen wie ihre Herrschaft, werden
also so gut bekoͤstigt, wie ein Geschaͤftsmaͤdchen sich nie allein bekoͤstigen kann.
Aber: sie ist dafuͤr Haussktlavin, muß um sechs Uhr fruͤh aufstehen, ob sie sich
wohl fuͤhlt oder nicht, muß Feuer machen, Heißwasser besorgen, Eß- und
Herrenzimmer reinigen, erstes Fruͤhstuͤck kochen, die Kinder anziehen helfen
und in die Schule besorgen, Schuhe und Kleider reinigen, Kinder- und Schlaf—
zimmer saͤubern und in Ordnung bringen, einholen — das ist noch eine Er—
holung, denn im Gruͤnkramladen, beim Schlaͤchter und beim Kolonialwaren—
haͤndler wird meist ein wenig geschwatzt — Gemuͤse und Obst putzen, Mittag
bereiten, Fleisch und Speisen braten, servieren — und nach dem Essen sofort
abwaschen. Nur in ganz wenigen Familien darf das Maͤdchen sich beim Essen
ein wenig ausruhen. Gewoͤhnlich muß sie sofort Kaffee kochen, dann die