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daß diese das sehr erhitzte Gesicht der fuͤr Alles Gemieteten mit einigen Schelt—
worten kuͤhlt, ist leicht zu begreifen, leichter, als daß es wenig wirklich lieder—
liche Dienstmaͤdchen gibt, da sie gar vielen Versuchungen ausgesetzt sind, und
ihr Los wahrlich kein beneidenswertes ist.“
Die Unterhaltungsspiele der Maͤdchen von damals waren so harmlos,
daß sie heute fast nur noch Kindern Freude machen. Der „Gaͤnsedieb“ gab aber
doch Anlaß zu vielem Scherz, wenn die Kette, die ihn tanzte, sich ploͤtzlich
loͤste und die verschiedenen Paare sich haschen konnten. Blindekuh, Baͤumchen⸗
verwechseln, Plumpsack, Katze und Maus — alle solche Spiele wurden in der
Biedermeierzeit von den Dienstboten und ihren Soldaten, Handwerksgesellen
und Kaufmannsdienern gespielt, wenn der freie Sonntag sie vor der Stadt
auf die Wiese bei den Gastwirtschaften hinausließ. Da lagerten denn die
Trupps, umgeben von Umschlagetuͤchern, Hauben und Strickbeuteln. Auch in
den Wirtshaͤusern suchten sie ihr Vergnuͤgen. Beim Galopp und Walzer
schmiegten sie sich an den tabak- und schnappduftenden Mann an. Das war
denn ihre Erholung fuͤr die lange, ununterbrochene Arbeit.
Im allgemeinen wurde auch damals den scheidenden Maͤdchen kein
gutes Gedenken im Hause bewahrt. Und das oft mit Grund. Fontane
berichtet in seiner Autobiographie:
„Es wird auch heute noch
uͤber Dienstmaͤdchen geklagt, aber
daruͤber ist doch wohl kein Zweifel,
daß es jetzt viele Tausende gibt,
bei denen die Kinder nicht schlech—
ter aufgehoben sind als bei den
Eltern, oft viel besser. Ein starker,
hoͤchst erfreulicher Grundstock von
Anstand, Bildung, Ehrlichkeit, ja,
von feinstem Ehrgefuͤhl ist jetzt
reichlich zu finden, waͤhrend es
damals, wenigstens in kleinen Fa—
milien, nur die sogenannten
„Lrampel“ gab. Diese Wandlung
haͤngt mit mancherlei zusammen,
nicht bloß mit dem allgemeinen
großen Bildungsfortschritt, sondern
viel viel mehr noch mit dem Um—
stande, daß sich die gegenwaͤrtig
dienende Klasse von weither re—
krutiert. Fruͤher war es nur lokal
Köchin am Sonntag. (1830)