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Die Dienstboten

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Schnitt ausstaffiert hat. Das kleinstaͤdtische, 
biedere Maͤdchen ahnt anfangs nichts Arges; 
erst schuͤchtern, dann, bei jeder Wiederholung 
schneller fortschreitend, besucht sie mit den 
andern jene schaͤdlichen oͤffentlichen Lokale, 
die schon zu einer verderblichen Menge an— 
geschwollen sind — ich meine die Tanz— 
haͤuser. Hier wuͤrden sie den Stutzern in 
Livree zum Gespoͤtte werden, wenn sie nicht 
die englischen und franzoͤsischen Pas und 
alle Touren der Taͤnze zu machen wuͤßten. 
Deshalb wird in verschiedenen Haͤusern und 
Gaͤrten Unterricht im Tanzen fuͤr Dienstmaͤgde 
und Lakaien gegeben. Unter anderen gibt 
ein muͤßiger Schneidergeselle in einem Garten 
in der Landsberger Straße fuͤr zwei Groschen 
die Stunde Unterricht. Dahin eilt nun oͤfters 
die Koͤchin vom Markte, setzt ihren Einkaufs— 
eimer vom Markte ab, spannt ihre breiten 
Fuͤße ins Fußbrett, oder stolpert schwer— 
faͤllig eine franzoͤsisch Quadrille, indes ihre 
arme wartende Hausfrau in der rauchenden Kuͤche schwitzt. 
Gewiß gibt es in unserer Stadt noch gute und rechtschaffene Dienst— 
boten; aber das Haͤuflein der Guten wird immer kleiner, und wenn wir zuruͤck— 
sehen, wie es sich in diesem Falle von zehn zu zehn Jahren veraͤndert hat, so 
duͤnkt mich, koͤnnen wir wohl nicht fuͤr die Zukunft stehen oder sagen: hier 
ist die Grenze, weiter wird das Übel nicht greifen.“ 
Die Schreiberin in den Monatsheften glaubte, daß einem großen Teil 
des Übels abgeholfen werden koͤnnte, wenn fuͤr das Gesinde eine foͤrmliche 
Kleidermode entworfen wuͤrde. Damit waͤre dann zu der Gesindeordnung 
vom Jahre 1740,78, die den Jahreslohn je nach Leistung auf acht bis zwoͤlf 
Taler jaͤhrlich festsetzte, noch eine Z. Ordnung getreten. Ob sie gefruchtet haͤtte, 
muß man bezweifeln. Andere ernste Lebensbeobachter waren jedenfalls 
der Meinung, daß vom guten Beispiel der Herrschaft mehr abhaͤngt. 
Chodowiecki veroͤffentlichte damals einen Kupferstich, auf dem er zur Besserung 
der Herrschaft riet; dann werde sich auch das Gesinde bessern. 
Das Gesinde befand sich im achtzehnten Jahrhundert uͤberhaupt in einer 
Lage, die ihm heute selbst der strengste Dienstbotendespot nicht zumuten 
wuͤrde. Wenn naͤmlich das Gesinde irgendwo anders als im Hause der Herr— 
schaft einen Teil von seinem Eigentum untergebracht hatte, konnte es mit
	        
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