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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Sachen, die an Kettchen getragen werden koͤnnen. Diese Damen sind von 
einem starken Lebenshunger beherrscht. Sie eignen sich ihre geistige oder 
sogenannte kuͤnstlerische Kultur meist nicht durch ernste Arbeit an. Alles ist 
bei ihnen Firnis. Die Arbeit fehlt, die ihr Bedeutung geben koͤnnte. Solche 
Frau ist Drohne, nichts als Drohne. Die Moͤglichkeit, mehr als Mutter legi— 
timer Kinder zu sein; ist geschwunden. Nur der Reiz des Geschlechtes blieb. 
Da hier der Besitz eine große Rolle spielt, ist die Ehe oft nur eine Vereinigung 
sozialer Positionen. Oder auch Kaufehe. Heute wird auch der Mann fuͤr die 
Ehe gekauft — und der Mann sucht außerhalb der Ehe den Genuß. Die prak— 
tische Dame, die sich da einen schoͤnen Mann gekauft, war dann eben doch 
die Unpraktischste. 
Ganz andere Stroͤmungen erfassen einzelne geistig empfaͤngliche Per— 
soͤnlichkeiten. Sie geraten in spiritische Konventikel oder schließen sich den 
Nacktlogen an. Die Mitglieder der Nacktlogen versammeln sich im Winter 
in geschlossenen Raͤumen, im Sommer schwaͤrmen sie uͤber entlegene Wald⸗ 
wiesen oder an stillen Seeufern entlang — in der UÜberzeugung, daß der un⸗ 
bekleidete Mensch der schoͤnste und gesundeste sei. Nur ist es merkwuͤrdig, 
daß sie dabei ihre Großstadtfrisur nicht ablegen. Sie halten ihr Treiben fuͤr 
eine Kulturtat. Sonne und Luft ist ja stets was Gutes, schoͤne Glieder auch. 
Aber schließlich: in den Familienbaͤdern am Wannsee, wo auch die Damen 
aus Wannsee und andern sommerlichen Vororten sich erfrischen —, wird das⸗ 
selbe erreicht, nur mit ein wenig mehr zivilisierter Verhuͤllung des Menschlich⸗ 
Allzumenschlichen. Die Damen haben doch noch nicht Sport genug getrieben, 
um die Amazonenschoͤnheit zu besitzen. Und jene Lieblichkeit der Damen 
von der Mitte des 19. Jahrhunderts besitzen nur noch wenige — gerade wegen 
des Sports, den sie treiben. 
Nixchen, wie sie Hans von Kahlenberg geschildert, gibt's auch genug. 
Aber die Berliner Dame hat doch meist einen andern Ehrgeiz, als nur zu 
spielen. Viele junge Damen besuchen Gymnasien und Hochschulen. Manche 
denken allerdings nur an gesellschaftliche oder hoͤfische Vergnuͤgungen. Ihr 
Ideal ist, Hofdame zu werden — wozu ja bei den vielen jungen Prinzen— 
paaren viel Gelegenheit ist. Altere Damen aber wollen im Leben was be— 
deuten. Da waͤre außer den schon Genannten noch manche zu nennen. Graͤfin 
von der Groͤben mit ihrem musikalischen Salon. Frau Schmidt-Burkly mit 
ihrer lebhaften Pionierarbeit fuͤr Frauenrechte und Kulturarbeit. Frau Elli 
von Siemens, Graͤfin Harrach, Frau Heyl, Exzellenz von Studt, die Wohl— 
taͤterin, Frau Fuͤrstenberg, in deren Salon die Diplomatie verkehrt, ohne 
Politik zu treiben, die Graͤfin Schwerin-Loͤwitz, Graͤfin von Rantzau und 
Fraͤulein v. Kroͤcher, die im Klub „Reue Zeiten“ die Frau auf ihrem Piedestal 
erhalten wollen.
	        
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