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Frauen und Maͤdchen finde man jetzt in Berlin, die auch alle fast immer huͤbsch
und interessant gekleidet seien. Das internationale Hoteltreiben — die Tees
mit Kunstbeigaben, die Soupers in Gesellschaftstoilette und die gemeinsamen
Plauderstunden nach dem Essen in der Halle — das alles regt sehr an und
schleift auch unkultivierten Elementen den Ungeschmack ab. Die Kleider sind
einfacher, die Farben aparter, die Huͤte und Schuhe eleganter geworden.
Der große Hut steht der Berlinerin so gut und gibt einen ausgezeichneten
Rahmen fuͤr ein Gesicht, das doch nun einmal nicht ganz allein von Lieblichkeit
und fraulicher Koketterie beherrscht wird, sondern in dem auch ein wenig die
berlinische Regsamkeit, die individualistische Selbsteinschaͤtzung des Einzelnen
und die weltstaͤdtische
Skepsis sich aͤußern.
Nichtsehrselten istauch
die Gemuͤtsnymphe,
die nicht dankbar ist
fuͤr die Hoͤflichkeit der
Maͤnner — oder des
Mannes, die fort—
wvaͤhrend in den
hoͤchsten Gefuͤhlen
schwelgt, immer als
ein besonderesGottes⸗
geschoͤpf bestaunt sein
will und fuͤr die ge—
ringsten von ihr ge—
leisteten kleinen Auf—
merksamkeiten den
ewigen Dank der
anderen beansprucht.
Sie beansprucht uͤber—
haupt immer, denkt
nur an sich und kann
sich in die Seelen der
anderen Menschen
nicht hineindenken ...
Heute nehmen eben
die Menschen zu viel
Gedanken anderer
auf. Fortwaͤhrend
sind sie im Theéater,
Sie Mühlendammscher Jüngling, beplanschen Se uns nich de renen
Strümpe mit ihre naße Achte!
(Biedermeierwitz).