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und Osterreicherin fehlt selbst die rassige Juͤdin nicht. Es ist ein buntes Bild.
Auch in der Toilette. Draußen hoͤrt man zuweilen, daß die Berliner Aristo—
kratin sich nicht zu kleiden vermoͤge. Das ist laͤngst nicht mehr wahr. Wer unsere
großen Baͤlle besucht, den Hof, die Galavorstellungen, der kann sich uͤber—
zeugen, daß wir die Zeiten der Geschmacklosigkeit wenigstens in dieser Be—
ziehung gluͤcklich ͤberwunden haben. Aber unsere Aristokratie ist nicht gleich
reich, und deshalb verschiebt sich auch das Toilettenbild. Indes kann eine
billige Blumenranke ebenso huͤbsch wirken, wie eine Brillantriviere. Bei
der Berliner Aristokratin ist beides vorhanden: Blumen und Brillanten.“
Zobeltitz, der selbst zur Aristokratie gehoͤrt, kritisiert schmeichelnd und
lobt tadelnd. Aber
er huͤtet sich, Bitter—
keiten zu sagen. Viel—
leicht empfindet er
sie auch nicht. Ob
aber wirklich die
luxurioͤse Wohltaͤterei,
der sich viele Damen
widmen, so ein herr⸗
liches Ding ist, das
bestreiten andere.
Selbst Damen ge—
brauchen das Sprich—
wort: Fuͤr den lieben
Gott tanzen. Sie fin—
den es unpassend,
daß Hunderttausende
fuͤr Toiletten, Schmuck
und Arrangements
ausgegeben werden,
um vielleicht einige
tausend Mark fuͤr
hungernde Muͤtter
herauszuschinden.
Eine von diesen herz—
haften Berliner Da—
men schimpfte uͤber
all das Getue und
meinte, wenn alle
Kuͤnstler und Arran—
„Ach entschuldigen Sie — da kommt ein Ochse!“
(Kleinbürgersatire aus der Biedermeierzeit.)