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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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Brand noͤtig sei, um neue Wege zu ermoͤglichen? Der chinesische Gesandte 
sieht von der kuͤhlen Hoͤhe seiner alten Kultur herab auf die lachenden, 
sprechenden, hastig aneinander vorbeidraͤngenden und sich uͤber die andern 
mokierenden Europaͤer. Diese Frauen — sind nicht auch manche 
geschminkt und gepudert — und jene Frau, die so selbstbewußt uͤber 
mondaͤne Kultur und Menschen plaudern kann und in ihrer gedunsenen 
Fuͤlle, mit Spitzen, Seide, falschen Loͤckchen, protzigem Brillantschmuck 
und Perlen behangen doch nur aussieht, wie wenn sie weder mondaͤn noch 
von Welt sei. Alte, adlige Damen ziehen mitleidig und ein wenig strafend 
die schoͤne, strahlende Frau eines Afrikareisenden aus der Gesellschaft von 
modernen Schriftstellern — oh — die sind so unzuverlaͤssig. Dem großen, 
blonden Professor und Frauenarzt, der so kluge Aphorismen schreibt, naͤhern 
sich Offiziere. Ein alter Stabsoffizier, duͤrr aber noch lebendig, schwaͤrmt 
einigen jungen Damen — man sieht ihren selbstgestickten Kleidern die Ma— 
lerinnen und Arztinnen an 
vom alten Berlin vor, 
wo man noch beim Butter⸗ 
brot sich traf und wo 
jeder zur Gesellschaft ge— 
hoͤrte, wenn er nur nett 
sich benehmen konnte und 
irgendeine Hoffnung ge— 
waͤhrte. Die Wirtin, die 
mit allen Anwesenden ge⸗ 
— 
jetzt nicht auch noch jeder 
Aussichtsreiche hereinge— 
zogen wuͤrde in bewegte 
und belebte Kreise. Sie 
bringt Beispiele — und 
fuͤhrt dann den alten Herrn 
zu Tisch. Ganz ploͤtzlich 
haben Diener fertig gedeckte 
Tafeln hereingebracht und 
aneinandergeschoben. Und 
in den kleinen Raͤumen 
sitzen nun sechzig bis acht— 
zig Menschen — und lassen 
sich ein schlemmerisches 
Essen wohlschmecken. Der 
Marx Slevogt: Marietta. 
Im Kabarett zum siebenten Himmel, 1903-1907.)
	        
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