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sammengcsetzte Gesellschaft uͤber
die echten Teppiche.
In andern Haͤusern wieder
brach das vordringliche Protzen—
tum oft durch. Die Leute von
der jungen Million wollten
durchaus alle Formen der vor—
nehmen Gesellschaft sich aneignen.
Und wenn zu ihren Abenden sonst
niemand von Bedeutung kam,
irgend einen jungen Attachee
einer orientalischen oder balka—
nesischen Gesandtschaft trieben
sie schließlich noch auf. Damals
waren besonders junge Chinesen
leicht zu haben.
Die Frauen dieses neuen
buͤrgerlichen Reichtums fanden
sich meist leicht hinein in die
neuen Verhaͤltnisse. Die Frau
kann sich ja uͤberhaupt leichter
den aͤußeren Formen anpassen.
Und haͤtten sie nicht oft die Ge—
schmacklosigkeit begangen, auf
der Straße in grellbunten Kleidern sich zu zeigen, waͤren sie vielleicht
den Damen der alten Familien uͤberlegen gewesen. Denn sie hatten oft ein
ehrliches Streben nach geistigem Besitz, besuchten Vorlesungen und
nahmen Unterricht in allen moͤglichen Gebieten. Bei manchen wurde die Bil—
dung allerdings zu einem Toilettestuͤck wie etwa die neueste Mantille. In
diesen Kreisen aber ward mit der steifen preußischen Form gruͤndlich gebrochen.
Hier kam es vor, daß in einem kleinen Salon eine Dame auf einem Ruhe—
bett lag und die Herren sich auf den Teppich rings herum kauerten. Hier
durften Damen auch teilnehmen am Gespraͤch — mochte das sich nun auf
Politik, auf die Vorstellungen der neugegruͤndeten „Freien Buͤhne“ oder auf
Kunst erstrecken. — Auch durften sie uͤber die nicht ganz und gar Familien—
blaͤttern entnommenen Witze lachen. Hier fand man liebenswuͤrdige Ange—
hoͤrige des schoͤnen Geschlechts, die nicht nur hausbacken und nuͤchtern, sondern
lebhaft, interessant und anregend sein konnten. Allerdings kam es wohl auch
dor, daß sie zu laut waren und zu gern disputierten — was ja immer eine
Schwaͤche der Berlinerin ist. Sie haschten auch zu gern nach Sensationen
Franz Krüger: Spreewälderin 1829