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Hauptzweck gewesen. Der Aufwand belastet den Geist und hindert jene feine
Vermischung der Schichten, die zu reifer Geselligkeit noͤtig ist.
Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur noch wenige alte Berliner
Familien, die durch gluͤckliche Grundstuͤcksspekulationen und durch geschickte
Erweiterungen der Geschaͤfte und Fabriken zu einem gediegenen Reichtum
R. Breyer: Lektüre
gekommen waren. Die Frauen kuͤmmerten sich wohl noch persoͤnlich um das
Wohl der Familien aller Angestellten, bereiteten ihnen auch Weihnachtsfeste
und besuchten die Beduͤrftigen nicht im Wagen, sondern zu Fuß. Aber die
meisten Frauen fragten nicht, wo all der Reichtum herkam, der sie umgab.
Sie lebten nur ihren eigenen engen Interessen. Und nicht alle pflegten eine
gute buͤrgerliche Geselligkeit. Aber in einigen von den alten Buͤrgerhaͤusern
fanden sich doch wenigstens Sonntags Menschen zusammen, die sich allerlei
zu sagen hatten: Gelehrte, Kuͤnstler und Angehoͤrige des gebildeten Buͤrger—
tums. Ernsthaftere Musik wurde getrieben, uͤber die neuesten Erwerbungen des
Hausherrn — er war Sammler — geplaudert, politisiert und recht reichlich
gescherzt. Denn zwecklose Heiterkeit war hier eine Hauptursache der Gesellig—
keit. Mit Neckereien war man nicht sparsam — und wenn sie auch manchmal