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Die Damen

Full text: Sittengeschichte Berlins / Ostwald, Hans (Public Domain)

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durchaus berlinisierte Schweizerin Frau Schmidt-Buͤrkly gepriesen, weil in 
ihrem Salon alle Kreise — Diplomatie, Politiker, Wissenschaftler, Kuͤnstler, 
Gelehrte, Großkaufleute, Offiziere und alle ihre Frauen — sich einfinden. 
Vor mehreren Jahrzehnten hatte Berlin anstatt der Hotel-Tees den 
kKorso als Ziel gesellschaftlicher Gemeinsamkeit. An der Tiergartenstraße 
entlang, durch die Siegesallee und in ihrer Naͤhe fuhren an bestimmten 
Wochentagen nachmittags Equipagen hin und her. Schmidt-Weißenfels 
schrieb im Jahre 1865 uͤber den Korso: „Und nun seht euch die Damen in 
dem Innern an! Kann man eleganter gekleidet sein, huͤbscher und anmutiger 
als die Tochter des Bankiers K. . .? Unmoͤglich! Und doch zieht euch die 
lunge, elegante, aber fast einfach toilettierte Frau viel mehr an, die in dem 
aristokratischen Wagen sitzt. Ist ihr Geschmack edler, ihre Haltung natuͤrlicher, 
ihr Gruß, ihr Laͤcheln, ihr Blick gewinnender — oder liegt es in dem Vor— 
urteil des Menschen, der, wie grundklarer Demokrat er sich auch zu sein duͤnkt, 
doch vor dem Aristokratischen mit der Muttermilch den Respect eingesogen hat 
und mit feiner Nase mißachtend wittert, was ohne die Natur der Aristokratie 
doch den Schein des Aristokratischen verbreiten und damit imponieren will? 
Zuweilen an schoͤnen Tagen, wenn viel Wagen und Herren zu Pferde 
den Korso besuchen, gewinnt er ein lebhafteres und anziehenderes Interesse. 
In den Fonds der Equipagen liegen unter den Wolken ihrer Kleider junge 
und alte, huͤbsche, schoͤne und nichts weniger als schoͤne Gesichter von Eva's 
Toͤchtern, kostbare Bouquets auf ausgeschlagenen Papiertellern vor und hinter 
sich und kleine Blumenstraͤuße, die galante Herren beim Voruͤberfahren 
hineinbombardiert, in den Haͤnden, bereit, sie nach Laune in einen andern 
Schooß zu werfen. Die 
Wagen mit Herren haben 
ganze Koͤrbe mit Bou— 
quets, aus denen auf ein— 
zelne der wandelnden 
Schanzen ein sehr leb— 
haftes Feuer unterhalten 
wird. Offiziere zu Pferde 
und andere Reiter, auch 
sogenannte Philister, haben 
auf ihrem Sattelknopf 
gleichfalls Straͤußchen zu 
Lund 2Sgr. mit denen sie 
den Schooß der Schoͤn⸗ 
heiten bewerfen. Zwischen 
den Wagen durch, an 
Karrikatur auf den Korso im Tiergarten um 1860.
	        
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